Sicherheit im VE Kalibetrieb Werra, Bezirk Suhl
7. Mai 1976
Information Nr. 353/76 über die Gefährdung der Bergbausicherheit im VE Kalibetrieb »Werra«, Bezirk Suhl
Im Zusammenhang mit den im VE Kalibetrieb »Werra«, Grube »Marx Engels«, Unterbreizbach/Suhl vom MfS im engen Zusammenwirken mit der Obersten Bergbehörde Leipzig und dem Institut für Bergbausicherheit Leipzig geführten Untersuchungen des großflächigen Zusammenbruchs des Ostfeldes vom 23. Juni 1975 wurde gleichzeitig festgestellt, dass die Standsicherheit von Grubenbauen in anderen Bereichen des Kalibetriebes »Werra« aufgrund von Unterdimensionierung der Pfeiler gefährdet ist.
Nach übereinstimmenden Auffassungen der beteiligten Fachleute scheidet diese Unterdimensionierung zwar als Ursache für das Ereignis im Ostfeld am 23. Juni 1975, das auf ein sogenanntes pseudotektonisches Beben zurückzuführen ist, aus, stellt jedoch eine Gefährdung für den weiteren Abbau von Kalisalzen dar.
Diese Erkenntnis resultiert aus den umfassenden Untersuchungen nach dem Ereignis vom 23. Juni 1975. Sie beweist jedoch gleichzeitig, dass neue wissenschaftliche und praktische Probleme des Kalibergbaus einer Lösung bedürfen.
In den Gruben »Ernst Thälmann« und »Marx Engels« wurden von Fachexperten nach dem Auswahlprinzip Pfeilerüberrechnungen vorgenommen. Insgesamt wurden im Kalibetrieb »Werra« 2 920 Abbaupfeiler im Carnallitit und Sylvinit (verschiedene Kalisalze) überrechnet. In der Grube »Ernst Thälmann« wurden von den überrechneten 2 099 Pfeilern 43 Prozent und in der Grube »Marx Engels« von 821 Pfeilern 65 Prozent als unterdimensioniert ausgewiesen.
Das ist im Wesentlichen auf zwei Hauptursachen zurückzuführen:
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Unterdimensionierung durch Abweichung von den Normativen der bergmännischen Arbeit und mangelhafte Kontrolle der Abbauparameter sowie
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Unterdimensionierung durch falsche Auslegung und Anwendung der Dimensionierungsregeln auf dem Gebiet der Pfeilergeometrie, der Salzarten und der Pfeilerbelastung.
In diesem Zusammenhang wird von Fachleuten darauf hingewiesen, dass die vom Institut für Bergbausicherheit Leipzig ausgearbeiteten Dimensionierungsregeln lediglich auf statischen Berechnungen beruhen, während die durch dynamische Ursachen möglichen Spannungsumlagerungen und zusätzlichen Be- und Entlastungen nicht berücksichtigt werden.
Neben den vorgenannten Hauptursachen hatten auf die Unterdimensionierung auch solche Faktoren Einfluss wie
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ungenügende systematische Zusammenarbeit zwischen der Forschungsstelle des Kombinates Kali, dem Institut für Bergbausicherheit Leipzig und der Bergbehörde Erfurt mit den zuständigen betrieblichen Abteilungen,
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ungenügender wissenschaftlich-technischer Vorlauf bei Abbauverfahren im Kalibergbau und ständig kompliziertere Abbauverhältnisse der Kalilagerstätten in den Gruben des Kalibetriebes »Werra«.
Folgende Bereiche sind wegen Unterdimensionierung standsicherheitsgefährdet:
Grube »Marx Engels« Unterbreizbach
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gesamter östlicher Teil des Bereiches 4,
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Block 3/4,
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nordwestlicher Teil des Blockes 5/6.
Grube »Ernst Thälmann« Merkers
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nordöstlicher Teil des Bereiches 2, bestehend aus den Blöcken 2/6, 2/11 sowie 7/11,
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zentraler nördlicher Teil des Bereiches 3, östlicher Teil des Bereiches 4 sowie der Bereich 6,
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Bereich 5, Bereich 7 und Bereich 8.
Wie die geführten Untersuchungen darüber hinaus beweisen, stellt auch der Einfluss der versenkten Kaliendlauge durch westdeutsche Kalibetriebe eine wesentliche Gefahr für die Standsicherheit der Grubenbaue in den Gruben »Marx Engels« und »Ernst Thälmann« dar.
Durch die anstehende Lauge treten insbesondere dynamische Bewegungen im Deckgebirge ein, die in den Dimensionierungsregeln nicht berücksichtigt werden konnten, weil zum Zeitpunkt der Ausarbeitung keine entsprechenden Erkenntnisse vorlagen.
Durch die Oberste Bergbehörde Leipzig, das Institut für Bergbausicherheit Leipzig und den Kalibetrieb »Werra« wurden bereits Erstmaßnahmen zur Erhöhung der Bergbausicherheit eingeleitet. Diese reichen jedoch nach übereinstimmenden Auffassungen von Experten nicht aus, um vorhandene wissenschaftliche und praktische Probleme zu lösen.
Zur Erhöhung der Bergbausicherheit und zur Gewährleistung eines sicheren Produktionsablaufes wird deshalb von Fachleuten empfohlen, die Durchführung folgender Maßnahmen zu erwägen:
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Festlegung von Sofortmaßnahmen für die sichere Abbauführung in den genannten unterdimensionierten Bereichen zur Gewährleistung einer ökonomischen und effektiven Produktionsweise unter Einhaltung der Bergbausicherheit,
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Überprüfung der gestundeten Abbaubereiche bzw. Abbaumethoden mit dem Ziel, die Standsicherheit durch zusätzliche Maßnahmen zu gewährleisten und Abbauverluste so gering wie möglich zu halten,
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Durchführung von verstärkten Kontrollen im gesamten Industriezweig Kali auf Einhaltung der Dimensionierungsregeln und Abbauparameter,
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Gewährleistung der ständigen Einsatzbereitschaft der seismischen Anlagen (Kontrollgeräte) und zielgerichtete Auswertung der Ergebnisse, um Bewegungsabläufe im Deckgebirge rechtzeitig erkennen und deuten zu können,
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Überprüfung und Überarbeitung des bestehenden Dimensionierungsverfahrens für den Kalibergbau unter Berücksichtigung besonderer geologischer Verhältnisse und zusätzlicher Belastungen,
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Schaffung eines wissenschaftlich-technischen Vorlaufes in der Erforschung von Abbauverfahren und Abbauparametern entsprechend der Entwicklung der geologischen und tektonischen Verhältnisse im Kalibergbau für die Zukunft,
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Die Forschungstätigkeit des Institut für Bergbausicherheit Leipzig und der Forschungsstelle des Kombinates Kali sowie deren Ergebnisse sollten praxisverbundener wirksam werden. Besonders die Anleitung und Kontrolle bei der Einführung neuer Forschungsergebnisse in die Praxis durch das Kombinat Kali müsste intensiver erfolgen.
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Die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali, dem Kombinat Kali und den einzelnen Werken hinsichtlich der Lösung von Schwerpunktaufgaben und auf dem Gebiet der Anleitung und Unterstützung sollte verbessert werden.