Grunderneuerung der Transitautobahn Berlin–Marienborn
29. November 1976
Information Nr. 813/76 über einige Probleme im Zusammenhang mit der Durchführung der Grunderneuerung der Autobahn zwischen Berliner Ring/Abzweig Leipzig und Marienborn sowie Berliner Ring/Abzweig Drewitz bis Abzweig Leipzig
Im Zusammenhang mit der Realisierung der Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der BRD vom 19. Dezember 1975 über die Durchführung der Grunderneuerung der Autobahn zwischen Berliner Ring/Abzweig Leipzig und Marienborn sowie die Grunderneuerung einschließlich sechsspuriger Ausbau der Autobahn Berliner Ring/Abzweig Drewitz bis Abzweig Leipzig wurden dem MfS Hinweise zum gegenwärtigen Stand der Grunderneuerung, den verkehrsorganisatorischen Ablauf auf der genannten Verkehrsmagistrale sowie zu Fragen der Gewährleistung der Verkehrssicherheit bekannt, die im Wesentlichen auf Meinungen von Fachexperten beruhen.1
Wie von den Fachexperten übereinstimmend festgestellt wird, verlaufen die im Jahr 1976 auf der Grundlage vorgenannter Vereinbarung zu realisierenden Bauaufgaben zur Grunderneuerung der eingangs genannten Autobahnabschnitte nach Überwindung anfänglicher Schwierigkeiten im Wesentlichen plangerecht, ohne den vom Transitabkommen zwischen der DDR und der BRD erfassten Transitverkehr zu beeinträchtigen.
Auf der Grundlage des vom Minister für Verkehrswesen der DDR bestätigten Projektes der Verkehrsorganisation werden seit Beginn der Baumaßnahmen (2.1.1976) der Verkehr und die einzelnen Teilabschnitte des Bauvorhabens grundsätzlich nach folgenden Prinzipien abgestimmt:
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Oberstes Prinzip für die Lösung aller auftretenden Probleme ist der Grundsatz: Verkehr geht vor Bau, d. h. der Verkehrsablauf und die Verkehrssicherheit haben gegenüber den Baumaßnahmen den Vorrang,
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der bautechnologische Ablauf ist so organisiert, dass die Einschränkung des Verkehrsraumes auf der Autobahn sowohl bezüglich der Sperrlängen als auch der Sperrdauer so gering wie möglich sind,
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der Verkehr wird grundsätzlich auf der Autobahn geführt, Umleitungen über das örtliche Straßennetz werden nur in bestimmten Ausnahmesituationen vorgenommen.
Ausgehend von diesen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Bauzeit erfolgte die Aufteilung der Gesamtbaustrecke (146 zu rekonstruierende Streckenkilometer gleich 292 km Richtungsfahrbahnen) in die Teilabschnitte (sogenannte Baulose) A bis E.
Die Baulose umfassen im Durchschnitt etwa 40 Streckenkilometer. Für jedes der Baulose sind als Hauptaufragnehmer Bau
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der VEB Autobahnkombinat Betrieb Nord (Rostock) – Baulos A und B – (Autobahnabzweig Marienborn bis Brandenburg),
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das VEK Ingenieur-, Tiefbau und Verkehrsbau Rostock – Baulos C – (Brandenburg bis Ziesar),
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das VEB Bau- und Tiefbau Erfurt – Baulos D – (Ziesar bis Magdeburg),
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der VEK Autobahnkombinat Weimar – Baulos E – (Magdeburg bis Marienborn)
verantwortlich.
Diese Unterteilung der einzelnen Bauabschnitte und die auf vier Bereiche aufgeteilte Bauausführung erfolgte aus Kapazitätsgründen.
Nach den vorliegenden Projektangaben sind
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1976–40 km Richtungsfahrbahn
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1977–100 km Richtungsfahrbahn
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1978–92 km Richtungsfahrbahn und
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1979–60 km Richtungsfahrbahn
fertigzustellen.
Gegenwärtig sind von den 1976 für die Grunderneuerung vorgesehenen 40 km Richtungsfahrbahn bereits 33,3 km – hauptsächlich in den Baulosen D und E – fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben worden.
Bis zum 30. November 1976 werden weitere 7,2 km Richtungsfahrbahn im Baulos E soweit fertiggestellt, sodass auch dieser Bereich rechtzeitig, insbesondere für den zu erwartenden Feiertagsverkehr, freigegeben werden kann.
Zur Sicherung des Vorlaufes für die planmäßige Durchführung der Baumaßnahmen im Jahre 1977 sind gegenwärtig 23 km Richtungsfahrbahn innerhalb der Baulose C, D und E gesperrt.
