Neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Höffner
19. August 1976
Information Nr. 578/76 über die vorgesehene Besetzung der Funktion des Vorsitzenden der Katholischen »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD)
Wie dem MfS intern bekannt wurde, käme nach Meinung leitender vatikanischer Kreise als Nachfolger für den verstorbenen Vorsitzenden der »Deutschen Bischofskonferenz«, Kardinal Julius Döpfner, der Kölner Erzbischof Kardinal Höffner, Joseph, für eine volle Amtsperiode (6 Jahre) als Vorsitzender der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) infrage.
Kardinal Höffner gilt im vatikanischen Staatssekretariat als »romtreu«; er unternehme nichts, was den Interessen des Vatikans zuwiderlaufe.
Im Zusammenhang mit der vorgesehenen Wahl des Nachfolgers für den verstorbenen Vorsitzenden der »Deutschen Bischofskonferenz«, Döpfner, wurde im vatikanischen Staatssekretariat betont, daraus könnten keine Schwierigkeiten im Hinblick auf eine Anerkennung der Bischofskonferenz in der DDR durch die »Deutsche Bischofskonferenz« (BRD) erwachsen.
Leitende Mitarbeiter im Staatssekretariat des Vatikans nehmen an, dass sich die Anerkennung der Bischofskonferenz in der DDR dadurch sogar schnell vollziehen könne. Dem Staatssekretariat und seinem Substitus Erzbischof Benelli sei daran gelegen, komplizierte bzw. unpopuläre Entscheidungen in den Sommerferienmonaten zu vollziehen, zumal die Presse und vor allem deren Leser in dieser Zeit davon weniger Notiz nehmen würden.
Im Katholischen Büro in Bonn werde die Meinung vertreten, ein Hinauszögern der Umwandlung der Apostolischen Administraturen in der DDR in residierende Bischöfe und der Verselbstständigung der Bistümer sei nur noch aus politischen Opportunationsgründen [sic!] bis nach den Bundestagswahlen im Herbst 1976 möglich, da diese Maßnahmen Einfluss auf den Wahlkampf der CDU ausüben könnten. Diesen Standpunkt soll auch der stellvertretende Leiter des Katholischen Büros in Bonn und Leitungsmitglied der KNA, [Name], in einem internen Gespräch Anfang Juli 1976 in Bonn vertreten haben.
Anlage: Kurz-Auskunft zur Person Höffners
Diese Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information 578/76
Kurz-Auskunft zur Person des Kardinal Joseph Höffner, Prof. Dr., Erzbischof von Köln
1906 | 24.12.: geboren in Horhausen/Westerwald |
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1926 bis 1934 | Studium Philosophie, Theologie, Volkswirtschaft und Soziologie in Rom, Trier und Freiburg/Br. |
1929 | Promotion zum Dr. phil. |
1931 | Promotion zum Dr. theol. |
1932 | 30. Oktober: Priesterweihe |
1938 | Kaplan in Saarbrücken/ anschl[ießend] Pastor in Keil (Mosel) und Stadtpfarrer in Trier/ Diplom-Volkswirt |
1941 | Promotion zum Dr. rer. Pol. |
1944 | Habilitation an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg/Br. |
1945 | Prof. für Pastoraltheologie und christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Hochschule Trier |
1951 | Ordinarius Universität Münster/Westf. |
bis 1962 | Während dieser Zeit: Begründer und Direktor Institut für christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster/Westf./ Mitglied Beirat Bund Katholischer Unternehmer/ Vorstandsmitglied der Goerres-Gesellschaft/ Leiter Sozialreferat beim Zentralkomitee deutscher Katholiken/ Mitglied wissenschaftlicher Beiräte des westdeutschen Arbeits-, Familien- und Wohnungsbauministeriums/ Mitglied des Gründungsausschusses der Ruhr-Universität Bochum |
[ab] 1962 | September: ernannt zum Bischof von Münster/Westf./ gleichzeitig als Mitglied der »Deutschen Bischofs-Kommission [gemeint: Konferenz]« (DBK)/ Vorsitzender der Sozialkommission der DBK/ Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen/ Honorar-Professor an der Universität Münster/Westf. |
