Synode der EKU in der DDR in Ostberlin
1. Juli 1976
Information Nr. 479/76 über die Tagung der Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU ) in der DDR vom 17. Juni 1976 bis 20. Juni 1976 in Berlin
Dem MfS wurden Einzelheiten über den Verlauf der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU ) bekannt, die, soweit sie bemerkenswert erscheinen, im Folgenden mitgeteilt werden:
Die 1. Tagung der 5. Synode der EKU in der DDR wurde im Gemeindesaal der Immanuel-Kirch-Gemeinde in Berlin – Prenzlauer Berg – unter dem Thema: »Anfechtung und Gewissheit des Glaubens« durchgeführt. (Es handelt sich dabei um die konstituierende Tagung dieser Synode, deren Legislaturperiode den Zeitraum vom 1. Mai 1976 bis 30. April 1982 umfasst.)
Von 60 gewählten und berufenen Synodalen nahmen 56 an der Zusammenkunft teil.
Als ökumenische Gäste wurden auf der Tagung begrüßt:
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Prof. Stackhouse, Prof. Meeks und Reverend Meister von der Vereinigten Kirche der USA (Vereinigte Kirche Christi),
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Pfarrer Shodo Suzuki Kyodan, Vereinigte Kirche Christi Japans, zurzeit: Heidelberg,
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Pfarrer Zdzislaw Tranda, Reformierte Kirche der VR Polen,
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Dr. Jiri Otter, Kirche der »Böhmischen Brüder«, ČSSR, und
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Superintendent Peter Kraske, Präses der Synode der EKU in der BRD/WB.
Zu Beginn der Tagung erfolgte die Wahl des Präsidiums der Synode. Als neuer Präses wurde der Sprachwissenschaftler Walter Becker (Akademie der Wissenschaften der DDR, 38 Jahre) gewählt. Zu Stellvertretern des Präses wurden der Rechtsanwalt Wolfgang Schnur aus Binz/Rügen (1. Stellvertreter) und Frau Pfarrer Irmgard Dudey aus Magdeburg (2. Stellvertreter) gewählt. (Das Amt des Ratsvorsitzenden der EKU in der DDR war am 2. Juni 1976 Bischof Krusche übertragen worden. Nach kirchlichem Recht wird der Ratsvorsitzende vor der 1. Tagung der Synode auf einer eigens dafür einberufenen Ratssitzung gewählt.) In den Rat der EKU wurden als Vertreter der Synode Rechtsanwalt Waitz aus Magdeburg, Frau Ilse Kellerhoff aus Greifswald und als Vertreter der Reformierten Kirche der DDR Pfarrer Langhoff aus Brandenburg gewählt.
In dem vom bisherigen Vorsitzenden des Rates der EKU , Bischof Gienke, vorgetragenen Bericht wurden insbesondere Aussagen über den Stand und die Zukunft der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen der DDR sowie über die ökumenische Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen getroffen. Neben dem Prozess des Zusammenwachsens der Evangelischen Kirchen der DDR konstatierte er »oft nicht geringe Unterschiede, ja gelegentlich deutliche Spannungen zwischen den einzelnen Kirchen bei konkreten Entscheidungen«. Seine Ausführungen enthielten bei Bejahung der erfolgten rechtlichen Trennung zwischen der EKU der BRD und Westberlins und der EKU der DDR ein entschiedenes Bekenntnis zur »Erhaltung und Förderung der brüderlichen Gemeinschaft in der EKU «. Gienke sprach durchgängig von »Bereichen« der EKU sowohl in der BRD/WB als auch in der DDR. Die Förderung dieser »brüderlichen Gemeinschaft« solle weiter durch gemeinsame Beratungen der Räte zur gegenseitigen Information und Abstimmung über Vorhaben in beiden Bereichen erreicht werden.
Im Bericht wurde beiderseitiger »starker Wille« festgestellt, die auf Anregung einer Konsultation unierter Kirchen 1975 in Toronto/Kanada sich entwickelnden Gemeinschaftsbeziehungen zur Vereinigten Kirche Christi (U.C.C) der USA auszuweiten.
