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Lage im Gesundheitswesen, insbesondere Flucht und Ausreise

[ohne Datum]
Information Nr. 572b/76 über Erkenntnisse zur Situation im Bereich Medizin – Staatliches Gesundheitswesen, Hoch- und Fachschulwesen, Pharmazie und Medizintechnik [Langfassung]

Inhaltsübersicht

Einleitung

  • 1.

    Einige Erkenntnisse zu Ursachen und Motiven für die politische Haltung bestimmter Kreise der medizinischen Intelligenz im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der DDR

  • 2.

    Hinweise über politische und andere Erkenntnisse, die im Prozess der vorbeugenden Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und bei der Wiedereingliederung derartiger Personen gewonnen wurden

  • 3.

    Einige Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Durchsetzung des »Gemeinsamen Beschlusses des Politbüros des ZK der SED, des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB« vom 25. September 19731

[Einleitung]

Nach dem MfS vorliegenden Erkenntnissen stellt im Vorgehen gegnerischer Kräfte, besonders der BRD und Westberlins, gegen die DDR der Bereich Medizin mit dem staatlichen Gesundheitswesen, dem medizinischen Sektor des Hoch- und Fachschulwesens, der pharmazeutischen Industrie sowie der Medizintechnik einen Schwerpunkt dar. Das zeigt sich in zielgerichteten

  • Aktivitäten zur feindlichen und negativen Beeinflussung im Bereich Medizin tätiger Personen durch die Forcierung der ideologischen Diversion und der Herstellung sowie des Ausbaus von Kontakten mit feindlich-negativer Zielstellung,

  • Abwerbungen und Ausschleusungen medizinischer Hoch- und Fachschulkader und vor allem in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung tätiger Ärzte,

  • Bestrebungen zur Erlangung geheim zu haltender Informationen auf medizinischem, medizinisch-technischem und pharmazeutischem Gebiet.

Als Initiatoren und Organisatoren derartiger subversiver Handlungen gegen den Bereich Medizin der DDR wurden

  • Zentren und Institutionen der ideologischen Diversion,2

  • imperialistische Geheimdienste,

  • kriminelle Menschenhändlerbanden,

  • Mitarbeiter von Konzernen der Pharmazie/Medizintechnik und medizinischen Fachverlagen,

  • Mitglieder medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaften und berufsständischer Einrichtungen (z. B. des »Verbandes der Ärzte Deutschlands – Hartmannbund«) und vor allem auch

  • feindlich eingestellte Einzelpersonen aus dem Bereich Medizin der BRD und Westberlins, darunter besonders solche, die die DDR ungesetzlich verlassen haben,

erkannt und nachgewiesen.

In zunehmendem Maße sind die genannten Institutionen, Organisationen und Personengruppen um ein koordiniertes Vorgehen bemüht und konnten durch ihre umfangreichen, in der Regel personengebundenen Aktivitäten Personen im Bereich Medizin der DDR im Sinne ihrer Ziele beeinflussen.

Aus vorgenannten Gründen wurden durch das MfS im Zusammenhang mit der Bekämpfung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie bei der Lösung anderer Sicherungsaufgaben im Bereich Medizin der DDR gewonnene Erkenntnisse in einer ausführlichen Information zusammengefasst.

1. Einige Erkenntnisse zu Ursachen und Motiven für die politische Haltung bestimmter Kreise der medizinischen Intelligenz im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der DDR

Im Ergebnis der durch das MfS zur vorbeugenden Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens von Medizinern eingeleiteten umfangreichen Maßnahmen und den aus der Untersuchungstätigkeit im Zusammenhang mit straffällig gewordenen Personen vorliegenden Erkenntnissen sind folgende beachtenswerte Tendenzen und Erscheinungen festzustellen:

Die Mehrheit der im Zusammenhang mit vorbereitetem oder versuchtem ungesetzlichen Verlassen der DDR in Erscheinung getretenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz verfügt über ein hohes fachliches Wissen und Können. Ihnen wurde Einsatzbereitschaft, Ansehen im Kollegenkreis und bei den Patienten sowie Interesse an der beruflichen Weiterentwicklung und Qualifizierung bescheinigt.

Überwiegend waren bei ihnen solche Denk- und Verhaltensweisen charakteristisch, dass

  • Ärzte von der Gesellschaft bestimmte Vorrechte und Privilegien fordern können,

  • nicht die gesellschaftlichen Erfordernisse, sondern ausschließlich oder vorrangig die persönlichen Bedürfnisse und Interessen im Vordergrund stehen,

  • sich für sie aus der Nutzung aller von der sozialistischen Gesellschaft gebotenen Vorzüge für die persönliche Entwicklung und Qualifizierung keine persönlichen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft ergeben, sondern diese Förderung der einzelnen Persönlichkeit eine Selbstverständlichkeit darstelle,

  • die ordnungsgemäße Durchführung der ärztlichen Tätigkeit die einzige Verpflichtung der Ärzte gegenüber der Gesellschaft darstelle und die Gesellschaft dem Arzt einräumen müsse, sich als »Nur-Fachmann« zu betätigen.

Diese Grundhaltung durchdringt auch deutlich die politisch-ideologische Einstellung gegenüber der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Mediziner besitzt eine feindliche oder ablehnende Einstellung gegenüber der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR oder steht im Widerspruch gegenüber einzelnen Teilbereichen oder Erscheinungen der sozialistischen Entwicklung.

Über 20 Prozent der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR strafrechtlich zur Verantwortung gezogenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz lehnte aus antikommunistischer, nationalistischer oder sozialdemokratischer Einstellung, auf der Basis anderer bürgerlicher oder reaktionärer Auffassungen sowie aufgrund idealistischer Weltanschauungen, besonders konfessioneller Bindungen, die sozialistische Gesellschaftsordnung der DDR prinzipiell oder in wesentlichen Teilbereichen ab.

Ein Teil der Personen gelangte über die Ablehnung einzelner Seiten der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu einer Gegnerschaft gegen die DDR. Diese war vorwiegend geprägt durch die Ablehnung des Marxismus/Leninismus als wissenschaftliche Weltanschauung, der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei, der sozialistischen Demokratie, der weiteren Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR, der sozialistischen Wirtschaftspolitik sowie der Bildungs- und Informationspolitik.

Die überwiegende Anzahl der straffällig gewordenen Ärzte lehnte die Abgrenzungspolitik gegenüber der BRD, die Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze und die eingeschränkten Reisemöglichkeiten in nichtsozialistische Staaten, in denen Beschränkungen der »persönlichen Freiheiten« und Bevormundungen durch den sozialistischen Staat gesehen werden, ab. Derartige Haltungen bildeten sich bei der Mehrzahl dieser Personen auf der Grundlage kleinbürgerlicher, prowestlicher Erziehung im Elternhaus überwiegend erst während des Studiums heraus.

Stark ausgeprägte objektivistische Informationsbedürfnisse, bei Betonung des »Rechtes auf Meinungsfreiheit und freier Meinungsbildung«, trugen wesentlich dazu bei, dass sich dieser Personenkreis gezielt antisozialistischen politisch-ideologischen Einflüssen aussetzte und sich die insbesondere aus westlichen Massenkommunikationsmitteln sowie Gesprächen mit Kontaktpartnern aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin entnommenen Argumentationen zu eigen machte. In Einzelfällen waren strenge konfessionelle Bindungen maßgebend, dass diese Personen in vermeintliche oder tatsächliche Widersprüche mit der gesellschaftlichen Umwelt gerieten und deshalb eine ablehnende Position gegenüber der DDR einnahmen.

Bei weiteren Ärzten hatte die dargelegte Ablehnung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR primär materielle Erwägungen zur Grundlage. In den meisten Fällen aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend oder in diesem Sinne beeinflusst, führten frühzeitig herausgebildete Lebensmaxime, wie z. B. die schnellstmögliche Erlangung materiellen Reichtums und einer »gehobenen gesellschaftlichen Stellung«, vordergründig zur Befriedigung überhöhter Lebensansprüche ohne Berücksichtigung gesellschaftlicher Erfordernisse, dazu, dass bei Konfrontation mit den sozialistischen Verhältnissen diese als nicht ihren egoistischen Interessen dienend eingeschätzt und deshalb abgelehnt wurden.

Neben der Gegnerschaft zu den im Wesentlichen schon genannten Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR war die Realisierbarkeit ihres Wunsches nach einer eigenen Praxis bei der Mehrzahl der Ärzte das Hauptkriterium für die von ihnen gegenüber der DDR bezogene Position. Die private Arztpraxis als Lebensziel wurde von ihnen als Voraussetzung für materielle Besserstellung, höheres gesellschaftliches Ansehen, Schaffung von Arbeitsbedingungen nach Wunsch sowie Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Verpflichtungen und politischer Stellungnahme angesehen. Die des Weiteren vorgebrachten Vorstellungen vom Besitz eines eigenen Hauses oder einer größeren Wohnung, mehr Luxus, Vermögen, Auto nach Bedarf oder dekadenter, ausschweifender Lebensweise, die sie nicht in der DDR, wohl aber in der BRD zu realisieren können glaubten, waren häufig weitere Gründe für die ablehnende Haltung zur DDR. In starkem Maße wurden derartige Vorstellungen durch Einflüsse der politisch-ideologischen Diversion und der forciert betriebenen Kontaktpolitik/Kontakttätigkeit genährt und dadurch verfestigt.

Bei ca. 40 % der straffällig gewordenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz war ein kaum ausgeprägter bzw. ungefestigter politischer Standpunkt festzustellen, wodurch sie den negativen Einflüssen leicht erlagen. Ihre Haltung war teilweise durch völliges Desinteresse am politischen Geschehen, Unverständnis für sich aus gesellschaftlichen Erfordernissen notwendig ergebende Maßnahmen sowie Überbewertung und ungerechtfertigte Verallgemeinerung bestimmter Einzelerscheinungen gekennzeichnet. Oftmals emotional geprägt, äußerte sie sich vor allem in formalen Systemvergleichen zwischen der DDR und der BRD.

Tatsächliche bürokratische Verhaltensweisen und Mängel in der Tätigkeit staatlicher Organe, Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung sowie Unzulänglichkeiten im eigenen Arbeitsbereich wurden überbewertet und als systembedingt verallgemeinert.

Ausgeprägt war bei diesen Personen der Standpunkt, dass es für einen Arzt zur Erfüllung seiner humanistischen Pflicht unerheblich ist, unter welchen gesellschaftlichen Verhältnissen er arbeitet. Die im Prinzip den sozialistischen Verhältnissen zustimmende und aufgeschlossene, jedoch überwiegend nicht verfestigte politische Position eines Teiles des o. g. Personenkreises resultierte in den meisten Fällen aus der Anerkennung für die großen Leistungen des sozialistischen Gesundheitswesens sowie der vollzogenen persönlichen und beruflichen Entwicklung und erreichten gesellschaftlichen Stellung dieser Personen in der DDR. Das äußerte sich u. a. in der mehrfach feststellbaren gesellschaftspolitischen Aktivität dieser Personen. Auf der Basis eines ungefestigten politischen Standpunktes waren sie jedoch kleinbürgerlichen und anderen negativen Einflüssen aus ihrem Umgangskreis leicht erlegen, betrachteten staatliche Maßnahmen von einem egozentrischen Standpunkt und setzten sich dadurch in Einzelfragen in Widerspruch zur gesellschaftlichen Umwelt.

Über zwei Drittel der genannten Angehörigen der medizinischen Intelligenz verneinten nachdrücklich das Erfordernis gesellschaftlicher Aktivität des Arztes, wobei diese Haltung in erheblichem Maße von Bedeutung für die Herausbildung des Tatentschlusses zum ungesetzlichen Verlassen der DDR war.

Diese Einstellung zur gesellschaftlichen Aktivität und politischen Stellungnahme wurde von ihnen so formuliert, dass

  • ein Arzt auch ohne marxistisches Wissen ein hochqualifizierter Fachmann sein könne,

  • vom Arzt eine unpolitische Haltung eingenommen werden müsse, da er verpflichtet sei, kranke Menschen unabhängig von deren politischen Positionen zu behandeln,

  • die für gesellschaftliche Arbeit verbrauchte Zeit nutzbringender für die Gesellschaft zur Erfüllung fachlicher Aufgaben und Weiterqualifizierung verwendet werden könne.

Die gesellschaftliche Aktivität von Ärzten unterliegt durch diese Personen einer solchen Wertung, dass

  • nur Karrieristen und die fachlich schwächsten Mediziner Mitglieder der SED wären,

  • politische Heuchelei erforderlich sei, um an Universitäten wissenschaftlicher und Lehrtätigkeit nachgehen zu können,

  • mit der Kaderpolitik im Gesundheitswesen insgesamt ein versteckter Zwang zu politischer Stellungnahme ausgeübt werde.

Die egoistische, vorrangig auf die Befriedigung materieller Interessen orientierte Einstellung eines großen Teils der Mediziner wird auch hier deutlich in der Meinung, dass bei gesellschaftlicher Arbeit »nichts herausspringt«. Diese Haltung widerspiegelt sich auch in der Forderung, das gesellschaftswissenschaftliche Grundlagenstudium in der medizinischen Ausbildung fakultativ auszugestalten.

In einigen Fällen waren sich Personen bewusst, dass die Übernahme einer Leitungsfunktion eine konsequentere Stellungnahme zur DDR erfordert und damit auch politisch-erzieherische Aufgaben verbunden sind. In Ablehnung dieser Konsequenz, die ihrer persönlichen politischen Haltung widersprach, waren sie zum Verzicht auf eine Einsetzung bzw. Bewerbung für eine derartige Stelle bereit. Einzelne Ärzte hatten die Wahl einer bestimmten medizinischen Einrichtung auch unter dem Aspekt vorgenommen, dort nicht mit Anforderungen an gesellschaftliche Aktivitäten konfrontiert zu werden.

Meistens verstanden es die genannten Ärzte, durch formale Mitgliedschaft in gesellschaftlichen Organisationen (FDGB, DRK) oder Übernahme solcher gesellschaftlichen Aufträge, die ihren persönlichen oder beruflichen Interessen entgegenkamen (Organisierung von Kulturveranstaltungen, Durchführung medizinischer Vorträge), ihre politische Grundhaltung zu kaschieren.

