Fahnenflucht eines Offiziers des MfS-Wachregiments in die BRD
27. September 1976
Information Nr. 673/76 über die Fahnenflucht eines Offiziers des Wachregiments »Feliks Dzierzynski« des MfS nach der BRD
Am 25. September 1976 wurde dem MfS durch Mitteilung eines Verwandten des Angehörigen des Wachregiments »Feliks Dzierzynski« Oberleutnant [Name], geboren am [Tag] 1949 in [Ort], wohnhaft gewesen 1071 Berlin, [Adresse], WR/MfS seit 25. August 1969, zuletzt tätig gewesen als Zugführer in der [Einheit] des Wachregiments, Mitglied der SED, bekannt, dass Oberleutnant [Name] mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verräter wurde und sich in der BRD befinden soll.1
Die bisherigen Überprüfungen des MfS haben ergeben, dass sich [der Oberleutnant] seit dem 7. September 1976 bis 27. September 1976, 8.00 Uhr, im Jahresurlaub befand.
In den vorliegenden Einschätzungen über seine Dienstdurchführung und gesellschaftliche Tätigkeit im Wachregiment wurden dem [Oberleutnant] in der Vergangenheit positive Verhaltensweisen bestätigt. Er führte Befehle und Weisungen exakt und termingerecht aus, zeigte gute militärische Disziplin und Einsatzbereitschaft und war im Kollektiv geachtet. Aufgrund dieser Haltung und seines guten politischen Wissens wurde er im Januar 1976 als Parteisekretär der GO der MSK gewählt und im März 1976 als Kaderreserve für die Dienststellung Kompaniechef aufgenommen. Es gab im Zusammenhang mit seinem dienstlichen und gesellschaftlichen Verhalten keinerlei Hinweise oder Verdachtsmomente auf den von ihm begangenen Verrat.2 Auch in der engeren Verwandtschaft von ihm und seiner Ehefrau gibt es keine negativen Hinweise. Die meisten Verwandten sind SED-Mitglieder.
In der letzten Zeit wurde bekannt, dass in der Ehe des [Oberleutnants] ernsthafte Zerwürfnisse aufgetreten sind. [Angaben zur Ehefrau]. Trotz mehrerer mit [dem Oberleutnant] und mit seiner Ehefrau durch die Dienstvorgesetzten und die Politorgane der Kompanie geführter Aussprachen und der von den Ehepartnern angegebenen Bemühungen, die Eheverhältnisse wieder zu ordnen, spitzten sich die Eheverhältnisse in der letzten Zeit weiter zu, und beide Ehepartner trugen sich mit ernsthaften Scheidungsabsichten.3
In der Kompanie wurde versucht, die Eheprobleme des [Oberleutnants] selbst zu klären, ohne die vorgesetzten Stellen im Wachregiment zu informieren, sodass von diesen Stellen keine weiteren, der Situation angemessenen Maßnahmen eingeleitet werden konnten.4
Die durchgeführte Durchsuchung der Wohnung des [Oberleutnants] erbrachte Anhaltspunkte für seine Fahnenflucht. Es muss mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich [der Oberleutnant] in der BRD befindet.
Die sofort eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen führten zur Auffindung des Pkw auf dem Gebiet der DDR, den sich [der Oberleutnant] während seines Urlaubes gemietet hatte. Außerdem wurde im Ergebnis der ersten Ermittlungen festgestellt, dass [der Oberleutnant] mit einer anderen Frau aus der entfernteren Verwandtschaft aus der BRD mehrmals zusammengetroffen war.5
Aufgrund seiner Tätigkeit als Zugführer besitzt [der Oberleutnant] Kenntnisse über wichtige Sicherungsobjekte, Einsatzgrundsätze und Struktur des Wachregiments sowie seiner Einsatz- und Gefechtstechnik. Es wurden alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet.6
Die Untersuchungen werden weitergeführt.
Mielke [Unterschrift]