Flucht eines Ehepaares mit Kind nach Westberlin bei Klein-Glienicke
31. August 1976
Information Nr. 605/76 über einen schweren Grenzdurchbruch DDR – Westberlin durch ein Ehepaar mit Kind im Grenzabschnitt Klein-Glienicke, Kreis Potsdam am 28. August 1976
Am 28. August 1976, gegen 9.05 Uhr wurde den Grenztruppen der DDR durch Hinweis aus der Bevölkerung bekannt, dass im Grenzabschnitt Am Böttcherberg in Klein-Glienicke, Kreis Potsdam die Grenzsicherungsanlagen beschädigt sind.
Die durch das MfS im Zusammenwirken mit den Grenztruppen der DDR unverzüglich eingeleiteten Überprüfungen ergaben:
In den späten Abendstunden des 27. August 1976 haben die DDR-Bürger [Name], geboren am [Tag] 1943, wohnhaft gewesen: Klein-Glienicke, [Adresse], zuletzt beschäftigt gewesen als Malerbrigadier im VEB [Betrieb], dessen Ehefrau, [Name], geboren am [Tag] 1954, wohnhaft gewesen: wie Ehemann, zuletzt beschäftigt gewesen als Sachbearbeiterin in [Behörde], mit ihrem Kind, [Name] (4), im oben angeführten Grenzabschnitt die Staatsgrenze der DDR nach Westberlin durchbrochen.
Der Grenzdurchbruch wurde vom Gartengrundstück der Familie [Name] aus vorbereitet und durchgeführt. Der Zaun dieses Grundstückes verläuft ca. 5 m von der Staatsgrenze entfernt parallel zu dem Hinterlandsicherungszaun (zwischen dem Grundstück und dem Hinterlandsicherungszaun verläuft die Straße Am Böttcherberg).
Zur Durchführung des Grenzdurchbruches wurde der Hinterlandsicherungszaun gegenüber dem Wohngrundstück mittels einer Zange zertrennt und die 3,50 m hohe Grenzmauer mit einer selbstgefertigten Leiter überwunden. Diese Leiter wurde beim Überwinden nachgezogen und auf Westberliner Gebiet an der Durchbruchstelle zurückgelassen.
Im Gartengrundstück wurden Abfallreste vom Bau der Leiter sowie des gegenüber der Durchbruchstelle durchgesägten Gartenzaunes aufgefunden.
Wie weiter festgestellt wurde, hat [der Geflohene] am 26. August 1976 seinen Pkw an eine bisher nicht bekannte Person verkauft. Die bisherigen Untersuchungen ergaben ferner, dass [der Geflohene] im Jahre 1974 eine Gewerbegenehmigung beantragte, um als selbstständiger Malermeister im Raum Klein-Glienicke zu arbeiten. Dieser Antrag wurde von den zuständigen staatlichen Organen abgelehnt.
Durch seine berufliche Tätigkeit im VEB [Name] war er in der Vergangenheit u. a. eingesetzt zu Malerarbeiten in Objekten der GSSD im Bezirk Potsdam (Unterkunftsräume im Panzer-Garderegiment Grambnitz und im sowjetischen Hospital Beelitz) sowie in den Räumen der in Potsdam stationierten britischen und französischen Militärverbindungsmissionen.
[Der Geflohene] war seit April des Jahres 1976 Freiwilliger Helfer der DVP.
Das MfS setzt im Zusammenwirken mit den Grenztruppen der DDR die Untersuchungen zur umfassenden Aufklärung der Ursachen und Motive sowie die den Grenzdurchbruch begünstigenden Bedingungen fort.