Bei zwei Drittel der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR angefallenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz war – verbunden mit Unzufriedenheit mit ihrer bisherigen Entwicklung, ihrer Perspektive und ihren eigenen Arbeits- und Lebensbedingungen – die Erwartung, nach dem ungesetzlichen Verlassen der DDR eine günstigere berufliche und insgesamt persönliche Perspektive zu erhalten, das dominierende Motiv. Kennzeichnend für ihre Auffassungen über das Gesundheitswesen in kapitalistischen Staaten, speziell in der BRD, sind dabei meist relativ allgemeine und häufig auf einen Vergleich mit der DDR bezogene Vorstellungen über

  • moderne medizinische Einrichtungen, Vorhandensein neuester Technik und fortschrittlicherer Behandlungsmethoden,

  • Vielfältigkeit und höhere Qualität der Arzneimittel,

  • raschere Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die medizinische Praxis,

  • höheren Entwicklungsstand der naturwissenschaftlichen Disziplinen, speziell der medizinischen Wissenschaft (was u. a. aus der Verleihung des Nobelpreises an Mediziner aus westlichen Staaten abgeleitet wurde),

  • bessere wissenschaftliche Kooperation mit anderen kapitalistischen Staaten,

  • großzügigere Anerkennung (materiell und ideell) der Rolle und Bedeutung des ärztlichen Berufs.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Überzeugung geäußert, dass das Gesundheitswesen und der einzelne Arzt nicht von Auswirkungen der Krise betroffen werden könnten, da »Ärzte immer gebraucht werden«.

Hinsichtlich konkreter persönlicher Erwartungen war der größte Teil des genannten Ärztekreises in solchen Vorstellungen befangen wie

  • wesentlich höhere finanzielle Vergütung und Erhalt finanzieller Zusatzleistungen, wobei die Erwartungen von 3 000 DM als Mindestgehalt bis zu 5 000 DM bis 10 000 DM als mögliches und erreichbares Einkommen reichten,

  • durch den »freien Arbeitsmarkt« völlig unbeeinflusste Auswahl des Einsatzortes und der gewünschten medizinischen Einrichtung,

  • ausschließliche Konzentration auf die fachliche Arbeit ohne erforderliches politisches Engagement,

  • ungehindertes Nachgehen wissenschaftlicher Tätigkeit, erleichtertes Promotionsverfahren,

  • Eröffnung einer Privatpraxis, verbunden mit kleinbürgerlichen Wohlstandsvorstellungen.

Von Bedeutung war in diesem Zusammenhang die bei einigen Ärzten existierende Erwartung, ohne den »täglichen Kleinkrieg« um die Beschaffung notwendiger pharmazeutischer und anderer medizinischer Hilfsmittel, ungestört der eigentlichen Arbeit nachgehen zu können. In Einzelfällen wurde das Ziel verfolgt, in Entwicklungsländern bzw. als Schiffsarzt eingesetzt zu werden.

Diese Erwartungen, vor allem im Ergebnis der Einflüsse von Rückverbindungen, anderer Kontakte, durch die Lektüre westlicher Fachzeitschriften sowie in einigen Fällen durch persönliche Inaugenscheinnahme bei besuchsweisen Aufenthalten in der BRD entstanden, waren in der Mehrzahl nicht durch feste Garantien und verbindliche Zusagen bestätigt. Nur wenige Ärzte wussten sich der finanziellen und sonstigen materiellen und sozialen Unterstützung durch Verwandte und Bekannte im nichtsozialistischen Ausland und Westberlin versichert.

Vor allem durch die vielfach bestätigte Kenntnis der hohen Arztgehälter und Vermutungen über »Starthilfen« und sonstige Förderung von DDR-Ärzten durch die BRD-Behörden waren diese Ärzte fast ausnahmslos fest überzeugt, nach dem ungesetzlichen Verlassen der DDR ohne nennenswerte Schwierigkeiten Fuß fassen zu können. Bei zahlreichen Personen spielten im Motivationsgefüge auch Vorstellungen über uneingeschränkte Reisemöglichkeiten, höheren Lebensstandard und mehr »persönliche Freiheit« eine Rolle, standen aber auch vordergründig mit den berufsspezifischen Zielvorstellungen in Verbindung. Über eine ernst zu nehmende Konfrontation mit den zu erwartenden Verhältnissen im kapitalistischen Ausland gab es nur vereinzelt geringfügige Bedenken.

Im engen Zusammenhang mit den vorstehend genannten Erwartungen und der diesen Auffassungen zugrunde liegenden Einstellung zum Gesundheitswesen im kapitalistischen Ausland steht die Haltung zum Gesundheitswesen der DDR und zu den unmittelbaren persönlichen Arbeits-, Entwicklungs- und Lebensbedingungen als Arzt in der DDR.

Eine pauschale Negierung von Vorzügen des sozialistischen Gesundheitswesens war nur bei einem kleinen Teil der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR angefallenen Ärzte erkennbar. Diese Personen stellten das Gesundheitswesen der DDR als schlecht organisiert, nicht dem neuesten Entwicklungsstand von Wissenschaft und Technik insgesamt und in einzelnen Fachdisziplinen entsprechend materiell ausgestattet und nicht den Erfordernissen einer modernen Heilbehandlung angepasst hin.

Die Mehrzahl der o. g. Ärzte erkannte dagegen bestimmte Vorzüge des Gesundheitswesens der DDR an, vor allem

  • das Niveau der theoretischen und praktischen Ausbildung der Ärzte,

  • die kostenlose und gleiche Behandlung und Betreuung aller Bürger,

  • das vorbildlich organisierte Betriebsgesundheitswesen.

Anerkennung fanden auch die Tatsache, dass seit dem VIII. Parteitag der SED3 schrittweise positive Veränderungen im Gesundheitswesen durchgeführt wurden sowie die Möglichkeiten für die Weiterführung der medizinischen und pharmazeutischen Forschung und Entwicklung im Rahmen des weiteren Integrationsprozesses der sozialistischen Staatengemeinschaft.

Bei der Beurteilung von Unzulänglichkeiten in einzelnen Einrichtungen des Gesundheitswesens war für einen erheblichen Teil der Ärzte typisch, dass sie

  • einseitig äußere Erscheinungsformen bewerteten, ohne die zugrunde liegenden objektiv begründeten Umstände zu berücksichtigen,

  • positive Momente und Ansatzpunkte negierten,

  • überspitzte Verallgemeinerungen und Schlussfolgerungen zogen und in Resignation verfielen.

Die bekannt gewordenen subjektiven Einschätzungen zu Erscheinungen im Bereich Medizin der DDR, die abgelehnt wurden, lassen sich wie folgt zusammenfassen, wobei es sich teilweise nur um vereinzelt angesprochene Umstände handelt:

Materiell-technische Sicherstellung

  • veraltete, störanfällige, nicht mit modernen Heilmethoden zu vereinbarende Technik in den verschiedenen Fachdisziplinen,

  • unzureichende Versorgung mit hoch entwickelten Arzneimitteln, mindere Qualität bestimmter Pharmazeutika, hoher administrativer Aufwand zur Bewilligung sehr hochwertiger Präparate,

  • ständige Engpässe bei ärztlichen Hilfsmitteln, ungenügende Ausrüstung mit Pkw für Hausbesuche.

Äußere Arbeitsbedingungen

In vielen Krankenhäusern und Kliniken ungenügende soziale Bedingungen hinsichtlich Verpflegung, räumlicher Beengtheit, hygienischer Voraussetzungen (fehlende Duschmöglichkeiten, nicht vorhandene Klimaanlage im OP-Saal, Ausfall von Kühlanlagen im Bereich Pathologie) für das ärztliche Personal.

Materiell-finanzielle Lebensbedingungen

  • unverändertes Bestehen der gegenwärtigen Gehaltsregelung für das ärztliche Personal im Prinzip seit über 15 Jahren – im Gegensatz zu den umfassenden lohnpolitischen Veränderungen anderer Berufsgruppen,

  • Lohnpolitik im Bereich Medizin ist »Gleichmacherei« – Entlohnung sollte differenziert nach Qualität und nach Anzahl der Patienten erfolgen,

  • Missverhältnis zwischen hoher Überbelastung und finanzieller Vergütung,

  • Nichtvergütung von Zusatzleistungen nach Arbeitsschluss, die außerhalb der eigentlichen funktionellen Aufgaben liegen.

Überbelastung des ärztlichen Personals

  • Mangel an ausgebildeten Ärzten, Fluktuation in einzelnen klinischen und ambulanten Einrichtungen, Republikverrat mehrerer Ärzte in einer Einrichtung in kurzen zeitlichen Abständen, unzureichende medizinisch-technische Ausrüstung u. a. bewirken hohe Be- und Überbelastung der Ärzte,

  • Erhöhung der täglichen Zahl von Behandlungen gegenüber der Norm von 35 Patienten zeitweise auf 150 bis 250 Patienten, Vorrang der Behandlungsquantität vor der Behandlungsqualität,

  • Fehlen vorausschauender Planung saisonbedingter Überbelastung in Urlauberzentren,

  • wesentliche Einschränkung von Weiterbildungsmaßnahmen und wissenschaftlicher Arbeit.

Probleme der Ausbildung, Qualifizierung und Weiterentwicklung

  • Facharztausbildung ist nicht immer sofort nach Studienabschluss aufgrund beschränkter Ausbildungskapazität möglich, Ausbildungsstandard wird nicht eingehalten, hohe Belastung durch zusätzliche Vertretungen und ambulante Behandlungen behindert die Teilnahme an vorgeschriebenen Hospitationen,

  • fehlende Kongressbesuche vor allem in nichtsozialistischen Staaten, Nichtgenehmigung der Mitgliedschaft in internationalen Fachverbänden, ungenügend zur Verfügung stehende Fachliteratur westlicher Herkunft, Einziehung bestellter Fachzeitschriften aus dem westlichen Ausland durch die Zollorgane behindern die umfassende Aneignung neuer wissenschaftlicher und praktischer Erkenntnisse auf dem jeweiligen medizinischen Fachgebiet,

  • Weiterbildung ist zu stark von der persönlichen Gunst des Vorgesetzten abhängig, wobei einseitig die Qualifizierung der Kader in der eigenen Einrichtung betont wird,

  • fehlende Voraussetzungen für die Eröffnung einer Privatpraxis.

Probleme der Leitungstätigkeit

  • schlechte Leitungstätigkeit als Ergebnis des Einsatzes von politisch bewussten, aber nicht ausreichend fachlich befähigten Personen als Leitungskader,

  • zu starke Belastung der Leiter mit verwaltungstechnisch-organisatorischen Aufgaben, zu wenig Zeit für wissenschaftliche Arbeit und Patienten,

  • schlechter Leitungsstil einzelner Kader, wie autoritär-despotischer Umgangston, Verschleppung notwendiger Entscheidungen, mangelnder Informationsfluss nach unterer Ebene, Herzlosigkeit und mangelndes Verständnis im persönlichen Umgang mit Mitarbeitern,

  • fehlende Reaktion auf neue Gedanken und Neuerervorschläge.

Organisation und Lenkung des Gesundheitswesens

  • ungenügende Nutzung und Auslastung der Kapazität betrieblicher Gesundheitseinrichtungen für den Gesamtbevölkerungsbedarf, unzureichende Bereitschaft von Betrieben zur Mitwirkung an Ausbau und Rekonstruktion staatlicher Arztpraxen insbesondere in Kleinstädten und ländlichen Gebieten,

  • starke Zentralisation auf Ausbau der Behandlungskapazitäten in Kreisstädten bringt Nachteile für die ärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung,

  • Unterschätzung des gestiegenen psychotherapeutischen Bedarfs,

  • Streichung von Bauvorhaben, die wesentliche Verbesserungen in den Arbeits- und Lebensbedingungen des ärztlichen Personals bewirkt hätten, ohne Begründung gegenüber dem betroffenen Personenkreis,

  • geringere Unterstützung kirchlicher klinischer Einrichtungen,

  • bestehender Widerspruch zwischen vorhandenem Bettenmangel einerseits und wegen Personalmangels leer stehenden Betten andererseits,

  • großer Mangel an mittlerem medizinischen Personal infolge schlechter Bezahlung,

  • Territorialdenken der Kreise hemmt mitunter rechtzeitige ärztliche Versorgung bei notwendigen Krankenhauseinweisungen,

  • umfangreiche verwaltungstechnische und sonstige Schreibarbeiten lassen zu wenig Raum für das Gespräch mit dem Patienten und Konsultationen mit Fachkollegen.

  • Diese vorgenommenen Einschätzungen von wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR angefallenen Ärzten erfahren im zahnärztlichen Bereich eine spezifische Aussage:

    • die zahnärztliche Ausbildung und die der Zahntechniker entspricht insgesamt nicht dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik,

    • existierendes Missverhältnis zwischen Anzahl neu tätig werdender und aus Altersgründen ausscheidender Zahnärzte,

    • Missverhältnis zwischen Behandlungsbedürftigkeit und tatsächlichem Betreuungsgrad der Bevölkerung,

    • großer Mangel an mittlerem medizinischen Personal,

    • räumliche und ausstattungsmäßige Bedingungen erlauben nicht die Einrichtung der zahnärztlichen Praxis mit zwei Behandlungseinheiten, um zeitsparend zwei Patienten gleichzeitig behandeln zu können,

    • äußerst ungenügende Versorgung mit dentalen Hilfsmitteln, darunter mit Bohrern, und mindere Qualität dieser im Vergleich mit westlichen Erzeugnissen,

    • lange Reparaturzeiten von zahnärztlichem Gerät,

    • Beschaffungsschwierigkeiten bei solchen Gegenständen wie Drehstuhl und Arzneischränkchen.

Solche vorstehend aufgeführten subjektiv vorgenommenen Bewertungen waren bei über einem Drittel der genannten Ärzte von wesentlicher Bedeutung für die Herausbildung und Verfestigung des Motivs und für die Entschlussfassung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR.

