Grenzverletzung Bundesrepublik–DDR
8. April 1976
Ergänzungsinformation Nr. 276/76 über das Ergebnis der Untersuchung des illegalen Eindringens von zwei Bürgern der BRD in das Gebiet der DDR am 7. April 1976
Im Ergebnis der durch das MfS geführten Untersuchungen sowie der Rekonstruktion des Tatgeschehens beim illegalen Eindringen in das Gebiet der DDR und der Handlungen und Verhaltensweisen bis zur Festnahme ist festzustellen, dass den Bürgern der BRD [BRD-Bürger 1 und BRD-Bürger 2] eine feindliche Zielstellung oder provokatorische Absicht nicht nachzuweisen ist.
Die Untersuchungen des MfS ergaben, dass die Verletzung der Staatsgrenze der DDR und das illegale Eindringen in das Territorium der DDR aus Unkenntnis des Grenzverlaufes und angeblicher Unwissenheit über die Bedeutung der in diesem Grenzabschnitt deutlich sichtbaren und durch [BRD-Bürger 1 und BRD-Bürger 2] auch wahrgenommenen Grenzsäulen und -steine erfolgte.
Es wird eingeschätzt, dass die von [BRD-Bürger 1 und BRD-Bürger 2] angegebene Begründung für das Aufsuchen der Staatsgrenze, wonach [BRD-Bürger 2] den [BRD-Bürger 1] aufgrund dessen Interesses die Staatsgrenze und die Grenzsicherungsanlagen habe zeigen wollen, den Tatsache entspricht. Die Grenzverletzer kamen sofort und widerspruchslos der Aufforderung der Angehörigen der Grenztruppen der DDR zum Stehenbleiben nach und widersetzten sich der vorläufigen Festnahme nicht.
Die Untersuchungen zum Ablauf des Tatgeschehens ergaben, dass sich [BRD-Bürger 1] und [BRD-Bürger 2], die sich seit dem 5. April 1976 in Semesterferien befanden, am 6. April 1976 zu den Eltern des [BRD-Bürgers 2] nach Osterode begaben.
Am 7. April 1976, gegen 14.30 Uhr fuhren [BRD-Bürger 2] und [BRD-Bürger 1] mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen […], über Brehmke zum Gut Vogelsang, stellten den Pkw ab und begaben sich auf den Mausberg. Danach bewegten sie sich feindwärts der Sperre ca. 1 800 m entlang eines Feldweges bis zum Festnahmeort. Während dieses Fußweges passierten sie mehrmals dort befindliche Grenzsäulen und Grenzsteine. Die Festgenommenen äußerten übereinstimmend, der Auffassung gewesen zu sein, dass man sich ungehindert zwischen den Grenzsäulen und den Grenzsicherungsanlagen bewegen und bis auf 20 m den Grenzsicherungsanlagen nähern könne und das Territorium der DDR erst freundwärts der Grenzsicherungsanlagen beginnt. Auf dem Weg bis zum Festnahmeort wurden durch [BRD-Bürger 1] mehrfach aus persönlichen Motiven heraus die Grenzsicherungsanlagen fotografiert.
Die Prüfung eines eventuellen Zusammenhangs mit der am 1. April 1976 im Raum des Grenzregimentes Schönberg erfolgten Entwendung eines Gerätes 501 bestätigte sich nicht.1 Der Grenzabschnitt, in dem sich die Grenzverletzer bewegten, ist durch einen Streckmetallzaun (ohne Geräte 501) gesichert.
In den Untersuchungen wurde bekannt, dass sich [beide] seit April 1974 durch den gemeinsam geleisteten Wehrdienst in der Bundeswehr (1. Fernmelderegiment 34 Aurich/Ostfriesland) kennen und ihre Freundschaft auch nach der Entlassung aus der Bundeswehr im Juni bzw. Dezember 1975 durch gegenseitige Besuche aufrechterhielten. Der Vater des [BRD-Bürgers 1] sei Mitglied der CDU und als Ingenieur in Bochum beschäftigt.
[Beide] sind nach eigenen Angaben politisch nicht organisiert. Durchgeführte Überprüfungen ergaben, dass beide noch keine Einreisen in die DDR durchgeführt haben.
Im Ergebnis der Untersuchungen wurden [beide] gemäß Anmerkung zum § 213 StGB (ungesetzlicher Grenzübertritt) in einem Ordnungsstrafverfahren mit einer Ordnungsstrafe in Höhe von je 50 DM belegt.
Die Rückführung von [beiden] nach der BRD erfolgt über die Grenzübergangsstelle Worbis.
Durch die Hauptabteilung Konsularische Angelegenheiten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten wird über dieses Vorkommnis eine entsprechende Mitteilung an die Ständige Vertretung der BRD in der DDR gegeben, in der die zuständigen Organe der BRD erneut aufgefordert werden, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, um weitere Verletzungen der Staatsgrenze der DDR durch Bürger der BRD auszuschließen.