Festnahme von Angehörigen der Fluchthilfeorganisation Dawid
[ohne Datum]
Information Nr. 106/76 über die Festnahme von drei Angehörigen der kriminellen Menschenhändlerbande Dawid am 4. Februar 1976
Am 4. Februar 1976, gegen 16.00 Uhr wurden im Stadtgebiet von Potsdam die als Touristen mit dem Pkw Typ »Opel Rekord«, amtliches Kennzeichen […] in die DDR eingereisten Einwohner von Berlin (West), [Person 1], geboren am: [Tag] 1955; ohne Beruf, zuletzt Gartenarbeiter, wohnhaft: Berlin (West)-Wedding, [Adresse], [Person 2], geboren am: [Tag] 1943; ohne Beruf, zuletzt Arbeiter in einer Holzfabrik, wohnhaft: Berlin (West)-Wedding, [Adresse], und die [Person 3], geboren am: [Tag] 1940; ohne Beruf, zuletzt Hausfrau, wohnhaft: Berlin (West)-Tiergarten, [Adresse], auf frischer Tat wegen dringenden Verdachts des staatsfeindlichen Menschenhandels festgenommen.
Gegen die drei Einwohner von Berlin (West) wurden gemäß § 105 StGB – Staatsfeindlicher Menschenhandel – Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf der gleichen Rechtsgrundlage Haftbefehle erwirkt.
Die bisherigen Untersuchungen des Ministeriums für Staatssicherheit haben ergeben:
Der in der Vergangenheit rauschgiftsüchtige [Person 1] ließ sich von dem hinlänglich bekannten leitenden Angestellten der kriminellen Menschenhändlerbande Dawid,1 [Person 4], geboren am: [Tag] 1947, wohnhaft: Berlin (West), über den bereits in der Information Nr. 53/76 berichtet wurde,2 aufgrund seiner sozialen Notlage (kein geregeltes Einkommen und mit 3 000 DM/DBB verschuldet) für die Durchführung von Aktionen des verbrecherischen Menschenhandels gegen die DDR zur Zusammenarbeit anwerben.
Der [Person 2] und die [Person 3] wurden von [Person 4] und einem weiteren Agenten der kriminellen Menschenhändlerbande Dawid ebenfalls mit der gleichen Zielstellung und unter Ausnutzung deren schlechter sozialer Verhältnisse zur Zusammenarbeit angeworben.
Bei [Person 4] handelt es sich um einen gerichtsnotorisch bekannten Verbrecher, der im Auftrag des kriminellen Menschenhändlers Dawid Personen – die in schlechten sozialen Verhältnissen leben – gegen finanzielle Versprechen anwirbt und als Organisator von Verbrechen gegen die DDR fungiert. Zur Durchführung dieser Verbrechen missbrauchte [Person 4] u. a. Schwangere und Kleinkinder als sogenannte Austauschpersonen.
Auf Weisung von [Person 4] reiste [Person 1], als Tourist getarnt, unter Missbrauch der Reise- und Besuchervereinbarung in die DDR ein zum Zwecke der Instruierung von zwei DDR-Bürgern über deren am 4. Februar 1976 vorgesehene Ausschleusung.
Der [Person 2] und die [Person 3] wurden nach ihrer Anwerbung von [Person 4] konkret angewiesen, ihre Personal- und Grenzübertrittsdokumente sowie Teile ihrer Bekleidung, einschließlich Handtaschen, den zur Ausschleusung vorgesehenen DDR-Bürgern zum Zwecke deren unmittelbarer Ausschleusung über die Grenzübergangsstelle Invalidenstraße zur Verfügung zu stellen. Dafür sollten sie 2 000 DM erhalten. Die Ausschleusung sollte – wie in jüngster Zeit wiederholt festgestellt – auf der Grundlage des Ähnlichkeitsprinzips erfolgen.
Zum Zwecke der Durchführung dieses Verbrechens reisten die drei Einwohner von Berlin (West) am 4. Februar 1976, gegen 11.00 Uhr über die Grenzübergangsstelle Invalidenstraße als Touristen getarnt in die DDR ein und begaben sich in das Stadtgebiet von Potsdam, um ihren erhaltenen Auftrag zu realisieren. Beim Versuch der Kontaktaufnahme erfolgte ihre Festnahme.
Die Untersuchungen werden durch das MfS fortgesetzt.
Es wird vorgeschlagen, diese erneuten völkerrechtswidrigen verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Menschenhändlerbande Dawid in der am 12. Februar 1976 vorgesehenen Unterredung des Beauftragten der Regierung der DDR, Genossen Dr. Mitdank, mit dem Westberliner Senatsrat Kunze auf der Grundlage des dem MfAA am 20. Januar 1976 (Information Nr. 53/76) übergebenen Materials in geeigneter Form auszuwerten.