Als motivbildende und tatentschlussfördernde Faktoren traten jedoch auch eine Reihe persönlicher Probleme und Umstände in Erscheinung. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um

  • Befürchtungen hinsichtlich einer behinderten Entwicklung der eigenen Kinder aufgrund deren sozialer Herkunft, Benachteiligung gegenüber Arbeiterkindern bei der gewünschten Aufnahme in die »Erweiterte Oberschule« und bei Erhalt eines Studienplatzes trotz guter schulischer Leistungen,

  • räumliche Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort und daraus resultierende hohe Belastung auch in den familiären Beziehungen, andere Wohnraumprobleme,

  • Unverständnis gegenüber der erfolgten Ablehnung eines Antrages für eine Reise in dringenden Familienangelegenheiten,

  • Verärgerung über Nichteinhaltung von gegebenen Zusicherungen bei Studienabschluss, wie z. B. bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen, Einsatz in bestimmten Einrichtungen und Gegenden, die teilweise aufgrund objektiver Umstände nicht realisierbar waren,

  • Probleme der Partnerwahl,

  • intensive Beeinflussung durch Verwandte und Bekannte in der BRD,

  • Zusammengehörigkeitsgefühl mit Ehepartner, der ein ungesetzliches Verlassen beabsichtigte oder realisierte.

Das überspitzte subjektive Herangehen eines Teils dieser Angehörigen der medizinischen Intelligenz bei der Einschätzung und Bewertung gesellschaftlicher Vorgänge und politisch notwendiger Maßnahmen wird auch beispielhaft deutlich in solchen Verhaltensweisen wie

  • Unvermögen, die Ursachen für bestimmte kaderpolitische Entscheidungen – Absage von Qualifizierungsvorhaben, Nichtrealisierung des gewünschten Einsatzes – im …4,

  • fehlende Einsicht in die Notwendigkeit, zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit Westkontakte entsprechend den staatlichen Weisungen abzubrechen bzw. fehlende Einsicht in die Notwendigkeit, zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit Westkontakte zu Institutionen und Organisationen und deren Angehörigen in nichtsozialistischen Staaten und Westberlin entsprechend den staatlichen Weisungen abzubrechen bzw. ehrlich zu offenbaren,

  • Nichtabfinden mit bestimmten Konsequenzen, die sich aus Straftaten (z. B. ungesetzliches Verlassen der DDR) naher Verwandter ergeben.

Eine wesentliche Rolle im Verhalten der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR in Erscheinung getretenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz und gleichzeitig eine begünstigende Bedingung für ihr Handeln spielte das Arbeitskollektiv dieser Personen. Ein Teil dieser Ärzte gelangte zu der Meinung, dass die Mitglieder ihres Arbeitskollektivs ihre ungesetzliche Handlung nicht verurteilen, sondern für die persönlichen Beweggründe »Verständnis« aufbringen werden, wobei sie sich auf das unverminderte Ansehen von Ärzten aus ihrem Umgangskreis, die ungesetzlich die DDR verlassen hatten, stützten.

Im Zusammenhang damit gibt es Feststellungen, dass

  • die politisch-ideologische Erziehungsarbeit in den Kollektiven solcher Ärzte nur formal geleistet und nichts dagegen unternommen wurde, dass sich diese Personen ihr weitestgehend entzogen,

  • keine Auseinandersetzungen mit Erscheinungsformen und Argumenten der gegnerischen politisch-ideologischen Diversion geführt wurden (so bestanden wiederholt Kontakte von Studentenseminaren zu Studenten aus Westberlin, mit denen »Partys« und Diskussionen im Sinne der bürgerlichen Ideologie durchgeführt wurden, und in Ärztekreisen wurden die westlichen Lebensverhältnisse verherrlichende »Meinungsaustausche« geführt, wo sich Kollegen im feindlichen Sinne beeinflussten),

  • keine Reaktion auf die oftmals im Kollektiv bekannten Absichten und Bemühungen zum Verlassen der DDR durch Arbeitskollegen erfolgt; in einzelnen Kollektiven der ungesetzliche Grenzübertritt als »Kavaliersdelikt« angesehen oder diesen Vorhaben sogar moralische Unterstützung und gegenseitige Hinweise auf Absicherung ihrer Kontakte gegeben wurden.

(Aus diesem Grunde erreichte auch die Auswertung von Gerichtsverfahren in Ärztekreisen nicht immer den angestrebten Zweck. Sie wurden nur formal durchgeführt, und die angesprochenen Ärzte verurteilten nach außen zwar die ungesetzlichen Grenzübertritte und den staatsfeindlichen Menschenhandel, vertraten tatsächlich aber eine andere – dem Beschuldigten zumeist bekannte – Meinung.)

In einer Reihe von Fällen war es den o. g. Angehörigen der medizinischen Intelligenz völlig gleichgültig, wie ihre Arbeitskollegen bzw. ihr sonstiger Umgangskreis über ihren ungesetzlichen Grenzübertritt dachten. Sie wollten die DDR verlassen und hatten nicht die Absicht zurückzukommen, sodass sie nach ihrer Meinung ihrem Kollektiv nicht rechenschaftspflichtig waren.

Vorhandene zeitweilige Bedenken hinsichtlich der Tatentschlussfassung und Tatrealisierung zum ungesetzlichen Grenzübertritt bei Angehörigen der medizinischen Intelligenz wurden in erheblichem Maße durch den Einfluss bestehender Kontakte nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, durch Mittäter, durch angebliche moralische Verpflichtungen gegenüber Personen im Ausland und zum Teil auch durch Autosuggestion (bis zur Einnahme von Medikamenten) zerstreut.

Als häufige Gegenargumente traten auf:

  • gelungene Ausschleusungen, wobei die Kontaktpartner in den nichtsozialistischen Staaten und Westberlin oftmals ihre eigene erfolgreiche Ausschleusung anführten,

  • Anwendung konspirativer Methoden durch die kriminellen Menschenhändlerbanden,5

  • Möglichkeiten der »Entlassung aus dem Strafvollzug in die BRD«,

  • Zusicherung konkreter Unterstützung und Einschaltung der eigenen Person des Kontaktpartners bei der Ermittlung von Arbeitsstellen und Wohnraum, großzügiges Angebot der Übernahme der Schleusungskosten,

  • Erwartung, dass die Amnestierung von Personen, die die DDR ungesetzlich verlassen haben, nach gewisser Zeit erfolge, sodass Einreisemöglichkeiten entstünden und die Trennung von nahen Angehörigen überwunden sei,

  • Angebot der Ausschleusung auch naher Angehöriger oder Hinweis auf die Möglichkeit, sie »nachzuholen«.

Weitere Feststellungen ergaben, dass den straffällig gewordenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz die Strafbarkeit ihres Vorhabens bewusst war. Im Regelfall hinderte sie das jedoch nicht an seiner Durchführung.

Ein Teil dieser Personen rechnete überhaupt nicht mit einer Bestrafung, da sie auf die absolute Sicherheit und Gefahrlosigkeit ihrer Ausschleusung vertrauten.

Ausgehend von einer feindlich-negativen Position sprachen ca. ein Viertel der o. g. Ärzte dem Staat das Recht ab, den ungesetzlichen Grenzübertritt bzw. den staatsfeindlichen Menschenhandel mit Strafe zu belegen, bezeichneten die entsprechenden Strafgesetze als »unmenschliche Willkürakte« und als »Ausdruck der in der DDR herrschenden Unfreiheit«. Andere beriefen sich auf allgemeine Prinzipien der Menschenrechte, die UNO-Charta bzw. die Verfassung der DDR und betrachteten ihr Handeln als »nicht strafwürdig« oder als »eigentlich keine richtige Straftat«. Da ihnen angeblich der Staat das Recht der freien Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes verweigere, hätten sie »ein Recht« darauf, auf illegalem Wege diesen Staat zu verlassen.

Ein Teil der Personen spekulierte von Anbeginn darauf, im Zuge des Strafverfahrens aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und in die BRD ausgewiesen zu werden. Sie betrachten die Inhaftierung als einen »sicheren Umweg in die BRD«. Das mit ihrem Vorhaben verbundene Risiko der Bestrafung wurde durchaus als vertretbar empfunden. Es müsse angeblich eingegangen werden, um den beabsichtigten Endzweck zu erreichen. Zu dieser Ansicht waren sie durch Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien, durch Rückverbindungen sowie Gespräche im Berufskollegenkreis gekommen.

Im Zusammenhang mit ihrem beabsichtigten ungesetzlichen Verlassen der DDR haben sich fast alle der hier genannten Angehörigen der medizinischen Intelligenz auch konkret mit dem kriminellen Menschenhandel auseinandergesetzt.

In der Regel sind sie relativ umfassend über die kriminellen Praktiken, auch über Prozessveröffentlichungen und Festnahmen von kriminellen Menschenhändlern informiert. Entscheidend für sie ist die von den Menschenhändlerbanden gebotene tatsächliche oder vermeintliche Sicherheit der Schleusung; erst an zweiter Stelle kommen dann moralische Bedenken über den kriminellen Charakter ihrer Mittel und Methoden sowie ihre staatsfeindliche Zielstellung. Dabei spielt ihre unterschiedliche politisch-ideologische Einstellung sowie ihre Haltung zu ihrem Stand als Arzt eine wesentliche Rolle.

Die straffällig gewordenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz versuchten sich in der Untersuchung zu rechtfertigen, dass sie als Ärzte mit derartigen kriminellen Banden in Verbindung getreten waren. Diese Rechtfertigung geschah, indem sie

  • aus vorwiegend feindlich-negativer Einstellung die kriminellen Menschenhändler als »wahre Fluchthelfer« deklarierten, die »in humanitärem Sinn« wirken,

  • den kriminellen Charakter der Banden als bloße politische Propaganda der DDR bezeichneten und die DDR selbst aufgrund von »Willkürmaßnahmen« als die »Schuldige am Menschenhandel« und die eigentliche »Menschenhändlerin« bezeichneten. Sie bekundeten, erst wenn die DDR ihre Reisebeschränkungen aufhebe, sei das Problem des Menschenhandels beseitigt.

  • Ein weiterer Teil der straffällig gewordenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz distanzierte sich mit Rücksicht auf ihr ärztliches Ethos vom kriminellen Charakter, den kriminellen und terroristischen Praktiken und Methoden sowie der Primitivität der Bandenmitglieder, akzeptierte sie aber »als notwendiges Übel«, als »Mittel zum Zweck« und leitete daraus das Recht ab, sie für sich zu nutzen. Dabei vertreten sie die Meinung, dass die Banden zwar »nicht schön« und »unseriös« seien, aber gerade der gewerbsmäßig betriebene Menschenhandel mit den entsprechenden Verbindungen und Erfahrungen die notwendige Sicherheit für die Ausschleusung biete.

  • Bei einem anderen Teil war völlige Gleichgültigkeit hinsichtlich der benutzten Wege, Mittel und Methoden vorhanden; maßgebend sei für sie der Erfolg.

Nur in wenigen Fällen führte die Abscheu vor den kriminellen Methoden der Banden zu einem Überdenken des gesamten Vorhabens des ungesetzlichen Grenzübertritts, zur Suche nach anderen, weniger kriminellen Methoden oder sogar z. T. zum Rücktritt.

Entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung der für die Entschlussfassung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR maßgeblichen Einstellungen und für die Verhärtung des Entschlusses zur Straftat hatten Kontakte, die zu den straffällig gewordenen Personen aus Westberlin, der BRD oder anderen nichtsozialistischen Staaten bestanden. Überwiegend handelte es sich um Verwandte und enge persönliche Bekannte, wie ehemalige Studien- und Berufskollegen, die ständig in der BRD oder Westberlin wohnhaft waren bzw. zu einem früheren Zeitpunkt die DDR nach dort ungesetzlich verließen. Über die Hälfte aller Kontaktpartner der DDR-Bürger waren ebenfalls Mediziner.

In einer beachtlichen Anzahl von Fällen unterhielten die Angehörigen der medizinischen Intelligenz umfangreiche und sehr enge Beziehungen nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, sichtbar in häufigen Besuchen ihrer Kontaktpartner, Brief- und Paketverbindungen bzw. darin, dass sie zielstrebig zahlreiche neue Kontakte nach dort knüpften. Außerdem waren sie z. T. vom gesamten Verwandtenkreis die einzigen Personen, die noch in der DDR lebten. Mehrfach konnte festgestellt werden, dass alle Verwandten (zumeist Intellektuelle) bereits mit Genehmigung oder ungesetzlich in die BRD übergesiedelt waren.

Die ideologischen, motivbildenden und entschlussfördernden Wirkungen dieser Kontakte bestanden vor allem in

  • der Infiltration ideologischen Gedankengutes, wie es der bereits charakterisierten feindlich-negativen, politisch-ideologischen Position eines Teils der straffällig gewordenen Personen entspricht,

  • der Verherrlichung der Lebensverhältnisse, der Arbeitsmöglichkeiten, der gesellschaftlichen Stellung, der Entwicklungsbedingungen der Ärzte unter kapitalistischen Verhältnissen, verbunden mit einer entsprechenden Propagierung kleinbürgerlicher und idealistischer Ideale,

  • der Schürung von Zweifeln und Ablehnung gegenüber der sozialistischen Ordnung in der DDR im Allgemeinen und den persönlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Besonderen.

Dabei ist charakteristisch, dass die Einflüsse konkret auf die Denkgewohnheiten, Interessen und Probleme der kontaktierten Ärzte der DDR abgestimmt waren.

Darüber hinaus wurden die ideologischen Einwirkungen mit konkreten materiellen Zusicherungen verbunden wie

  • Übernahme der Schleusungskosten (oder zeitweilige Vorfinanzierung),

  • Inaussichtstellen von »Startkapital«,

  • Beschaffung von Arbeitsstellen und Wohnräumen,

  • Organisierung der Ausschleusung.

Wiederholt wurde dabei die leichte Beeinflussbarkeit der betreffenden DDR-Bürger ausgenutzt bzw. massiver moralischer Druck durch persönlich nahe stehende Kontaktpartner ausgeübt.