Die positiven Aussagen der V. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi über die Ergebnisse von Helsinki wiedergebend,1 betonte der Berichterstatter die Notwendigkeit der Durchsetzung der Grundrechte aller Menschen und stellte für die Kirchen die Aufgabe, bei grenzüberschreitenden Kontakten und in der humanitären Arbeit einen wichtigen Beitrag zu leisten. Er führte aus, Sicherheit und echte grenzüberschreitende Kontakte gehörten zusammen, und die Kirchen sollten bedeutsame Initiativen für eine wirksame Abrüstung ergreifen. Gienke verwies zum Abschluss positiv auf die Bedeutung der sozialpolitischen Maßnahmen, besonders für Mütter und alte Bürger.2
Der 80 Seiten umfassende Bericht der Kirchenkanzlei wurde den Synodalen schriftlich zur Kenntnis gegeben. Er beinhaltet u. a. die Aussage, dass »die kirchliche Gemeinschaft der Bereiche der EKU in Ost und West unproblematisch, schlicht praktiziert wird«. Dies unterstreichend wurden den Synodalen Auszüge des Berichtes der EKU -Synode West ausgehändigt.
Weiter wurde im Bericht der Kirchenkanzlei über den Stand der Rekonstruktion des Berliner Doms berichtet, wobei hervorgehoben wurde, dass das Ministerium für Außenhandel eine Erklärung abgegeben habe, wonach der aufgebaute Dom voll und ganz der Kirche zur Verfügung stehe. Im Bericht der Kirchenkanzlei wurden des Weiteren Vorlagen für neue innerkirchliche Rechtsvorschriften unterbreitet, die im weiteren Verlauf von den Synodalen bestätigt wurden. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Versorgungsregelungen, Pfarrerdienstrecht und die Predigerausbildung.
Das Referat von Dr. Wetzel, Dozent am Theologischen Seminar in Leipzig, vor Kurzem berufen als Superintendent nach Dresden, zum Thema »Anfechtung und Gewissheit des Glaubens«, beinhaltete abstrakte theologische Darlegungen und vermied gesellschaftliche Bezogenheit.
In der Aussprache zum Referat bzw. zum Bericht wurden u. a. folgende Aspekte angesprochen:
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Dipl. Landwirt Borchert, Magdeburg, meinte, niemand habe das Referat verstanden, da vieles nicht offen angesprochen worden sei. »Anfechtungen« wie sie im täglichen Leben vorkämen, seien nicht erwähnt worden, z. B. Bildungsfragen. Er war weiter der Auffassung, dass die Masse der Gläubigen sowieso nichts von der im Bericht behandelten »Kirchwerdung« verstehe. Bei der EKU sei alles geordneter als beim Bund3.
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Oberkirchenrat Schultze, Magdeburg, vermerkte, dass die Anfechtung der Kirche und ihre Gründe fehlten.
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Bischof Fränkel, Görlitz, sagte, Anfechtungen sollten besser konkret und gemeindebezogen behandelt werden. Bei Gesprächen mit dem Staat gäbe es eine Grenze, wo die Christen nicht verstanden würden. Er verwies weiter auf die große Bedeutung der Ergebnisse von Helsinki, auf die Darstellung der Einheit von Frieden und Menschlichkeit in den zehn Prinzipien der Schlussakte. »Man darf nicht zulassen, dass gewisse Kräfte aus der Position des Misstrauens heraus die Ergebnisse von Helsinki unterschätzen. Es muss eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden, nur dann ist Abrüstung möglich. Wir müssen vorbehaltlos für Frieden und Menschlichkeit eintreten. Die Kirchen müssen aktiv werden, um bei der Durchsetzung vertrauensbildender Maßnahmen eigene Beiträge zu leisten.« Fränkel hob hervor, dass die UdSSR mit Artikel 7 der Schlussakte von Helsinki besonders hohe Kompromissbereitschaft gezeigt habe, was anerkannt werden müsse.(Vor der öffentlichen Diskussion im Plenum hatte bereits eine interne Diskussion in dazu gebildeten Arbeitsgruppen stattgefunden.)
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Bischof Schönherr, Berlin, bezeichnete als Anfechtung gewisse Erscheinungen bei jenen Pfarrern, die Resignation verbreiten.
