Probleme mit französischen Soldaten an der GÜST Friedrichstraße
17. Mai 1976
Information Nr. 372/76 über das provokatorische Verhalten der Insassen eines Kraftfahrzeuges der in Westberlin stationierten französischen Besatzungstruppen bei der Einreiseabfertigung in die Hauptstadt der DDR, Berlin, an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße am 10. Mai 1976
Am 10. Mai 1976 wurde durch den Hauptmann der französischen Armee, [Name], und weitere vier Insassen des französischen Militärkraftfahrzeuges, Pkw Typ Mercedes, amtliches Kennzeichen 601–1065, in provokatorischer Weise die passkontrollmäßige Abfertigung zur Einreise in die Hauptstadt der DDR, Berlin, durch Negierung des geltenden Abfertigungsregimes behindert. Infolge des provokatorischen Verhaltens kam es zu einer Störung der zügigen und reibungslosen Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße.
Das Auftreten des Hauptmanns der in Westberlin stationierten französischen Besatzungstruppen und der anderen Insassen des französischen Militärkraftfahrzeuges stellt eine grobe Missachtung der Ordnung an der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin und des für den Grenzübertritt geltenden Abfertigungsregimes dar.
Aus diesem Verhalten ist zu schlussfolgern, dass es sich um einen Testfall gehandelt haben kann.
Im Einzelnen liegen dem Vorfall folgende Fakten zugrunde:
Das Militärkraftfahrzeug der in Westberlin stationierten französischen Besatzungstruppen, amtliches Kennzeichen 601–1065, erschien am 10. Mai 1976, gegen 13.55 Uhr an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße zur Einreiseabfertigung in die Hauptstadt der DDR, Berlin. Das Fahrzeug war besetzt mit dem angeführten Hauptmann der französischen Armee [Name], einem als Kraftfahrer fungierenden Soldaten der französischen Armee sowie drei Zivilpersonen, die im Besitz von Reisepässen waren. Bei der Passkontrolle verweigerten die drei Zivilpersonen die Einsichtnahme in die Signalementseiten ihrer Reisepässe.
Auf Forderung des Passkontrolleurs, in diese Seite des Passes Einsicht zu gewähren, erklärte der Hauptmann der französischen Armee [Name] in anmaßender Weise, dass diese Personen in einem französischen Militärfahrzeug reisen, demzufolge Militärpersonen wären und damit keiner Passkontrolle durch die Organe der DDR unterzogen werden dürften. Diese Auffassung widerspricht völlig dem den Angehörigen der in Westberlin stationierten westlichen Besatzungsmächte hinlänglich bekannten Abfertigungsregime.
Der Aufforderung des Passkontrolleurs, das Fahrzeug bis zur Klärung so abzustellen, dass der kontinuierliche Ablauf des grenzüberschreitenden Verkehrs nicht behindert wird, wurde ebenfalls nicht Folge geleistet. Der Hauptmann der französischen Armee erklärte, dass er die Durchfahrt solange blockieren werde, bis die Einreise gestattet wird. Infolge dieses Verhaltens kam es an der Grenzübergangsstelle zu einem Fahrzeugstau von 20 Kraftfahrzeugen, die zur Ein- bzw. Ausreise nicht abgefertigt werden konnten. Hauptsächlichst davon betroffen waren Fahrzeuge in der DDR akkreditierter diplomatischer Vertretungen.
Um weitere Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Verkehr zu vermeiden, wurde entschieden, dass die Einreise des Fahrzeuges unter Protest gestattet wird und die zuständigen Organe der DDR über diesen Vorfall in Kenntnis gesetzt werden. Die Einreise wurde um 14.10 Uhr gestattet. Kurz davor äußerte der Hauptmann der französischen Armee, dass sich auch bei künftigen Reisen an seinem Verhalten nichts ändern werde.