Die den Kontakten immanente Gefahr des jederzeit möglichen Umschlagens in strafrechtlich relevante Formen zeigte sich in einer Vielzahl von Fällen, in denen Kontakte ins nichtsozialistische Ausland seit langer Zeit bestanden, ohne dass sich zunächst Auswirkungen zeigten.

Unterbreitete Angebote zum Verlassen der DDR waren sogar abgelehnt worden. Eine Umfunktionierung im Charakter dieser Beziehungen trat ein, als persönliche Konfliktsituationen, Verärgerungen, vermeintliche Ausweg- oder persönliche Perspektivlosigkeit eintraten und danach auf das frühere Angebot zurückgegriffen wurde, um sich damit diesen Situationen zu entziehen.

Kontakte wurden u. a. auch dann aktiviert bzw. im feindlichen Sinne umfunktioniert, wenn z. B. Anträge auf legale Übersiedlung in die BRD bzw. auf Eheschließung mit Ausländern von den Behörden der DDR abgelehnt wurden und die Antragsteller als einzige Möglichkeit die Einbeziehung krimineller Menschenhändlerbanden in Betracht zogen, um auf diesem Weg in die BRD bzw. nach Westberlin zu gelangen.

Eine besondere Rolle spielen im Rahmen der Kontakte die Rückverbindungen von Personen, die die DDR ungesetzlich verließen oder mit staatlicher Genehmigung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin übersiedelten. Von ihnen gehen in der Regel besonders intensive Wirkungen aus. Dafür ist u. a. Folgendes typisch:

  • Die Kontaktpartner im nichtsozialistischen Ausland haben häufig verfestigte feindliche Einstellungen zur DDR und wirken entsprechend massiv auf die DDR-Bürger ein.

  • Zwischen den Kontaktpartnern bestanden zumeist bereits vor dem Verlassen der DDR enge Beziehungen.

  • Die Kontaktpartner aus der BRD bzw. Westberlin kennen aus eigener Anschauung die konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen der DDR-Bürger, ihre Lebensauffassungen, politische Einstellungen und Interessen, haben selbst den Prozess der Entschlussfassung, Vorbereitung und Realisierung des Verlassens der DDR hinter sich und können sich demzufolge entsprechend auf die DDR-Bürger einstellen.

  • Kontaktpartner integrierten sich nach erfolgter Ausschleusung selbst in kriminelle Menschenhändlerbanden, treten als Interessenvermittler, Auftraggeber, Kuriere in Erscheinung, kreditierten die Finanzierung der Ausschleusung und erzeugten damit bei den Angehörigen der medizinischen Intelligenz ein Gefühl der Sicherheit des Schleusungsvorhabens.

In einem Teil der untersuchten Vorkommnisse wurde nachgewiesen, dass Fachliteratur aus nichtsozialistischen Staaten, die der medizinischen Intelligenz zur Weiterbildung und wissenschaftlichen Vergleichsarbeit zur Verfügung steht, konkrete Wirkungen auf Motivation und Entschlussfassung für das ungesetzliche Verlassen der DDR hatte.

Von besonderer Ausstrahlungskraft waren die in Fachzeitschriften enthaltenen Stellenangebote, Werbeannoncen und Fotos sowie wissenschaftliche Beiträge über Ergebnisse der medizinischen Forschung. Aus ihnen wurde geschlussfolgert auf

  • Ärztemangel in der BRD in der Mehrzahl der medizinischen Spezialdisziplinen, einschließlich Mangel an mittlerem medizinischen Personal,

  • hohe Bezahlung für medizinische Berufe (unter konkreter Angabe der Einkommenshöhe),

  • Angebote von Komfortwohnungen zu Vorzugsbedingungen für Ärzte,

  • modernen Stand der medizinischen Einrichtungen und technischen Ausrüstungen (durch Fotos veranschaulicht),

  • Umfang und Qualität der Angebote an modernen medizinischen Geräten, Medikamenten und sonstigen Materialien,

  • den Stand der wissenschaftlichen Forschungsarbeit.

Verschiedentlich wurden diese Fachzeitschriften, insbesondere unter dem Aspekt der genannten Schlussfolgerungen, in Ärztekollegien medizinischer Einrichtungen ausgewertet und im Vergleich mit den konkreten und z. T. veralteten Arbeitsbedingungen in ihrem Bereich diskutiert.

Besonders in solchen Fällen, in denen bei Angehörigen der medizinischen Intelligenz Verärgerung über den Nichteintritt einer erwünschten beruflichen Perspektive, zu zögernde oder verschobene Rekonstruktions-, Modernisierungs- und Neubauvorhaben ihrer medizinischen Einrichtung, Nichtlieferung materiell-technischer Ausrüstungen oder andere als negativ aufgefasste Umweltbedingungen wirkten, wurden durch diese Stellenangebote und Werbeannoncen Bedürfnisse erweckt, für sich selbst und ihre Familie derartige Angebote und Umstände zu nutzen.

Aus den Annoncen gewannen sie die Überzeugung,

  • jederzeit in der BRD oder Westberlin einen hochbezahlten Arbeitsplatz als Arzt zu bekommen – in jeder von ihnen gewünschten Spezialdisziplin,

  • eine eigene Praxis eröffnen und dafür großzügige Kredite erhalten zu können,

  • eine unvergleichliche (und z. T. illusionäre) wissenschaftliche Karriere zu nehmen.

Die in der Fachliteratur veröffentlichten Annoncen wirkten jedoch nie allein, sondern – wie bereits an anderer Stelle erwähnt – im Zusammenwirken mit weiteren Faktoren und insbesondere auf der Grundlage der eigenen politisch-ideologischen Einstellung und der Persönlichkeitseigenschaften.

2. Hinweise über politische und andere Erkenntnisse, die im Prozess der vorbeugenden Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR und bei der Wiedereingliederung derartiger Personenkreise gewonnen wurden

Bei allen durch die Untersuchungsorgane des MfS in Bearbeitung genommenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz wurde entsprechend dem Beschluss des Politbüros des ZK der SED über die strafrechtliche Verfolgung und Wiedereingliederung der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR angefallenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz und des mittleren medizinischen Personals geprüft, ob eine Bestrafung zu erfolgen hat oder die Möglichkeit einer Haftentlassung, Verurteilung auf Bewährung oder Strafaussetzung auf Bewährung besteht.

Dementsprechend konnten seit Inkrafttreten des genannten Beschlusses im Ergebnis der geführten Untersuchungen Wiedereingliederungsmaßnahmen gegenüber 40 Angehörigen der medizinischen Intelligenz zur Anwendung gebracht werden.

Überwiegend war die Wiedereingliederung mit dem Einsatz in einer neuen Arbeitsstelle bzw. einem neuen Arbeitsort verbunden. Die erforderlichen Maßnahmen zur Beschaffung der Arbeitsstelle, zur Bereitstellung von Wohnraum und zur Lösung anderer mit einer derartigen Umsetzung verbundenen Probleme erfolgten durch das MfS im Zusammenwirken mit den anderen zuständigen staatlichen Organen.

Nicht in allen Fällen wurde dabei seitens der staatlichen Leitungen und der Verantwortlichen in den betreffenden medizinischen Einrichtungen, aber auch seitens der zuständigen Parteileitungen das notwendige Verständnis für die Maßnahmen der Wiedereingliederung und der damit zusammenhängenden Erfordernisse gezeigt.

Es gab verschiedentlich erhebliche Widerstände bei der Realisierung festgelegter Maßnahmen, wie der Beschaffung und Festlegung des Arbeitsplatzes, der Zurverfügungstellung von Wohnraum u. a. Ursache hierfür ist u. a. Unverständnis für eine vorzeitige Haftentlassung, Verurteilung auf Bewährung oder Nichtverurteilung. Das wird als ein politisches Zurückweichen und als Tolerierung der verbrecherischen Handlungen betrachtet.

Die Reaktion der Kollektive, in die die Betroffenen wieder- oder neu eingegliedert wurden, war sehr differenziert. Im Wesentlichen traten auf:

  • Zustimmung und Verständnis für die getroffene staatliche Entscheidung, die teilweise auch mit dem Hinweis auf die Arbeitskräftesituation im Bereich des Gesundheitswesens begründet wurde,

  • Unverständnis und Ablehnung, teilweise mit der Begründung, dass es sich um eine ungleiche Behandlung gleichartiger Gesetzesverletzungen handele bzw. dass bei Straftaten, die offiziell [als] schwerwiegend und gefährlich bezeichnet würden, eine derartige Entscheidung nicht verständlich sei, teilweise aber auch auf der Grundlage persönlicher Rivalitäten und Neid,

  • in einzelnen Fällen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der früheren Inhaftierung.

Es hat sich als positiv erwiesen, wenn, wie z. B. an der Medizinischen Akademie Erfurt, eine aktive Mitwirkung und Mitarbeit der Parteileitung und des staatlichen Leiters bei der Realisierung dieser Maßnahmen vorhanden waren und gleichzeitig mit konkreten Schritten zur ideologischen Arbeit gegen den staatsfeindlichen Menschenhandel und das ungesetzliche Verlassen der DDR verbunden wurden.

Als wirkungsvoll erwies es sich außerdem, wenn der Wiedereingegliederte selbst vor dem Kollektiv zu einer klaren Haltung gegenüber seiner Straftat und seinem Wiedergutmachungswillen veranlasst werden konnte.

In den Fällen, in denen sich Personen zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens in Facharztausbildung befanden, wurde deren Weiterführung gesichert, was sich positiv auf die Wiedereingliederung auswirkte.

Im Wesentlichen hat die persönliche und berufliche Entwicklung der Wiedereingegliederten die Richtigkeit der ihnen gegenüber getroffenen Entscheidungen bestätigt, obwohl in einigen Fällen auch eine Reihe von Problemen sichtbar wurde. Ein erfolgreicher Wiedereingliederungsprozess ist bei solchen Personen ersichtlich, wo die Ursachen und Motive nicht in einer verfestigten negativen oder feindlichen politischen Haltung liegen, sondern bei denen sich aus persönlichen Verärgerungen, vermeintlichen Schwierigkeiten in der beruflichen Weiterentwicklung, schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen, falschen und idealistischen Vorstellungen über die Arbeits- und Lebensbedingungen in der BRD, einem Bestreben zum Zusammenleben mit Verwandten in der BRD der Entschluss zum Verlassen der Republik herausgebildet hatte.

Es wurden positive Ergebnisse erreicht, wenn insbesondere den Vorstellungen des Betreffenden hinsichtlich der Arbeitsstelle, des Arbeitsplatzes und auch des Wohnortes entsprochen wurde oder werden konnte und diese getroffenen Vereinbarungen ohne größeren Zeitverzug auch durchgesetzt wurden.

Hervorzuheben ist, dass nahezu allen Wiedereingegliederten eine gute fachliche Arbeit und – sofern zutreffend – intensive Bemühungen zur erfolgreichen Absolvierung der Facharztausbildung bestätigt wird. Vereinzelt begründen sie das direkt offiziell mit ihrer Pflicht zur Wiedergutmachung.

Einige der Wiedereingegliederten, insbesondere solche, die früher in Ausbildungseinrichtungen arbeiteten, zeigen Bestrebungen zur Rückkehr in ihre alten Arbeitsstellen bzw. lassen erkennen, dass sie glauben, aus ihrer Arbeit das Recht auf eine Beförderung ableiten zu können.

Zur politischen Haltung der Wiedereingegliederten ist in den meisten Fällen nichts Negatives festgestellt worden. Teilweise sind sie in Meinungsäußerungen zurückhaltender als früher. In einigen Fällen zeigen sie jedoch auch eine gewachsene Aktivität in der gesellschaftlichen Arbeit, obwohl das nicht typisch ist.

Kontakte zu an der Straftat beteiligten Verwandten in der BRD wurden in der Regel nicht abgebrochen. In einzelnen Fällen sind intensive Bemühungen dieser Personen feststellbar, erneut den Entschluss zum ungesetzlichen Verlassen der DDR herbeizuführen.

Einzelne Wiedereingegliederte, deren Ehe- oder Intimpartner sich in der BRD befinden, haben zwischenzeitlich Antrag auf Übersiedlung und Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gestellt.

Prinzipiell ist die Feststellung zu treffen, dass mit den Personen, die im Wiedereingliederungsprozess stehen, kontinuierlich politisch gearbeitet werden muss.

Die Fälle, in denen die Möglichkeit einer Wiedereingliederung verneint werden musste, sind dadurch charakterisiert, dass die Täter mit hoher Intensität handelten und eine verfestigte Absicht zum Verlassen der DDR hatten, die sowohl aus ihrer ausgeprägt feindlich-negativen Grundhaltung, ihrem egoistischen Vorteilsstreben wie auch teilweise aus engen persönlichen Bindungen zu Personen in nichtsozialistischen Staaten und Westberlin resultierten.

Im Zusammenhang mit der vorbeugenden Tätigkeit der Organe des MfS wurden seit 1974 mit über 300 Beschäftigten aus dem Bereich Medizin auf der Grundlage vorliegender Hinweise über ein beabsichtigtes ungesetzliches Verlassen der DDR Vorbeugungsgespräche geführt.

Es wurden auch Gespräche mit solchen Personen geführt, die die Absicht zur legalen Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin hatten bzw. haben.

Im Ergebnis dieser Maßnahmen kann eingeschätzt werden, dass diese Vorbeugungsgespräche und im Zusammenhang damit stehende andere Vorbeugungsmaßnahmen beim größten Teil der angesprochenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz und des mittleren medizinischen Personals zum Entschluss des Rücktritts vom beabsichtigten ungesetzlichen Verlassen der DDR führten. Darüber hinaus trugen diese Gespräche dazu bei, Motive, Ursachen und begünstigende Bedingungen in ihrer Gesamtheit und konkret zum Verhalten der jeweiligen Personen zu erkennen und im Zusammenwirken mit Partei- und staatlichen Organen Maßnahmen zu deren Beseitigung einzuleiten.