Die Fahrbahndecken sind bereits aufgebrochen, und es wurde mit dem Einbringen der Ausgleichsschicht bzw. der Tragschicht begonnen.
Im Dezember 1976 werden keine weiteren Baustellen eingerichtet.
Neben dem Teilobjekt Fertigstellung von 40 km Richtungsfahrbahn, einschließlich der Rekonstruktion der Brücken, enthält der Staatsplan 1976 noch Teilaufgaben für den Aufbau von drei Bauhöfen, den Ausbau der Umleitungsstrecken, die Schaffung des Vorlaufes für 1977, so u. a. die Errichtung von Wohnunterkünften, die Sicherung der Arbeiterversorgung und die Gewährleistung der erforderlichen Projektierungsleistungen (Gesamtumfang aller Leistungen 1976 86,3 Mio. Mark).
In den vorliegenden Einschätzungen der Fachexperten wird davon ausgegangen, den Gesamtplan 1976 bis zum Jahresende zu erfüllen und vereinzelt noch bestehende Planrückstände, besonders bei der Errichtung des Bauhofes Michendorf (Bau von Gleisanlagen sowie einer Anlage zur Herstellung von Bitumenmischgut) sowie innerhalb der Baulose A/B und E, durch Mehrleistungen an anderen Baulosen auszugleichen.
Gegenwärtig bestehen innerhalb der Baulose A bis E vier Baustellen. Um die termingemäße Fertigstellung der einzelnen Bauabschnitte zu sichern – bei gleichzeitiger Gewährleistung eines reibungslosen Verkehrsablaufes – wurden nach Abstimmung zwischen dem Ministerium für Verkehrswesen und dem Ministerium des Innern der DDR bestimmte Fahrbahnen zeitweilig wie folgt gesperrt:
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Baustelle km 0,7 bis km 6,2 – nördliche Richtungsfahrbahn,
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Fahrtrichtung Marienborn, bei Lehnin/Potsdam für die Zeit vom 1. November bis 30. November 1976,
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Baustelle km 43,2 bis km 57,5 – nördliche Richtungsfahrbahn, Fahrtrichtung Marienborn, Ziesar – Theeßen – Burg/Magdeburg – für die Zeit vom 1. November bis 30. November 1976,
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Baustelle km 101,2 bis km 112,2 – nördliche Richtungsfahrbahn, Fahrtrichtung Marienborn, Bornstedt/Haldensleben/Magdeburg – ab 1. November 1976 und Verlegung dieser Baustelle vom km 108,6 bis zum km 116,0 – Nähe Uhrsleben/Haldensleben – im Zeitraum 15. November bis 30. November 1976.
Erst im Januar 1977 wird auf der nördlichen Richtungsfahrbahn, Fahrtrichtung Marienborn, ab km 116,0 bis km 125,0 – Nähe Grenzübergangsstelle Marienborn – die nächstfolgende Baustelle eingerichtet.
Die Qualität der Bauausführung entspricht nach Auffassungen der Fachexperten insbesondere bei der Herstellung der Verschleißschicht (bituminöses Material) nicht immer den Erfordernissen. Das zeigt sich vor allem in der noch nicht vollständig erreichten Ebenmäßigkeit der Fahrbahnen sowie in der ungenügenden Verdichtung der einzelnen Schichten. Diese Mängel sind nach Meinung der Beteiligten in erster Linie auf die Nichteinhaltung von Mischrezepturen, aber auch auf mangelhafte Erfahrungen in der Technologie des Einbringens des Mischgutes und des Verdichtens zurückzuführen.
Bei einem der als qualitätsgemindert ausgeführten Teilabschnitte (km 56,8 bis km 61,4 – Theeßen – Burg/Magdeburg) ergaben die nachfolgend geführten Untersuchungen, dass es Abweichungen zwischen den labormäßig ermittelten Stabilitätswerten und denen der neu errichteten Fahrbahn gibt. Die vorgegebenen Belastungswerte (1 000 kp cm²) schwanken bei der zwischen km 56,8 bis km 61,4 errichteten neuen Fahrbahn zwischen 700 und 1 000 kp cm². Eine unzureichende Walzverdichtung hinter dem Fahrbahnfestiger ist nach Auffassung der Experten für diesen Qualitätsmangel ursächlich. Die Nichteinhaltung vorgegebener Rezepturen zur Herstellung der Materialien zum Einbau der Binder- und Verschleißschicht birgt nach Meinung der Fachexperten außerdem die Gefahr der Versprödung und Rissbildung bei Eintreten tieferer Temperaturen im Winterhalbjahr in sich. Unter diesen Umständen können die Mängel eine Verminderung der Lebensdauer der Fahrbahnen zur Folge haben.
