Festnahme eines Westberliners an der GÜST Friedrichstrasse
30. November 1976
Information Nr. 833/76 über die Festnahme eines ständigen Einwohners von Berlin (West) am 25. November 1976
Am 25. November 1976, gegen 12.00 Uhr wurde der Einwohner von Berlin (West) [Name], geboren am [Tag] 1936, Beruf: Betriebsschlosser im [Betrieb] in Berlin (West), wohnhaft: Berlin (West) – Steglitz, [Adresse], an der Grenzübergangsstelle Berlin-Friedrichstraße festgenommen, als er einen an der Vorkontrolle eingesetzten Offizier der Grenzkontrollkräfte des MfS bedrohte und zum Mitkommen nach Berlin (West) aufforderte.
[Der Einwohner von Westberlin], der unter Einwirkung von Alkohol stand, hatte zuvor einen Zollstock in der rechten Hosentasche seines Arbeitsanzuges verborgen und hielt diesen so, dass der Eindruck entstand, er habe eine Pistole in seiner Hosentasche. Unmittelbar nach dieser Handlungsweise wurde er überwältigt und festgenommen. Gegen [den Westberliner] wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft wegen strafbarer Handlungen gemäß § 212 StGB (Widerstand gegen staatliche Maßnahmen) eingeleitet und auf gleicher Rechtsgrundlage Haftbefehl erwirkt.
Die durch das MfS geführten Untersuchungen ergaben:
[Der Westberliner] wurde im Zeitraum von 1960 bis 1969 insgesamt viermal wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts, Staatsverleumdung und Verletzung inländischer Hoheitszeichen durch verschiedene Gerichte in der DDR zur Verantwortung gezogen. Nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe im Juni 1971 wurde er nach der BRD ausgewiesen. Er ist in Berlin (West) verheiratet und hat drei Kinder.
[Der Westberliner] ist ein notorischer Alkoholiker. Er führte alle in der DDR begangenen Straftaten im betrunkenen Zustand durch und verstieß darüber hinaus unter Einfluss von Alkohol wiederholt gegen allgemeine Prinzipien der sozialistischen Ordnung und Disziplin. Aus diesen Gründen wurde 1974 durch das MfS gegen ihn Einreisesperre für das Territorium der DDR wirksam.
Wie die Untersuchungen weiter ergaben, nahm [der Westberliner] am 24. und 25. November 1976 in verschiedenen Lokalen in Berlin (West), in seiner Wohnung sowie auf seiner Arbeitsstelle in erheblichem Maße Alkohol zu sich und beabsichtigte, gegen 12.00 Uhr im »Intershop« auf dem Bahnhof Friedrichstraße eine Flasche Schnaps zu kaufen. Unmittelbar im Gebäude des S-Bahnhofes entschloss er sich, seinen »Protest« gegen die im Jahre 1974 verhängte Einreisesperre sichtbar zum Ausdruck zu bringen.
Deshalb begab er sich zu der Vorkontrolle an der Grenzübergangsstelle Friedrichstraße, brachte einen Zollstock in der rechten Hosentasche seines Arbeitsanzuges unter, umklammerte diesen mit der rechten Hand und drückte ihn einem Offizier der Grenzkontrollkräfte des MfS in die Seite mit den Worten »Herr Oberleutnant, Sie kommen jetzt sofort mit mir mit, machen Sie keine Faxen, sonst drücke ich sofort ab«.
Nach Abstimmung mit den Rechtspflegeorganen ist vorgesehen, gegen [den Westberliner] einen gerichtlichen Strafbefehl gemäß § 270 StPO zu erlassen, ihn zu einer Haftstrafe von drei Wochen sowie zur Ausweisung gemäß § 59 StGB zu verurteilen.