Die bei den Vorbeugungsgesprächen erzielten Ergebnisse sollten jedoch im weiteren Prozess der politisch-ideologischen Arbeit durch die zuständigen staatlichen Organe und Leiter der medizinischen Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weiter stabilisiert werden, um zu verhindern, dass positive Ansatzpunkte wieder verschüttet werden und ein Rückfall erfolgen kann.

Einige grundsätzliche politisch-ideologische Probleme und andere bedeutsame Faktoren, die im Rahmen der ideologischen Arbeit und der Führungs- und Leitungstätigkeit im Bereich Medizin der DDR zu beachten sind

Dem MfS vorliegenden Hinweisen zufolge arbeitet die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten im Bereich Medizin und insbesondere die Mitarbeiter des Gesundheitswesens bei der medizinischen Betreuung der Bevölkerung angesichts der teilweise sehr angespannten Arbeitskräftelage und der teilweise noch vorhandenen komplizierten Arbeitsbedingungen mit hoher Intensität, Einsatzbereitschaft und großem Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein an der Lösung der ihnen gestellten Aufgaben.

Der politisch-ideologische Differenzierungsprozess im Bereich Medizin, vorwiegend jedoch zwischen jüngeren Ärzten, bei denen überwiegend progressive Haltungen festzustellen sind, und älteren Angehörigen der medizinischen Intelligenz, die teilweise konservativ bis negativ auftreten, aber noch über einen ernst zu nehmenden Einfluss verfügen, hält weiter an.

Dieser Prozess wird wesentlich beeinflusst durch eine gewachsene Anzahl politisch-ideologisch gefestigter Leiter mit gutem Fachwissen, durch eine konkrete ideologische und parteierzieherische Arbeit und durch eine teilweise Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für die Beschäftigten des Bereiches Medizin.

Es existiert jedoch innerhalb und außerhalb des gesellschaftlichen Bereiches Medizin eine Reihe von Faktoren, die hemmend wirken und auf deren Beseitigung bzw. Zurückdrängung die politisch-ideologische Arbeit und die staatliche Leitungstätigkeit noch stärker ausgerichtet werden sollten.

Probleme der ideologischen Arbeit im Bereich Medizin

Die umfangreichen politisch-ideologischen und auch organisatorischen Maßnahmen der Parteiorganisationen zur Durchsetzung und Festigung der führenden Rolle der Partei in den Einrichtungen des Bereiches Medizin werden teilweise noch nicht im erforderlichen Maße wirksam und stoßen noch häufig bei einem Teil der Angehörigen der medizinischen Intelligenz auf Desinteresse.

In einer Anzahl medizinischer Einrichtungen üben zum Beispiel mittlere medizinische Kräfte oder Hilfspersonale die Funktion des Parteisekretärs aus, wie das in den Krankenhäusern Köthen, Bernburg, Quedlinburg, Naumburg, an der Universitätsklinik Halle oder im Krankenhaus Berlin-Prenzlauer Berg der Fall ist. Diese Genossen haben aufgrund ihrer beruflichen Stellung und Qualifikation objektive Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Parteiarbeit und befinden sich überwiegend in Abhängigkeit von Chefärzten und Ärztlichen Direktoren.

Es zeigt sich aber auch, dass Ärzte in der Funktion von APO- und BPO-Sekretären durch ihre fachliche Arbeit oft überlastet sind und demzufolge – bei noch hinzukommender mangelnder Unterstützung durch die Leitung der medizinischen Einrichtung – keine kontinuierliche und wirksame Parteiarbeit leisten können.

Eine wesentliche Ursache für die noch nicht immer genügende Wirksamkeit der Arbeit einer Reihe von Parteiorganisationen ist der unterschiedliche politisch-ideologische Reifegrad der Genossen. Dem MfS liegen aus zahlreichen medizinischen Einrichtungen Hinweise vor, wonach Angehörige der medizinischen Intelligenz oft nur aus karrieristischen Gründen oder wegen vermutlicher materieller oder sonstiger Vorteile (z. B. Bestätigung als Reisekader) Mitglieder der SED wurden, in ihrem Verhalten und Auftreten jedoch nach wie vor überwiegend fachegoistische Tendenzen erkennen lassen und in der Parteiarbeit keine echten Stützen darstellen. (Weitere zu beachtende Probleme in dieser Hinsicht wurden in den Abschnitten 1 und 2 dargelegt.)

Zu einigen Problemen der Leitungs- und Führungstätigkeit der Bezirks- und Kreisärzte

Dem MfS vorliegenden Hinweisen zufolge gibt es Schwierigkeiten bei der Besetzung der Bezirks- und Kreisarztstellen mit politisch und fachlich qualifizierten Kadern. Die Überwindung dieser Schwierigkeiten wird durch die zum großen Teil bei Ärzten vorhandene Abneigung zur Übernahme und Ausübung staatlicher Funktionen erschwert.

Darüber hinaus werden nach vorliegenden Erkenntnissen einige Kreisärzte ihren Aufgaben als politische und staatliche Leiter nicht gerecht. Ursächlich dafür erscheint in erster Linie deren falsche Auffassung, wonach der Kreisarzt nur die fachlichen Aufgaben und Probleme des Gesundheitswesens im Territorium zu organisieren und zu kontrollieren habe.

Durch einen teilweise planlosen, sporadischen und kurzfristigen Einsatz in der Funktion als Kreisarzt fehlen ihnen entsprechende staatstheoretische und staatsrechtliche Kenntnisse, um sich gegenüber den in dieser Hinsicht qualifizierten Leitern anderer Abteilungen der Räte der Kreise und Bezirke im erforderlichen Maße durchsetzen zu können.

Vielfach existieren keine Pläne für die systematische Entwicklung von Nachwuchskadern als Kreis- und Bezirksarzt. (Der Stadtkreis Potsdam war dadurch über ein Jahr ohne Kreisarzt, und im Bezirk Gera ist zurzeit der dritte Bezirksarzt seit 1973 tätig.)

Ein weiteres zu beachtendes Problem besteht darin, dass durch die örtlichen Räte bzw. durch die Fachabteilungen der Räte der Kreise und Bezirke in der Regel richtige Beschlüsse zu gesundheitspolitischen Problemen gefasst und entsprechende Festlegungen getroffen werden. Im Prozess ihrer Realisierung werden jedoch häufig verschiedene subjektive Einflüsse wirksam, sodass Beschlüsse und Festlegungen in der Praxis nicht vollinhaltlich durchgesetzt werden. Das wird begünstigt durch die teilweise relativ geringen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Kreis- und Bezirksärzte und durch die bei gesundheitspolitischen Maßnahmen oft nicht genügend ausgeprägte Wahrnehmung der Kontrollfunktion durch die örtlichen Räte.

Der vereinzelt aufgetretene Missbrauch übertragener Befugnisse bzw. ein negatives charakterliches Verhalten bei Kreis- und Bezirksärzten führte teilweise zur Unzufriedenheit unter der Bevölkerung und zur Nichtanerkennung dieser Ärzte als staatliche Leiter und hatte teilweise deren Ablösung zur Folge.

Zu Problemen der Führungs- und Leitungstätigkeit der Leiter medizinischer Einrichtungen

Eine Anzahl Leiter staatlicher Einrichtungen des Gesundheitswesens, vor allem Chefärzte, sind weder in der Lage noch innerlich bereit, gegenüber den ihnen unterstellten Mitarbeitern auch als politische Leiter aufzutreten. Gestützt auf ihr Fachwissen und ihr spezielles fachliches Können, das überwiegend auch ausschlaggebend für den Einsatz in die entsprechende Funktion war, wenden sie sich in differenzierter Form gegen das Wirksamwerden progressiver Kräfte.

So tritt z. B. der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Kyritz seit Jahren gegen politisch-ideologische Aktivitäten der SED-Kreisleitung im Krankenhaus auf, wendet sich energisch gegen den Einsatz eines Genossen Arztes in eine leitende Funktion im Krankenhaus, zieht negative Kräfte auf seine Seite und brüstet sich damit, bei den letzten Bezirkstagswahlen auf dem Stimmzettel offen den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Potsdam durchgestrichen zu haben.

Der Parteisekretär des Medizinischen Zentrums Rostock-Nord [Name], kritisierte im März 1976 in einer Parteileitungssitzung die schlechte Leitungstätigkeit des Ärztlichen Direktors [Name]. Als »Gegenmaßnahme« forderte der Ärztliche Direktor die psychiatrische Untersuchung des Parteisekretärs.

Der Direktor der Neurologischen Klinik der Medizinischen Akademie Dresden, Prof. Lange, fördert und qualifiziert insbesondere konfessionell gebundene oder politisch schwankende bis negativ eingestellte Ärzte. Gesellschaftlich aktive Mitarbeiter dagegen werden benachteiligt.

Der Ärztliche Direktor einer Gesundheitseinrichtung im Bezirk Rostock beurteilt seine Funktion als »Pufferfunktion«, da er einerseits darauf achten müsse, dass nichts Negatives nach »außen« dringe und er andererseits seine Ärzte vor der Einwirkung der Partei- und Staatsorgane zu »schützen« habe.

Diese Beispiele machen deutlich, dass solche Ärztlichen Direktoren als »staatliche Leiter« ausschließlich negativen politisch-ideologischen Einfluss auf die ihnen unterstellten Kollektive ausüben, bürgerliche Ideologie und Verhaltensweisen reproduzieren und die Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins beträchtlich hemmen.

Ein wesentlicher Teil Ärztlicher Direktoren orientiert sich in seiner Leitungstätigkeit ausschließlich auf fachliche oder organisatorische Fragen, bezieht in politischer Hinsicht kaum bzw. keine Stellung und überlässt die politische Entwicklung der medizinischen Einrichtung zum Großteil dem »Selbstlauf«. Die Kaderarbeit ist daher häufig ausschließlich auf gute Fachkräfte orientiert, deren politische Einstellung jedoch der »loyalen Haltung« der Ärztlichen Direktoren nicht widersprechen darf.

Eine Anzahl Ärztlicher Direktoren und Chefärzte ist darüber hinaus bestrebt, durch ihre Tätigkeit die Hierarchie des bürgerlichen Gesundheitswesens, die »Chefideologie«, die »Alleinherrschaft des Chefs« durchzusetzen. So drohte der Ärztliche Direktor eines Krankenhauses im Bezirk Halle dem in dieser Einrichtung tätigen Parteisekretär, es nicht zu einer »Machtprobe« zwischen ihm und der Partei ankommen zu lassen, da er sonst dafür sorgen werde, dass der Parteisekretär seine Facharztprüfung nicht bestehe.

Einige beachtenswerte Probleme im Zusammenhang mit der Ausbildung von Ärzten und mittleren medizinischen Personalen

Durch den Beschluss des Sekretariats des ZK der SED vom 22. Oktober 1975 »über weitere Maßnahmen zur Auswahl von Bewerbern für das Medizinstudium sowie zu Qualifizierung der Ausbildung und Erziehung von Medizinstudenten« und andere eingeleitete Maßnahmen wurden Bedingungen geschaffen, die eine den gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechende Zulassungspraxis zum Medizinstudium gewährleisten.6 Die auf der Grundlage dieses Beschlusses im Jahre 1975 erfolgten Zulassungen (für das 1976 beginnende Studienjahr) werden beispielhaft in einigen ausgewählten medizinischen Studieneinrichtungen dargestellt:

Einrichtung

Immatrikulierte Arbeiter- und Bauernkinder in Prozent

Universität Rostock – Humanmedizin

52,9

Universität Rostock – Zahnmedizin

43,4

Humboldt-Universität Berlin – Humanmedizin

54,2

Humboldt-Universität Berlin – Zahnmedizin

51,1

Medizinische Akademie Dresden – Humanmedizin

50,8

Medizinische Akademie Dresden – Zahnmedizin

33,6

Die Aufstellung verdeutlicht, dass der Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder (50 %) im Bereich Zahnmedizin der Universität Rostock und der Medizinischen Akademie Dresden im Studienjahr 1976 nicht erreicht wurde.

An der Medizinischen Akademie Dresden wird nach vorliegenden Hinweisen in den nächsten Jahren in den Bereichen Humanmedizin und Zahnmedizin der geforderte Anteil von 50 Prozent Arbeiter- und Bauernkinder nicht erreicht werden, weil z. B. für 1977 bereits 60 Prozent der Studienplätze für »Sonstige« fest vergeben wurden. Ähnlich verhält es sich für das Studienjahr 1978.

Zu diesem Problem wurde durch das MfS u. a. Folgendes festgestellt: Von den 355 Bewerbern für das Medizinstudium an der Medizinischen Akademie Erfurt (Studienbeginn 1976) waren 21 Personen aus sicherheitspolitischen Gründen nicht geeignet, erhielten jedoch durch andere Organe und Einrichtungen bereits eine Befürwortung bzw. Delegierung. Unter den genannten Personen befanden sich Wehrdienstverweigerer, Nichtwähler, streng religiös gebundene Personen und solche, bei denen der Verdacht des ungesetzlichen Verlassens der DDR bestand. Bei einigen Bewerbern hatten Verwandte 1. Grades ungesetzlich die DDR verlassen.

Gleichzeitig ist in mehreren Bezirken der DDR eine Zunahme von sogenannten Praxisbewerbern festzustellen (an der Medizinischen Akademie Dresden bewarben sich z. B. für das Studium ab 1976 55 Praxisbewerber, von denen nur 25 Prozent Arbeiter- und Bauernkinder sind). Auf diese Weise können zu einem früheren Zeitpunkt bereits abgelehnte Abgänger Erweiterter Oberschulen noch zum Medizinstudium gelangen, wenn die Zulassungskommissionen der Hochschulen nicht sorgfältig genug arbeiten.

Nach weiteren vorliegenden Hinweisen sind in der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit und Grundausbildung der Medizinstudenten noch eine Reihe von Mängeln vorhanden. Besonders in den letzten Studienjahren werden die gesellschaftlichen Aktivitäten im Interesse der fachlichen Qualifizierung unverhältnismäßig stark zurückgedrängt. In diesen Studienjahren ist vor allem ein beachtenswerter Rückgang der politisch-ideologischen Arbeit der FDJ feststellbar, und FDJ-Veranstaltungen werden z. T. als »notwendiges Übel« betrachtet.