Untersuchungen an weiteren zwischenzeitlich fertiggestellten Teilabschnitten ergaben darüber hinaus, dass die festgestellten Qualitätsmängel auch infolge fehlender bzw. noch nicht vollständig installierter Laboreinrichtungen in den Bauhöfen entstehen konnten. Die Qualitätsschwankungen bei der Herstellung der bituminösen Verschleißschicht können in solchen Fällen offensichtlich erst nach dem Einbringen auf die Fahrbahn festgestellt werden. (Aufgrund der bereits geführten Untersuchungen wurden zwischenzeitlich bereits Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Qualitätsmängel angewiesen und entsprechende Kontrollen mit dem Ziel organisiert, für die Ausgleichs- und Tragschicht die geforderten Qualitätsparameter ständig zu gewährleisten.)
Im Verlaufe des Jahres 1976 erfolgte die Zuführung der notwendigen Baumechanismen durch den mit der BRD vereinbarten Import in Höhe von insgesamt 56,2 Mio. Valuta-Mark. Es handelt sich im Wesentlichen um Ausrüstungen für den Straßen- und Brückenbau (Schwarzdeckenfertiger, Gussasphaltkocher, Betonaufbruchgeräte, Bodenvermörtlungskomplex, Betonmischanlage), Transporteinrichtungen und Fahrzeuge, Ausrüstungen für die Herstellung von Brückenelementen und Rohren, Ausrüstungen für die Baumaterialienindustrie, spezielle Ausrüstungen, Ersatz- und Verschleißteile.
Die Importe sind im Wesentlichen termingemäß realisiert worden, die Bevorratung mit Ersatz- und Verschleißteilen erfolgte für den Zeitraum von zwei Jahren.
Über die optimale Auslastung der auf diesen Baustellen eingesetzten Baumechanismen können die Verantwortlichen gegenwärtig noch keine allgemeingültigen Aussagen treffen, da im Jahre 1976 bei der laufenden Zuführung zunächst die Qualifizierungsmaßnahmen zur Beherrschung der Baumechanismen im Vordergrund standen.
Mit Beginn des Einsatzes der aus der BRD importierten Ausrüstungen ist ein durchgängiges Zwei-Schichtsystem konzipiert, an dessen voller Durchsetzung gearbeitet wird. (Grundsätzlich ist vorgesehen, auf den Bauhöfen eine volle Auslastung der Bitumenmischanlagen Teltomat 5 zu sichern und eine Übereinstimmung mit den einzusetzenden Kippfahrzeugen und Fertigern herzustellen. Alle anderen Geräte ordnen sich diesen produktions- und produktivitätsbestimmenden Maschinen unter. Dadurch kann bei Außenstehenden unter Umständen der Eindruck entstehen, bestimmte Maschinen seien nur ungenügend ausgelastet.)
Im Bereich der Baustellen erfolgt die Abwicklung des Verkehrs auf der freien Richtungsfahrbahn, wobei von den vorhandenen zwei Fahrspuren jeweils eine für eine Fahrtrichtung benutzt wird.
Die eingeleiteten verkehrsorganisatorischen Maßnahmen sichern die ständige Befahrbarkeit und ordnungsgemäße Kennzeichnung der freien Richtungsfahrbahn folgendermaßen:
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1 000 m vor jeder Baustelle ein Hinweisschild mit der Ankündigung »1 000 m Grunderneuerung Autobahn – Fahrbahnwechsel«,
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450 m vor dem Fahrbahnwechsel Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h,
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die Geschwindigkeitsbegrenzung wird ab 300 m vor der Baustelle auf 60 km/h und unmittelbar vor dem Fahrbahnwechsel auf 40 km/h festgelegt,
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Überholverbote an den Überleitungsstellen,
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zulässige Geschwindigkeit 80 km/h.
Damit wurde entsprechend den vorliegenden Erfahrungen der sichere Verkehrsablauf und eine Durchlassfähigkeit von durchschnittlich ca. 1 200 Kfz pro Stunde gewährleistet.
Zeitweilige Einschränkungen der Durchlassfähigkeit werden, abgesehen von nicht vorhersehbaren Ereignissen, wie Witterungserscheinungen oder Unfälle, insbesondere durch solche Fahrzeuge verursacht, deren Geschwindigkeit unter 40 km/h liegt (Schwerlasttransporte).