1968 | Dezember: ernannt zum Koadjutor (Amtsgehilfe) des erkrankten Erzbischofs von Köln (Kardinal Frings) mit dem Recht der Nachfolge |
1969 | Januar: ernannt zum Erzbischof/ 23.2. Nachfolger von Kardinal Frings als Erzbischof von Köln/ 28.4. ernannt zum Kardinal/ zugleich Mitglied der Kongregation für den Unterricht/ Mitglied des vatikanischen Staatssekretariats für die Nichtgläubigen und in der »Deutschen Bischofs-Konferenz« verantwortlich für gesellschaftspolitische Fragen |
1972 | Mai: Mitglied der Präfektur für Wirtschaftsangelegenheiten des Vatikans |
1973 | März: von der Sophia-Universität Tokio zum Dr. hc. der Wirtschaftswissenschaften ernannt/ April: Vorsitzender der Bischöflichen Kommission für das Hilfswerk Misereor |
1976 | 24. Juli: nach dem Tode von Kardinal Döpfner amtierender Vorsitzender der Deutschen Bischofs-Konferenz |
Kardinal Höffner gehört zum konservativen Flügel des leitenden katholischen Klerus in der BRD. Er nutzt jede sich bietende Gelegenheit, zu gesellschaftlichen und politischen Problemen Stellung zu nehmen bzw. richtungweisend aufzutreten. Hierzu einige Beispiele:
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Zusammen mit sechs nicht namentlich bekannten Theologen unterschrieb Höffner ein sogenanntes Atombomben-Gutachten. In diesem Gutachten hieß es u. a., dass die Verwendung von Atomwaffen »nicht notwendig der sittlichen Ordnung« widerspreche und »nicht in jedem Fall Sünde« sei. Außerdem sei es »eine verallgemeinernde und unkritische Sprechweise, jede derartige Kampfmaßnahme heute von vornherein als Selbstmord ganzer Völker« oder gar »der ganzen Menschheit« hinzustellen. (»Der Spiegel«, 13.1.1969)
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Am 1. Oktober 1972 hielt Höffner einen Vortrag zum Jahresfest der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg/BRD zum Thema: »Die Religion im System des dialektischen Materialismus«. In diesem Vortrag behandelte er in sechs Thesen das »marxistisch-leninistische Verständnis der Religion« und unternahm dann in »3 Antithesen« den Versuch, »diese Ideologie zu entlarven«. Dieser Vortrag Höffners wird als Druckschrift u. a. über das »Presseamt des Erzbistums Köln« und über »Glaube in der 2. Welt« angeboten. (»Rheinischer Merkur«, Koblenz, 13. u. 20.10.1972)
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Im Januar 1974 warnte Höffner in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur vor dem »wachsenden Einfluss von Marxismus und Atheismus in der Öffentlichkeit«, gegen den »die Katholiken in verstärktem Maß in der Öffentlichkeit protestieren und Widerstand leisten« werden. »Das wird sich selbstverständlich auch bei politischen Wahlen auswirken.« (»Bonner Rundschau«, Bonn, 23.1.1974)
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In einem Interview mit der Tageszeitung »L’Avvenire«, Rom, am 13. März 1974 definierte Höffner u. a. den von ihm propagierten Begriff »4. Welt«: Die »Vierte Welt« lässt sich nicht geographisch umschreiben … »Vierte Welt« ist der Inbegriff eines Elends … der moralischen Unterentwicklung und der geistigen Verwirrung. Wirtschaftlicher Fortschritt und geistig-sittlicher Fortschritt laufen häufig nicht parallel. In der »Vierten Welt« werden die geistigen Werte und die sittlichen Normen positivistisch zersetzt.
Das Ergebnis sei u. a. »… Zerfall der sittlichen Normen, … Zerrüttung vieler Ehen und Familien, Geburtenrückgang, Zunahme von Gewalttaten, … religiöse Gleichgültigkeit, … Vereinsamung vieler Menschen, Ausbreitung der Lebensangst …«
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In der »Vierten Welt« sehe er »eine Chance und einen Auftrag für die Kirche«, sagte Höffner. (Broschüre »Der Christ in Staat und Gesellschaft« mit zwei Interviews über »gesellschaftspolitische Perspektiven 1974«)