Begünstigend für die genannten Tendenzen wirkt das Verhalten eines Teiles der Hochschullehrer und anderer Ausbildungskräfte, die ihr Fachwissen oft ohne jeglichen gesellschaftlichen Bezug darlegen, als »Nur-Fachleute« auftreten und bereits in dieser Hinsicht als negative Vorbilder für die Studenten wirken.

Aus Magdeburg, Greifswald und Halle liegen z. B. konkrete Hinweise vor, dass leitende Professoren in ihren Vorlesungen die Qualität westdeutscher medizinischer Fachbücher hervorheben und diese Bücher konkret mit Titel, Verfasser und Verlag angeben, sich in ihren Vorlesungen auf westliche Fachbücher stützen oder Reklame-Dias westdeutscher Gesellschaften in ihren Vorlesungen verwenden.

Einige Hinweise zu Aktivitäten und negativen Einflüssen klerikaler Kräfte im Bereich Medizin

Nach wie vor besitzen die Kirchen beider Konfessionen unter den Angehörigen des Bereiches Medizin Stützpunkte und sind bestrebt, diese zu festigen, auszubauen sowie weitere Kräfte zu gewinnen. Zur Erreichung dieser Zielstellung gibt es Tendenzen zur Forcierung der Jugendarbeit seitens der Evangelischen und Katholischen Studentengemeinschaften (ESG und KSG) an den Hoch- und Fachschulen. In den territorialen Bereichen wird seitens klerikaler Kreise versucht, die »Hauskreis- und Akademikerarbeit« weiterzuentwickeln.

Auf diesem Wege ist es den klerikalen Kräften im Bereich Medizin gelungen, im bestimmten Umfang sozialismusfremde Auffassungen zu verbreiten. In den Medizinischen Fachschulen der Bezirke Karl-Marx-Stadt und Cottbus werden z. B. durch das konzentrierte Wirken starker klerikaler Kräfte bereits im Prozess der Ausbildung des mittleren medizinischen Personals Ursachen für negative politisch-ideologische Bewusstseinsentwicklungen und Verhaltensweisen gesetzt. So sind u. a. 24 der insgesamt 30 in der Ausbildung als Apothekenfacharbeiter in Karl-Marx-Stadt stehenden Lehrlinge religiös gebunden. An der Medizinischen Fachschule Zwickau lehnten religiös gebundene Studentinnen den Russisch- und Marxismus-Leninismus-Unterricht ab, da sie hieraus keinen Nutzen für ihre spätere praktische Tätigkeit ziehen könnten. Gleiche Tendenzen gibt es bei einem Drittel der in der Ausbildung befindlichen Apothekenfacharbeiter an der Medizinischen Fachschule in Cottbus.

Begünstigt werden diese Verhaltensweisen überwiegend durch konfessionell stark gebundene Fachlehrer, die den Unterricht zur Verbreitung klerikaler Auffassungen nutzen, und eine diesen Bestrebungen und Aktivitäten nicht konsequent entgegenwirkende Leitungstätigkeit der staatlichen Leiter.

Der Leiter der Medizinischen Fachschule Cottbus (Mitglied der SED) stellt z. B. entgegen einem Beschluss der APO-Leitung weiterhin konfessionell gebundene Lehrkräfte ein.

Der als Herzspezialist bekannte Chefarzt des Bezirkskrankenhauses Cottbus, Dr. Horntrich, ist Leiter des katholischen Akademikerkreises Cottbus; von ihm selbst bzw. von seinen Verbindungspersonen gehen vielfältige religiöse Einflüsse aus.

In der Bezirksfrauenklinik Gera lehnten die Krankenschwestern des OP-Kollektivs aus religiösen Gründen den Kampf um den Titel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« ab.

Im Kreiskrankenhaus Eisleben sind 65 Prozent des Personals kirchlich gebunden und in dieser Richtung aktiv wirksam.

In verschiedenen medizinischen Einrichtungen werden religiöse Veranstaltungen durchgeführt (Krankenhaus Aschersleben und Weißenfels). In anderen Einrichtungen wird das Personal durch konfessionell gebundene Ärzte angewiesen, vor der Esseneinnahme religiöse Handlungen vorzunehmen (Kinderabteilung des Kreiskrankenhauses Freiberg/Bez. Karl-Marx-Stadt).

Einige Probleme im Zusammenhang mit dem Bezug westlicher Fachzeitschriften durch Angehörige der medizinischen Intelligenz

Obwohl die Anzahl der in der DDR verlegten medizinischen Fachzeitschriften erhöht wurde, kann damit noch immer nicht der objektiv vorhandene Informationsbedarf auf diesem Gebiet gedeckt werden.

Diese Lücken sind zurzeit auch nicht durch Fachliteratur aus den sozialistischen Staaten zu schließen, da das diesbezügliche Angebot an übersetzter Literatur ungenügend ist. Unter Kreisen der medizinischen Intelligenz ist darüber hinaus nach wie vor ein starker Drang zum Bezug medizinischer Fachliteratur aus dem westlichen Ausland zu verzeichnen, da diese Literatur überwiegend deutschsprachig gehalten ist und andererseits bessere Kenntnisse der englischen und französischen Sprache vorhanden sind als beispielsweise der russischen.

Offensichtlich in Kenntnis und unter Ausnutzung dieser Sachlage versenden mit unterschiedlicher Zielstellung sowohl auf Anforderung von Medizinern der DDR als auch aus Eigeninitiative die verschiedensten Konzerne der Pharmazie und Medizintechnik, wissenschaftliche Verlage, medizinische Gesellschaften und Privatpersonen, überwiegend aus der BRD und Westberlin, medizinische Fachzeitschriften, Prospekte und andere Schriftmaterialien an Adressaten in der DDR.

Diese Materialien, die an zahlreiche Personen des Bereiches Medizin, insbesondere aber an profilierte Fachärzte und wissenschaftlich tätige Mediziner der DDR verschickt werden, enthalten neben Hetze und diskriminierenden Äußerungen gegen die DDR und die sozialistischen Staaten, wie z. B. beim »Deutschen Ärzteblatt« (das gleichzeitig Organ einer entsprechenden berufsständischen Einrichtung der BRD ist), vor allem Stellen- und Gehaltsangebote, die in starkem Maße im Sinne der politisch-ideologischen Diversion wirken und mit zur Motivbildung für die Entschlussfassung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR beitragen.

Verlage und Fachzeitschriften des westlichen Auslandes erzielen auch durch die Annahme wissenschaftlicher Beiträge von DDR-Medizinern, die unter Umgehung entsprechender Weisungen in nichtsozialistischen Staaten veröffentlicht werden, eine bestimmte Wirksamkeit.

In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass nach wie vor von zahlreichen staatlichen Leitern medizinischer Einrichtungen die bestehende Ordnung über den Umgang mit westlicher Fachliteratur nur ungenügend durchgesetzt wird.

Einige Hinweise zur umfangreichen Kontakttätigkeit zwischen Personen sowie Institutionen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und Beschäftigten des Bereiches Medizin der DDR

Imperialistische Kräfte, besonders in der BRD und in Westberlin, sind bemüht, systematisch Kontakte mit feindlicher bzw. negativer Zielstellung zu Mitarbeitern der medizinischen, medizinisch-technischen und medizinisch-pädagogischen Intelligenz der DDR herzustellen.

Diese Kontakttätigkeit zielt darauf ab, neben einer direkten ideologischen Einflussnahme auf die DDR-Bürger und einer ständigen Informationsgewinnung aus dem Bereich Medizin auch andere Wirkungen zu erzielen (auf die Zielstellung des ungesetzlichen Verlassens der DDR wurde bereits eingegangen). So sollen bei DDR-Medizinern z. B. Bedürfnisse nach Präparaten und medizinischen Einrichtungen geweckt und sie zur Erprobung neuer Medikamente aus dem nichtsozialistischen Ausland veranlasst werden.

In enger Verbindung und Wechselbeziehung damit stehen auch vielfältige Formen materieller Korrumpierung, die die ideologische Einwirkung erhärten und stabilisieren sollen, so u. a. durch

  • Übergabe von Werbepräsenten und anderen persönlichen Geschenken während wissenschaftlicher Kongresse, Tagungen und Messebesuche,

  • Besorgung und Übergabe westlicher Fachliteratur und Pharmaka während gleicher Anlässe und bei privaten Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin in die DDR,

  • Geldübergabe westlicher Währung, Anlegen von Konten bei Geldinstituten der BRD und Westberlins und

  • Einzahlung von Geldbeträgen auf diese Konten (u. a. für Veröffentlichungen in westlichen Fachzeitschriften, Gutachten und medizinische Tests).

Inspiratoren und Organisatoren derartiger Handlungen sind vornehmlich

  • westliche Pharmaziekonzerne,

  • medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaften, Berufsverbände, wissenschaftliche Verlage in der BRD und Westberlin sowie

  • Personen, die die DDR ungesetzlich oder legal verließen und die umfangreiche Rückverbindungen zu Personen in medizinischen Einrichtungen der DDR unterhalten.

Es ist erwiesen, dass ein erheblicher Anteil der Beschäftigten des Bereiches Medizin teilweise bewusst, größtenteils jedoch leichtgläubig, staatliche Weisungen verletzt, die die Aufnahme und Aufrechterhaltung dienstlicher Kontakte und Beziehungen zu Personen und Institutionen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin bzw. den Umgang mit zeitweilig in der DDR aufenthältigen Ausländern untersagen. In diesem Zusammenhang gibt es grobe Verstöße gegen den Geheimnisschutz.

Bei den vorstehend dargestellten Problemen handelt es sich um repräsentative Fakten, die ihrer Konkretheit wegen aus dem Gesamtproblem hervorgehoben wurden.

3. Einige Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Durchsetzung des »Gemeinsamen Beschlusses des Politbüros des ZK der SED, des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB« vom 25. September 1973

Der »Gemeinsame Beschluss des Politbüros des ZK der SED, des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB« vom 25. September 1973 über weitere Maßnahmen zur Durchsetzung des sozialpolitischen Programms des VIII. Parteitages der SED zur weiteren Verbesserung der medizinischen Betreuung der Bevölkerung und der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens fand allgemein breite Zustimmung sowohl in Kreisen der im Bereich Medizin Beschäftigten als auch unter der Bevölkerung der DDR.7

Der Beschluss hat sich als eine wirksame Maßnahme zur Erhöhung der Qualität der medizinischen Betreuung der Bevölkerung und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen des medizinischen Personals erwiesen.

Neben den überwiegend positiven Ergebnissen sind jedoch noch Erscheinungen vorhanden, die auf eine nicht konsequente Verwirklichung der im »Gemeinsamen Beschluss« festgelegten Maßnahmen zurückzuführen sind und sich hemmend auf die Gesamtentwicklung im medizinischen Bereich auswirken.

Es gibt unter den im medizinischen Bereich Beschäftigten solche Auffassungen, dass dieser Beschluss

  • seit Langem erforderlich war, jedoch nur ein Beginn weiterer tiefgreifender Maßnahmen und Verbesserungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sein könne,

  • nur auf dem Papier stehe, echte Verbesserungen es nach wie vor nicht gebe,

  • für Ärzte wenig nutzbringend sei, da er keine erwartete finanzielle Verbesserung bewirke,

  • nicht dem besonderen sozialen Status der Ärzte Rechnung trage und ihre Rechte nicht nachdrücklich fixiert werden,

  • bestimmte Voraussetzungen schaffe, um die Arbeitskräfteabwanderung vor allem des mittleren medizinischen Personals abzubauen, jedoch auch in dieser Hinsicht nicht echt wirksam wurde,

  • den Versuch der Partei- und Staatsführung darstelle, die zunehmende Tendenz des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch medizinisches Personal einzudämmen.

Folgende wesentliche Probleme sind bei der Durchsetzung des »Gemeinsamen Beschlusses« als bedeutsam einzuschätzen, die, wie bereits dargelegt, sowohl bei der Motivbildung und Entschlussfassung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR durch Beschäftigte des Bereiches Medizin eine bestimmte Rolle spielten als auch das Verhalten und Handeln weiterer Teile dieser Personengruppe wesentlich beeinflussen.

Auf dem Gebiet der Bau- und Rekonstruktionstätigkeit

Bei der Realisierung mehrerer im Perspektivplanzeitraum 1976 bis 1980 fest verankerter Projekte sind z. T. schon jetzt erhebliche Rückstände festzustellen, sodass die termingemäße Fertigstellung infrage gestellt sein dürfte. Beispiele dafür sind u. a.:

  • Bezirkskrankenhaus Cottbus

    Unzureichende Projektierungsleistungen und fehlende Projektierungskapazität bilden die entscheidenden Ursachen für die eingetretenen Terminverzüge.

  • Medizinische Akademie Magdeburg

    Es wird eingeschätzt, dass trotz der bis 1980 zum Einsatz kommenden Mittel in Höhe von 50 Mio. Mark wichtige bauliche Probleme und Ausstattungsfragen nicht gelöst werden können. Der bauliche Verfall verläuft schneller als die eingeleiteten Werterhaltungsmaßnahmen.

Festgelegte Bau- und Rekonstruktionsmaßnahmen wurden gestrichen bzw. durch fehlerhafte Leitungsentscheidungen und ungenügende materielle Sicherstellung unwirksam.

  • Für das Bezirkskrankenhaus Görlitz (Bezirk Dresden) war für 1974 der Bau einer neuen Heizungsanlage geplant worden, da die bisherige eine solch niedrige Zimmertemperatur schafft, dass bei frisch operierten Patienten Komplikationsgefahren bestehen. Wegen fehlender Baukapazität wurde dieses Vorhaben wieder fallengelassen.

  • Beim Bauvorhaben Dialysezentrum des Bezirkskrankenhauses Gera erfolgte keine Absicherung der Ausbildung dazu benötigter Fachkräfte; bei der Planung wurde die notwendige Schaffung von Lagerkapazitäten und Anlagen zur Abfallbeseitigung »vergessen«.