In der Zeit von Januar bis September 1976 passierten ca. 1 900 Schwerlasttransporte die Grenzübergangsstelle Marienborn, davon ca. 1 600 Schwerlasttransporte im Transit zwischen der BRD und Westberlin bzw. in umgekehrter Richtung.
Von den zuständigen Organen der DDR wird für jeden einzelnen Schwerlasttransport die Verkehrszeit festgelegt. Unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen Abgangs- und Zielort ist jedoch eine Beschränkung derartiger Transporte auf bestimmte Stunden, z. B. nur auf verkehrsarme Zeiten, nicht möglich.
Zu beachten ist weiter, dass bestimmte Schwerlasttransporte aus Gründen der Einhaltung von Sicherheitsgrundsätzen nur während der Tagesstunden – d. h. bei Tageslicht – durchgeführt werden können.
Die nachfolgenden Zahlen über den steigenden Transitverkehr verdeutlichen, dass auch unter den Bedingungen zeitweiliger bzw. streckenweiser Beschränkungen der reibungslose Straßenverkehr gewährleistet ist und die von DDR-Seite eingeleiteten verkehrsorganisatorischen Maßnahmen den gegebenen Erfordernissen entsprechen:
[Quartal] | 1975 | 1976 |
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I. Quartal | 711 000 Kfz | 752 000 Kfz |
II. Quartal | 928 000 Kfz | 991 000 Kfz |
III. Quartal | 947 000 Kfz | 980 000 Kfz |
IV. Quartal | 813 000 Kfz | – |
Zur Gewährleistung einer zügigen und reibungslosen Abwicklung des Verkehrs im Zusammenhang mit dem Feiertagsverkehr (Ostern, Pfingsten) erfolgte die zeitweilige Aufhebung der Straßensperrung und Freigabe zur Zwischenbefahrung der Baustellen, sodass beide Richtungsfahrbahnen genutzt werden können. (Analoge Maßnahmen sind auch für den Feiertagsverkehr, Weihnachten und zum Jahreswechsel vorgesehen.)
Für die Beherrschung besonderer Verkehrssituationen werden vor Beginn der Baumaßnahmen in den betreffenden Bauabschnitten der Autobahn Marienborn – Berlin Umleitungsstrecken im autobahnnahen Territorium vorbereitet.
Entsprechend den Festlegungen des Projektes der Verkehrsorganisation hat die Umleitung des Verkehrs über diese vorbereiteten Strecken nur in Ausnahmesituationen, bei völliger Sperrung der Autobahn und längerer Sperrdauer zu erfolgen. Diese grundsätzliche Regelung ergibt sich aus folgenden Gründen:
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Das Befahren der Autobahn verkürzt trotz Zähflüssigkeit des Verkehrs die Fahrtzeit wesentlich gegenüber der Benutzung der Umleitungsstrecke.
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Der Verkehr auf Landstraßen wird aufgrund der geringen Durchlassfähigkeit (ca. 800 Kfz pro Stunde), notwendiger Beachtung des Territorialverkehrs und der Geschwindigkeitsbeschränkungen in Ortschaften bedeutend behindert.
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Die Unfallgefahr auf den Umleitungsstrecken ist weitaus höher (Radfahrer, Fußgänger, Einengungen, langsamfahrende Fahrzeuge der Landwirtschaft, wie Traktoren, Landmaschinen, z. T. hoher Verschmutzungsgrad durch landwirtschaftliche Fahrzeuge).
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Die Beförderungsmöglichkeiten von Schwerlasttransporten sind aufgrund der Abmessungen eingeschränkt und nur in verkehrsarmen Zeiten durchführbar.
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Schwere Havarien oder Straßenunfälle, die eine kurzfristige Beräumung des Autobahnabschnittes ausschließen bzw. die Verkehrslenkung im Bereich der Autobahn nicht mehr ermöglichen sowie hohe Verkehrsdichte, die zu erheblichem Rückstau mit steigender Tendenz im Bereich der Baustelle führen (Bestätigung des Ministers des Innern und Chef der DVP muss in jedem Fall vorliegen).
An der Umleitungsstrecke im Raum Ziesar – Theeßen und Ostingersleben – Morsleben wird zurzeit noch gebaut. Sie kommt deshalb für eine entsprechende Nutzung als Umleitungsstrecke gegenwärtig nicht infrage. Von der Benutzung vorbereiteter Umleitungsstrecken wurde bisher Abstand genommen, da lediglich in wenigen Ausnahmefällen (Unfälle) Vollsperrungen bis maximal 20 Minuten erforderlich waren.