Der provokatorische Charakter dieses Vorfalls wird besonders daran sichtbar, dass
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in den zurückliegenden Jahren – alle drei westlichen Besatzungsmächte betreffend – noch kein Vorfall der Verweigerung der Einsichtnahme in Pässe derartiger Personen zu verzeichnen ist, obwohl tagtäglich eine große Anzahl von Zivilpersonen in Fahrzeugen der in Westberlin stationierten Besatzungsmächte in die Hauptstadt der DDR, Berlin, einreist,
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am gleichen Tage die Einreiseabfertigung der Insassen des unmittelbar folgenden französischen Militärfahrzeuges (Typ Opel-Rekord), amtliches Kennzeichen 631–0922, besetzt mit einem Oberstleutnant und einem Soldaten der französischen Armee sowie drei Zivilpersonen, die sich ordnungsgemäß mit Reisepässen auswiesen und bei der Passkontrolle die erforderliche Einsichtnahme in die Pässe gewährten, ohne Beanstandungen erfolgte,
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die Ausreiseabfertigung desselben Personenkreises des französischen Militärfahrzeuges, amtliches Kennzeichen 601–1065, am 10. Mai 1976, gegen 17.55 Uhr ohne jegliche Beanstandung verlief und sich die drei wieder mit ausreisenden Zivilpersonen ordnungsgemäß mit ihren Reisepässen legitimierten und der Passkontrolle die Einsichtnahme in die Pässe gewährten.
In diesem Zusammenhang ist zum Regime der Kontrolle und Abfertigung derartiger Militärpersonen und der sich in ihrer Begleitung befindlichen Zivilpersonen festzustellen:
Angehörige der in Westberlin stationierten westlichen Besatzungstruppen können die Hauptstadt der DDR nur über die Grenzübergangsstellen Friedrich-/Zimmerstraße und Bahnhof Friedrichstraße betreten bzw. verlassen. Sie unterliegen, sofern sie die genannten Grenzübergangsstellen in Uniform passieren, nicht der Pass- und Zollkontrolle. Die Uniform gilt als Legitimation unabhängig davon, ob das Passieren mit Kraftfahrzeug oder zu Fuß erfolgt. Kontrollhandlungen werden nicht durchgeführt.
Erfolgt das Passieren der genannten Grenzübergangsstellen in Zivil, so unterliegen sie der Pass-, jedoch nicht der Zollkontrolle. Das Betreten bzw. Verlassen der Hauptstadt der DDR wird gestattet, sofern sie sich mit entsprechenden Militärpapieren (Militärkennkarten bzw. Identitätskarten) oder mit einem Reisepass ihres Heimatstaates ausweisen können. Die Passkontrolle beschränkt sich bei Vorlage von Militärpapieren auf die Feststellung der Identität zwischen den vorgewiesenen Militärpapieren und der Person. Eine bevorzugte Grenzabfertigung erfolgt nicht. Die Kontrolle erfolgt an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße außerhalb des Kontrollgebäudes bzw., wenn die Einreise mit Kraftfahrzeug erfolgt, am Kraftfahrzeug.
Bürger anderer Staaten (außer BRD und Einwohner Westberlins), die mit Angehörigen der westlichen Besatzungskräfte gemeinsam in einem Militärkraftfahrzeug reisen, werden passmäßig kontrolliert, unterliegen jedoch nicht der Zollkontrolle.
Erfolgt die Reise im Privatkraftfahrzeug des Angehörigen der westlichen Besatzungskräfte, unterliegen die begleitenden Personen der Pass- und Zollkontrolle.
Bei Vorlage eines Reisepasses erstreckt sich die Passkontrolle entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften der DDR auf
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die Prüfung des Vorhandenseins der Voraussetzungen für den Grenzübertritt auf der Grundlage der für diese Personen geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften der DDR,
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die Feststellung der Identität zwischen dem Lichtbild im vorgewiesenen Pass und der Person,
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die Überprüfung der Echtheit und Gültigkeit des vorgewiesenen Reisedokumentes.
Aufgrund dieses Vorfalles und der Schlussfolgerung, dass es sich dabei um einen Testfall handeln kann, verbunden mit der Drohung nach analoger Vorgehensweise bis hin zur Blockierung der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße bei weiteren Einreisen des Hauptmannes [Name] wird empfohlen, durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, in Verbindung mit der Botschaft der UdSSR in der DDR, geeignete Schritte einzuleiten.