  • Obwohl das Verhältnis Zahnarzt – Patient im Bereich der Stadt Potsdam weitaus ungünstiger als im Republikmaßstab ist (1 : 3 700 gegenüber 1 : 2 300), wurde entgegen früherer Festlegungen statt einer neuen Zahnklinik am dafür vorgesehenen Ort ein Verwaltungsgebäude des FDGB gebaut. In das Gebäude des FGDB, das sich in einem schlechten Zustand befindet und für die zahnärztliche Versorgung als ungeeignet einzuschätzen ist, wird die künftige Zahnklinik einziehen.

Auf dem Gebiet der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in medizinischen Einrichtungen

Trotz bereits wirksam gewordener positiver Veränderungen sind in vielen medizinischen Einrichtungen z. T. noch unzumutbare Arbeitsbedingungen vorherrschend. Beispiele dafür sind u. a.:

  • Zu geringe Zahl und z. T. in baulich schlechtem Zustand befindliche Behandlungsräume.

    So werden im Kreiskrankenhaus Bad Freienwalde die gynäkologische, die Hautarztsprechstunde und die Schwangerenberatung in einem Raum durchgeführt. Im Krankenhaus Lübben sickern Fäkalienreste durch undichte Wände von Behandlungsräumen. An der Universitätsklinik Jena brachen in einzelnen Einrichtungen Fußböden ein.

  • Zum Teil unzumutbare sanitäre Bedingungen an medizinischen Einrichtungen.

    Im OP-Trakt des Bezirkskrankenhauses St. Georg Leipzig steht 50 Ärzten und Schwestern eine gemeinsame Toilette zur Verfügung.

    Es wurde mehrfach berichtet, dass wegen unzureichenden Wäschereikapazitäten in schmutziger Kleidung gearbeitet werden musste. Am Bezirkskrankenhaus Dresden wird z. T. in verschmutzter Notwäsche operiert.

  • In zahlreichen medizinischen Einrichtungen wird wegen fehlender Reinigungskräfte die Sauberhaltung der Behandlungsräume von Krankenschwestern durchgeführt, die dadurch von den eigentlichen Aufgaben zur Patientenbetreuung freigestellt werden müssen.

    Am Bezirkskrankenhaus Görlitz werden Fachschulstudenten des 1. und 2. Studienjahres in solchem Maße zu Säuberungsarbeiten herangezogen, dass dafür ca. 50 % der Ausbildungszeit verloren geht.

Auf dem Gebiet der Verbesserung der Lebensbedingungen des medizinischen Personals

Einen besonderen Schwerpunkt bilden hierbei Wohnungsprobleme. Vielfach wird eingeschätzt, dass durch fehlenden Wohnraum neu geschaffene Arztstellen nicht besetzt werden können und bereits abgeschlossene Arbeitsverträge wieder gelöst werden müssen. Dieser Zustand wird noch begünstigt durch ungenügende Einbeziehung von Wohnbauten in die Planung zur Erweiterung medizinischer Einrichtungen.

  • Im Bezirk Potsdam wurde die für 1975 geplante Übergabe von Wohnungseinheiten an Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen auf das Jahr 1976 übertragen und dafür das für 1976 festgelegte Kontingent ersatzlos gestrichen. Durch den Rat der Stadt Erfurt erfolgte eine Kürzung des Kontingents für 1975 um 50 Prozent.

  • In der Medizinischen Akademie Magdeburg liegen zurzeit 491 Wohnungsanträge vor, darunter von 40 Ärzten bzw. Professoren, die als Klinik- und Institutsdirektoren tätig sind. 60 Krankenschwestern wohnen in Klinikräumen.

Wegen Mangels an Wohnraum ist in einigen territorialen Bereichen der DDR eine z. T. übermäßig starke Abwanderung von Fachärzten und Krankenschwestern zu verzeichnen. Die Kündigung von Fachärzten wirkt sich besonders negativ auf die Qualität der medizinischen Betreuung aus. Beispiele für die starke Fluktuation sind (1975):

  • Bezirk Frankfurt/O.: 128 Ärzte (überwiegend Fachärzte), Zuzug: 71,

  • Stadtkreis Halle: 64 Krankenschwestern wanderten in andere Kreise des Bezirkes Halle ab, da ihnen dort sofort Wohnraum zugesichert wurde.

  • Kreis Oschatz: sechs Ärzte verließen das Kreisgebiet (seit 1973 kein Wohnungsbau durchgeführt).

  • Der einzigen im Kreis Apolda tätigen Frauenärztin wurde der seit Jahren versprochene Wohnraum nicht zugewiesen, was 1975 deren Kündigung und Abwanderung zur Folge hatte.

Neben Problemen des Wohnraumes spielen des Weiteren folgende Fragen eine Rolle:

  • In zahlreichen medizinischen Einrichtungen wird noch immer in ungenügender Weise für die Bereitstellung von Kinderkrippenplätzen für Schwestern im Dreischichtsystem Sorge getragen. Das führt z. B. dazu, dass zu Einschichtbetrieb übergegangen werden muss. Im Kreiskrankenhaus Naumburg kündigten aus diesen Gründen zehn Krankenschwestern.

  • Ebenfalls als unzureichend wird in vielen Krankenhäusern die Pausen- und Nachtschichtversorgung, die Bereitstellung von Ferienplätzen sowie die Schaffung von Einkaufsmöglichkeiten für das Personal eingeschätzt.

  • In zahlreichen medizinischen Einrichtungen wirkt sich die hohe Zahl von Fehlstellen äußerst negativ auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der dort Beschäftigten aus, z. B.

    • Universitätsklinik Greifswald: Fehlstellen für 35 Fachkader,

    • Kreisgebiet Stralsund: Fehlstellen für 100 Ärzte (Spitze im Bezirk Rostock),

    • Bezirkskrankenhaus Mühlhausen: 25 Planstellen im Pflegebereich und 50 Planstellen im technischen Bereich sind unbesetzt.

In vielen medizinischen Einrichtungen werden Ärzte mehrmals wöchentlich zu Nachtbereitschaften eingesetzt. Da sowohl vorher als auch danach die normale Dienstzeit absolviert wird und im Durchschnitt nur etwa ein Viertel der Nachtbereitschaft zur Ruhe genutzt werden kann, sind diese Ärzte zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Durchschnittliche Arbeitszeiten von zehn bis zwölf Stunden stellen in vielen medizinischen Einrichtungen keine Seltenheit dar.

Gehaltsfragen im medizinischen Bereich

Auf der Grundlage des »Gemeinsamen Beschlusses« wurden vielfältige positive Veränderungen der Gehaltsstruktur vorgenommen.

Durch bürokratisches Herangehen, durch Hinauszögern notwendiger Neueinstufungen, durch uneinheitliches Vorgehen in verschiedenen Kreisen sowie durch andere objektiv vorhandene Bedingungen wurden u. a. folgende Probleme sichtbar:

  • Unter Angehörigen der medizinischen Intelligenz der Universität Rostock traten wegen des Wegfalls der zusätzlichen Vergütung (200 M) bei Durchführung der Promotion B (Doktor der Wissenschaften) ab 1969 verstärkte Diskussionen auf, da Universitätskadern, die vor 1969 diesen Qualifizierungsgrad erreicht hatten, die zusätzliche Vergütung weitergezahlt wird. (Auf der Grundlage der Hochschulvergütungsordnung vom 6. November 1968 werden nach diesem Zeitpunkt erfolgte Promotionen B nicht mehr vergütet, sondern differenziert in der gehaltlichen Einstufung des Doktoranden berücksichtigt.)

  • Im Gegensatz zur Tätigkeit im Bereich Hochschulwesen wird jedoch im Gesundheitswesen diese zusätzliche Vergütung auch dann gezahlt, wenn dieses Promotionsverfahren nach 1969 erfolgt. Im Rahmenkollektivvertrag des Bereiches Gesundheitswesen sind derartige Festlegungen ausdrücklich enthalten.

    Ebenfalls negativ bewertet wird, dass es für Angehörige des Hochschulwesens die im Bereich Gesundheitswesen existierende Möglichkeit, zusätzliche Bezüge durch Z-Stellen-Tätigkeit zu erhalten, nicht gibt.

  • Im Bezirkskrankenhaus Karl-Marx-Stadt erhielten einzelne Krankenschwestern durch Wegfall von Leistungszuschlägen nur Gehaltserhöhungen von 5,00 Mark.

    Von den Angehörigen des mittleren medizinischen Personals wird die Vergütung der Bereitschaftsstunden in Höhe von 0,35 Mark bis 0,55 Mark als ungenügend eingeschätzt.

  • Im Bezirk Rostock wurden negative Diskussionen dadurch hervorgerufen, dass für Angestellte der Verwaltung eine Gehaltserhöhung von 120 Mark, dagegen für das mittlere medizinische Personal nur eine Erhöhung von 70 Mark durchgeführt wurde.

  • Mittlere medizinische Personale erhalten teilweise auch weiterhin eine geringere Vergütung als Reinigungskräfte. (In der Medizinischen Akademie Magdeburg erhält eine Reinigungskraft 480 Mark, eine medizinisch-technische Assistentin 460 Mark.)

  • Bei der Entlohnung von Hochschulkadern nach Qualifikation und Dienstjahren wird das Leistungsprinzip nicht berücksichtigt.

  • Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sind Angehörige der medizinischen Intelligenz z. T. benachteiligt. (Ein Oberarzt in der Chirurgie des Bezirkskrankenhauses Karl-Marx-Stadt erhält das gleiche Gehalt wie ein Klempner einer PGH. Ein Fachschulingenieur im ökonomischen Aufbaustab des Bezirkskrankenhauses Karl-Marx-Stadt wird mit 1 800 Mark, ein Diplomingenieur im medizinischen Aufbaustab jedoch nur mit 700 bis 1 100 Mark Monatseinkommen eingestuft.)

Neben den bisher genannten Problemen wirken sich Mängel in der Neuentwicklung und Bereitstellung von Medikamenten und Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Beschaffung medizinischer Geräte negativ auf die Verwirklichung der im »Gemeinsamen Beschluss« festgelegten Maßnahmen aus.

Anlage 1 zur Information 572b/76 [Langfassung]

Möglichkeiten, die Arbeit der entsprechenden staatlichen Organe im Bereich Medizin noch wirkungsvoller zu unterstützen, wobei vorrangig Fragen der vorbeugenden Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR stehen

Die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit mit den staatlichen Organen im Bereich Medizin sollte vor allem auf folgende Probleme konzentriert werden:

  • 1.

    Seitens der zuständigen Diensteinheiten des MfS ist zu den Bezirks- und Kreisärzten sowie den Leitern und Parteisekretären der medizinischen Einrichtungen (auch der kleineren) ein vertrauensvoller, ständiger offizieller Kontakt herzustellen bzw. der bestehende Kontakt weiter zu festigen, insbesondere um

    • Hinweise auf vorhandene Unzufriedenheit, Ärgernisse und andere, das Arbeitsklima beeinträchtigende Faktoren mit dem Ziel ihrer unbürokratischen Beseitigung auszuwerten,

    • Informationen über die die Arbeits- und Lebensbedingungen im Bereich Medizin beeinträchtigenden Faktoren, die außerhalb dieses Bereiches liegen, entgegenzunehmen und deren Untersuchung/Beseitigung zu unterstützen, soweit eine Klärung auf normalem Wege nicht möglich ist,

    • gemeinsame Lösungswege zur Klärung von Konfliktsituationen bei Angehörigen der medizinischen Intelligenz und des medizinischen Personals zu suchen und einzuleiten,

    • konkrete, abgestimmte Festlegungen in Fragen der Wiedereingliederung, Vorbeugungsgespräche, Ausreiseanträge in dringenden Familienangelegenheiten, Dienstreisen in nichtsozialistische Staaten und nach Westberlin, Anträge auf Übersiedlung und anderen mit Problemen der Sicherheit verknüpften Kaderfragen zu treffen.

  • 2.

    Durch geeignete politisch-operative Maßnahmen ist systematisch zur Verbesserung der Kadersituation im Bereich Medizin beizutragen, insbesondere durch

    • Einflussnahme auf die Auswahl der Studienbewerber in der Fachrichtung Medizin,

    • Veranlassung einer den Ergebnissen der politisch-operativen Aufklärung/Bearbeitung Rechnung tragenden Absolventenlenkung der Medizinstudenten,

    • rechtzeitige Aufklärung von Nachwuchskadern für leitende Funktionen im Bereich Medizin sowie für Einsätze als Reisekader in nichtsozialistische Staaten und Westberlin,

    • Überprüfung der im Ausbildungsprozess der medizinischen Kader tätigen Lehrkräfte auf ihre politische Eignung und Einleitung geeigneter politischer und operativer Maßnahmen zur schrittweisen Veränderung.

  • 3.

    Durch Abstimmung von Maßnahmen der Kontrolltätigkeit der staatlichen Organe des Gesundheitswesens mit dem Einsatz der inoffiziellen Mittel und Möglichkeiten ist die Effektivität der staatlichen Kontrolltätigkeit zu erhöhen. In diesem Zusammenhang ist erneut zu prüfen, ob in Kontrollorganen, bei den Bezirks- oder Kreisärzten oder in wichtigen medizinischen Einrichtungen Sicherheitsbeauftragte zu schaffen sind. Durch Erweiterung der inoffiziellen Basis im Bereich Medizin, speziell durch den Einsatz von inoffiziellen Mitarbeitern in Schlüsselpositionen, sind zusätzliche Garantien für die unverfälschte und konsequente Durchsetzung der Gesundheitspolitik der Partei- und Staatsführung zu schaffen.

  • 4.

    Es ist darauf einzuwirken, dass durch die Außenhandelsunternehmen der DDR für Pharmazie und Medizintechnik und die medizinischen Forschungseinrichtungen eine straffere Kontrolle einreisender westlicher Konzernvertreter und Servicepersonale gesichert wird. Diese Kontrollmaßnahmen (Betreuersystem) sind durch politisch-operative Kräfte und Mittel wirksam zu unterstützen.