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Propst Brinksmeier, Magdeburg, forderte eine stärkere Hervorhebung des Anfechtungscharakters unter Einschluss der Mitmenschen.
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Dr. Wetzel hob im Schlusswort der Diskussion über sein Referat hervor, dass er unter Anfechtung des Glaubens nicht die atheistische Erziehung verstehe, sondern wenn ein Christ durch den Atheismus den christlichen Glauben aufgibt.
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Dr. Romberg, Berlin, verwies auf die Notwendigkeit, statt der inneren Fragen viel wichtigere äußere Fragen zu behandeln, wie. z. B. Frieden, Abrüstung, Hunger, Krisen und Umweltschutz. Er hob die Aktivität der russisch-orthodoxen Kirche im Friedenskampf positiv hervor.
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Prof. Winkler, Halle, bemängelte, dass zuviel Kraft in theologische Fragen investiert werde und unterstützte die Aussagen von Romberg.
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Präses Affeld, Greifswald, betonte ebenfalls, sichtbare Einheit sei wichtiger als theologische Diskussionen. Der Bund sei seit 1969 theologisch nicht weitergekommen.
Der Bericht der Kirchenkanzlei wurde ohne Erörterung an den zuständigen Ausschuss zur Behandlung weitergeleitet.
Von den ökumenischen Gästen wurden Grußansprachen gehalten.
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Der Amerikaner Stackhouse betonte die erlebte Lebendigkeit der Kirche in der DDR und die gute Entwicklung der Beziehungen zwischen der EKU /DDR und der Vereinigten Kirche Christi/USA.
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Vom Präses der EKU -Synode West, Kraske, wurde die gemeinsame Verbundenheit der EKU -Bereiche herausgestellt. Er bezeichnete seine Teilnahme an der Synode als Selbstverständlichkeit.
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Pfarrer Kyodan aus Japan sagte u. a., dass die japanische Vereinigte Kirche Christi sich gerne mit den Aufgaben von Christen in einer sozialistischen Gesellschaft beschäftigt hat.
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Die Ausführungen der kirchlichen Vertreter aus der ČSSR und der VR Polen waren rein theologisch und enthielten keine gesellschaftspolitischen Bezüge.
Der weitere Verlauf der Synode war durch die nichtöffentliche Tätigkeit von fünf gebildeten Ausschüssen gekennzeichnet. Es handelte sich hierbei um den
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Liturgischen Ausschuss,
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Rechts- und Ordnungsausschuss,
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Finanzausschuss,
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Berichtsausschuss und
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den Ausschuss zwischen Konkordie und Kirche.
Von politischer Bedeutung ist lediglich das Votum des Berichtsausschusses (Mitglieder waren u. a. Prof. Müller, Berlin, OKR Meckel, Berlin, OKR Jungklaus, Berlin, Kirchenpräsident Natho, Dessau, Pfarrer Grüber, Hohenbruch, und Dr. Romberg, Berlin). In diesem von der Synode beschlossenen Votum heißt es u. a.:
»Die Synode sieht in den zehn Prinzipien der Konferenz von Helsinki die historisch bedeutungsvoll wirksam werdende Einheit von Frieden und Menschlichkeit. Sie sieht in der Schlussakte von Helsinki einen guten Ausgangspunkt, die lebensnotwendige Abrüstung im Sinne der Verlautbarungen der Weltkirchenkonferenz von Nairobi voranzutreiben und hofft, dass Christen je an ihrem Platz dazu helfen. Die Synode sieht mit tiefer Besorgnis die Gefährdung von Frieden und Menschlichkeit, die für den afrikanischen Kontinent von der Republik Südafrika ausgeht. Insbesondere erhebt sie ihre Stimme gegen den blutigen Rassenterror der letzten Tage in Soweto bei Johannisburg. Die Synode bittet den Ratsvorsitzenden, einen Brief brüderlicher Solidarität an den leitenden Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche im südlichen Afrika zu schreiben.«
Von perspektivischer kirchenpolitischer Bedeutung ist der Beschluss, der Generalsynode der VELK (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirchen)4 sowie der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR vorzuschlagen, 1978 eine gemeinsame Synodalversammlung unter einer alle evangelischen Kirchen der DDR beschäftigenden Fragestellung zu veranstalten.
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