  • 5.

    Zur Verbesserung der Voraussetzungen für politisch-operative Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vorbereitung des ungesetzlichen Verlassens der DDR ist die Ordnung in den Einrichtungen des Bereiches Medizin in der Hinsicht zu erhöhen, dass bei Urlaub oder freien Tagen eine Übersicht besteht, wo sich die jeweiligen Personen aufhalten. Diese Übersicht muss in unbürokratischer Weise, ohne offensichtliche Reglementierung geschaffen werden. Weiter ist zu prüfen, auf welche Weise der Informationsfluss im Bereich Medizin verbessert werden kann, wenn Ärzte ihre Arbeitsstelle über die Bezirksgrenzen hinweg wechseln.

  • 6.

    Die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in den Einrichtungen des Bereiches Medizin ist, anknüpfend an die vorliegenden Erfahrungen, in Umfang und Qualität weiter zu verbessern. Dabei sind in noch größerem Umfang auswertbare abgeschlossene Untersuchungsvorgänge und differenziert die konkrete Einrichtung betreffende Probleme zum Ausgangspunkt zu nehmen. Es hat sich bewährt, den für den Bereich Medizin zuständigen Staatsanwalt der Bezirksstaatsanwaltschaft zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit mit einzubeziehen. Zusammenkünfte leitender Mediziner (Kreisärztetagungen u. ä.) sind verstärkt für die Vermittlung von Anliegen der vorbeugenden Tätigkeit des MfS mitzunutzen.

  • 7.

    Die Parteiinformation, besonders auf der Ebene der 1. Bezirks- und Kreissekretäre der SED, ist als wichtiges Instrument zur Sichtbarmachung der Lage und Situation in den medizinischen Einrichtungen und unter den Beschäftigten weiter zu qualifizieren mit dem Ziel, begünstigende Bedingungen für feindliche und negative Aktivitäten sowie andere damit im Zusammenhang stehende Probleme systematisch zurückzudrängen und zu beseitigen.

Anlage 2 zur Information 572b/76 [Langfassung]

Gesamtentwicklung des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch im Bereich Medizin beschäftigte Personen und Medizinstudenten und damit zusammenhängende Probleme

Im Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis 31. Juli 1976 haben nach vorliegenden Angaben insgesamt 404 Beschäftigte des Bereiches Medizin, einschließlich Medizinstudenten, davon

  • 1974 – 179 Personen,

  • 1975 – 171 Personen und

  • 1976 bis 31. Juli – 54 Personen

die DDR ungesetzlich verlassen.

Darunter befinden sich:

[Personen]

insges.

1974

1975

1976
(bis 31. Juli)

Ärzte

241

101

106

34

– davon Zahnärzte

(55)

(26)

(26)

(3)

Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im medizinischen Bereich tätig waren

16

7

8

1

Mittlere medizinische Personale

96

48

35

13

– davon Krankenschwestern

(70)

(33)

(26)

(11)

Medizinstudenten

12

7

4

1

Sonstige Beschäftigte (Angestellte, Arbeiter, Hilfskräfte)

39

16

18

5

Von den insgesamt 404 Personen wurden nachweislich überwiegend durch kriminelle Menschenhändlerbanden ausgeschleust:

  • 100 Ärzte, darunter 20 Zahnärzte,

  • 3 Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im Bereich Medizin tätig waren (das sind solche Fachkader wie Biologen, Physiker, Psychologen, Chemiker, Pharmazeuten),

  • 24 mittlere medizinische Personale.

Nach noch nicht vollständig vorliegenden Angaben befinden sich unter den Angehörigen der medizinischen Intelligenz, die die DDR ungesetzlich verlassen haben:

  • 55 Zahnärzte,

  • 21 Allgemeinmediziner,

  • 17 Anästhesisten,

  • 17 Chirurgen,

  • 13 Gynäkologen,

  • 14 Augenärzte,

  • 13 Kinderärzte.

Unter den Ärzten, die die DDR ungesetzlich verlassen haben, befanden sich auch solche Personen, die Kreis-, Chef- und Oberärzte waren.

Von den medizinischen Bereichen bzw. Einrichtungen, in denen der größte Teil der Personen beschäftigt war, sind hervorzuheben:

  • Krankenhäuser, Polikliniken und Ambulanzen (ohne konfessionelle Einrichtungen) – (153 Ärzte, darunter 35 Zahnärzte, 8 Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im Bereich Medizin tätig waren, 58 mittlere medizinische Personale, darunter 43 Krankenschwestern),

  • Universitäten – (31 Ärzte, darunter 6 Zahnärzte, 2 Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im medizinischen Bereich tätig waren, 13 mittlere medizinische Personale, darunter 8 Krankenschwestern),

  • Medizinische Akademien – (13 Ärzte, darunter zwei Zahnärzte, 2 Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im Bereich Medizin tätig waren, 4 mittlere medizinische Personale),

  • Betriebsgesundheitswesen – (13 Ärzte, darunter zwei Zahnärzte, 6 Krankenschwestern).

Die territorialen Schwerpunkte sind im Wesentlichen mit Konzentrationen medizinischer Einrichtungen und der Ausbildung und Forschung auf diesem Gebiet identisch.

Das sind insbesondere die Hauptstadt Berlin (108 Personen, davon 49 Ärzte) mit den medizinischen Einrichtungen Krankenhaus Berlin-Friedrichshain, Charité Berlin und Klinikum Berlin-Buch, darüber hinaus sind es die Bezirke

  • Halle (51 Personen, davon 35 Ärzte) mit der Martin-Luther-Universität Halle und dem Bezirkskrankenhaus Halle,

  • Leipzig (40 Personen, davon 25 Ärzte) mit der Karl-Marx-Universität Leipzig,

  • Erfurt (37 Personen, davon 20 Ärzte) mit der Medizinischen Akademie Erfurt,

  • Karl-Marx-Stadt (27 Personen, davon 19 Ärzte),

  • Rostock (25 Personen, davon 15 Ärzte) mit der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock.

Aus der Analyse der Altersstruktur der Personen, die die DDR ungesetzlich verlassen haben, ist zu erkennen, dass Ärzte der Altersgruppe 30 bis unter 35 Jahre (117) dominieren. Danach folgen Ärzte der Altersgruppe 25 bis unter 30 Jahre (57), wobei der Anteil der Zahnärzte (20) dabei besonders zu beachten ist.

Bei mittleren medizinischen Personalen ist die Altersgruppe bis unter 25 Jahre (35 Personen) gegenüber den Altersgruppen 25 bis unter 30 Jahre (17) und 30 bis unter 35 Jahre (23) charakteristisch.

Durch die Organe des MfS wurde – nach bisher vorliegenden Angaben – im Zusammenwirken mit den Organen der DVP und gesellschaftlichen Kräften das versuchte, vorbereitete bzw. beabsichtigte ungesetzliche Verlassen der DDR im genannten Zeitraum von insgesamt 267 Beschäftigten des Bereiches Medizin einschließlich Medizinstudenten, davon 1974 – 123 Personen, 1975 – 87 Personen und 1976 bis 31. Juli – 57 Personen, vorbeugend verhindert.

Gegen 91 Angehörige der medizinischen Intelligenz mussten Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet werden, da sie die Vorbereitung bzw. den Versuch des ungesetzlichen Verlassens der DDR mit hoher Intensität betrieben und eine ausgeprägte feindlich-negative Grundhaltung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR offenbarten.

Im gleichen Zeitraum sind darüber hinaus auf der Grundlage des Beschlusses des Politbüros des ZK der SED über die strafrechtliche Verfolgung und Wiedereingliederung der wegen versuchten ungesetzlichen Verlassens der DDR angefallenen Angehörigen der medizinischen Intelligenz und des mittleren medizinischen Personals 41 Angehörige der medizinischen Intelligenz nach Abschluss der Untersuchungen in den Arbeitsprozess wiedereingegliedert worden. Sie erhielten entsprechend den strafprozessual getroffenen Entscheidungen Freiheitsstrafen ausgesetzt auf Bewährung, Verurteilung auf Bewährung bzw. wurden die Ermittlungsverfahren eingestellt.

Unter den insgesamt 267 im Bereich Medizin tätigen Personen, deren ungesetzliches Verlassen der DDR verhindert wurde, befinden sich:

[Personen]

insges.

1974

1975

1976
(bis 31. Juli)

Ärzte

123

59

38

26

– davon Zahnärzte

(27)

(11)

(9)

(7)

Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im medizinischen Bereich tätig waren

19

8

10

1

Mittlere medizinische Personale

54

24

17

13

- davon Krankenschwestern

(38)

(18)

(9)

(11)

Medizinstudenten

15

11

3

1

Sonstige Beschäftigte (Angestellte, Arbeiter, Hilfskräfte)

56

21

19

16

Von den 267 Personen aus dem Bereich Medizin sollten überwiegend durch kriminelle Menschenhändlerbanden ausgeschleust werden:

  • 95 Ärzte, darunter 20 Zahnärzte,

  • 12 Angehörige der nichtmedizinischen Intelligenz, die im medizinischen Bereich tätig waren,

  • 22 mittlere medizinische Personale.

Nach vorliegenden Angaben befinden sich unter den Ärzten, deren ungesetzliches Verlassen der DDR verhindert wurde, u. a.

  • 1 Leiter einer Poliklinik,

  • 2 Leiter von Landambulatorien,

  • 9 Chefärzte,

  • 9 Abteilungsärzte,

  • 5 Oberärzte.

Territoriale Schwerpunkte bilden die Hauptstadt

  • – Berlin und die Bezirke

    (41 Personen, davon 13 Ärzte),

  • – Halle

    (39 Personen, davon 23 Ärzte),

  • – Erfurt

    (24 Personen, davon 12 Ärzte),

  • – Dresden

    (23 Personen, davon 13 Ärzte),

  • – Leipzig

    (23 Personen, davon 12 Ärzte),

  • – Rostock

    (22 Personen, davon 9 Ärzte),

  • – Potsdam

    (20 Personen, davon 8 Ärzte),

  • – Karl-Marx-Stadt

    (19 Personen, davon 11 Ärzte).

Hinsichtlich der Altersstruktur bilden die Ärzte der Altersgruppen 30 bis unter 35 Jahre (42 Personen), 25 bis unter 30 Jahre (29) und 35 bis unter 40 Jahre (30) den größten Anteil. Bei den mittleren medizinischen Personalen ist die Altersgruppe bis unter 25 Jahre (26) hervorzuheben.

Weitere Feststellungen des MfS ergaben, dass nach bisher vorliegenden Angaben im Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis 31. Juli 1976 insgesamt 1 177 Beschäftigte im Bereich Medizin und Medizinstudenten bei den zuständigen staatlichen Organen Anträge auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten und nach Westberlin gestellt haben. Eine weiter ansteigende Tendenz ist auch im Jahre 1976 zu beachten.

Seit dem 1. Januar 1974 wurde – nach vorliegenden Angaben – insgesamt 418 Personen, darunter auch Angehörigen der medizinischen Intelligenz, der Übersiedlungsantrag genehmigt. (Darunter befinden sich auch Personen, die bereits vor dem 1. Januar 1974 Antrag auf Übersiedlung gestellt haben.) Als Begründung für die Übersiedlung wurden insbesondere angegeben:

  • Eheschließung mit Bürgern aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin bzw. Familienzusammenführung,

  • Ablehnung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR,

  • keine bzw. zu geringe berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bzw. Perspektiven und zu geringe Verdienstmöglichkeiten,

  • ungelöste Wohnungs- und andere persönliche Probleme.

Unter den Antragstellern befinden sich:

  • 198 Ärzte, davon 40 Zahnärzte,

  • 28 Medizinstudenten, davon 8 der Zahnmedizin,

  • 585 mittlere medizinische Personale, davon 372 Krankenschwestern,

  • 366 sonstige Beschäftigte.

Bei den gestellten Übersiedlungsanträgen sind folgende Bezirke hervorzuheben:

  • – Leipzig

    187 Anträge (davon 30 durch Ärzte, 91 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Dresden

    164 Anträge (davon 24 durch Ärzte, 90 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Berlin

    150 Anträge (davon 7 durch Ärzte, 86 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Erfurt

    102 Anträge (davon 18 durch Ärzte, 53 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Magdeburg

    102 Anträge (davon 19 durch Ärzte, 38 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Karl-Marx-Stadt

    102 Anträge (davon 9 durch Ärzte, 65 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Halle

    86 Anträge (davon 19 durch Ärzte, 39 durch mittlere medizinische Personale),

  • – Potsdam

    82 Anträge (davon 17 durch Ärzte, 35 durch mittlere medizinische Personale).

Unter den mit Genehmigung staatlicher Organe überwiegend in die BRD übergesiedelten Personen befinden sich:

  • – 77

    Ärzte, davon 14 Zahnärzte,

  • – 6

    Medizinstudenten,

  • – 207

    mittlere medizinische Personale, davon 126 Krankenschwestern,

  • – 128

    sonstige Beschäftigte.

Hervorzuheben sind hierbei die Bezirke:

  • – Berlin

    80 übergesiedelte Personen, davon 11 Ärzte, 49 mittlere medizinische Personale,

  • – Halle

    65 übergesiedelte Personen, davon 12 Ärzte, 31 mittlere medizinische Personale,

  • – Leipzig

    48 übergesiedelte Personen, davon 7 Ärzte, 21 mittlere medizinische Personale,

  • – Rostock

    30 übergesiedelte Personen, davon 7 Ärzte, 14 mittlere medizinische Personale.

  1. Zum nächsten Dokument Behinderung der Sternfahrt nach Westberlin, 15. Jahrestag Mauerbau

    13. August 1976
    Information Nr. 573/76 über die Durchsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs der Transitwege der DDR am 13. August 1976

  2. Zum vorherigen Dokument Lage im Gesundheitswesen, insbesondere Flucht und Ausreise

    [ohne Datum]
    Information Nr. 572a/76 über Erkenntnisse zur Situation im Bereich Medizin der DDR – Staatliches Gesundheitswesen, Hoch- und Fachschulwesen, Pharmazie und Medizintechnik [Kurzfassung]