Touristenreise des CDU-Vorsitzenden Dr. Kohl in die DDR
3. November 1976
Information Nr. 752/76 über eine erneute Touristenreise des Vorsitzenden der CDU der BRD und Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Kohl, in die DDR vom 29. Oktober bis 31. Oktober 1976
Der Antrag von Dr. Kohl auf Einreise in die DDR für die Zeit vom 29. Oktober bis 31. Oktober 1976 wurde bei der Generaldirektion des Reisebüros der DDR gestellt.1
Die Einreise von Dr. Kohl erfolgte am Freitag, dem 29. Oktober 1976, gegen 10.30 Uhr über die Grenzübergangsstelle Wartha mit zwei Pkw. In seiner Begleitung befanden sich seine Ehefrau, seine beiden Söhne, ein Ministerialrat, eine Regierungsangestellte und zwei Kraftfahrer. Er erhielt die Genehmigung zum Mitführen einer Funksendeanlage (Autotelefon). Die von ihm mitgeführte Funksendeanlage (Autotelefon) wurde entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der DDR durch Angehörige der Zollverwaltung der DDR verplombt und erst bei der erfolgten Ausreise wieder zur Benutzung freigegeben.
Ähnlich wie bei seinen vorangegangenen Besuchen der DDR (Oktober/November 1974 und August 1975) galt das Interesse von Dr. Kohl und seiner Familie vorwiegend kulturhistorischen Stätten und Bauwerken in den Bezirken Erfurt, Leipzig und Dresden.
So besuchte er mit seiner Begleitung die Wartburg in Eisenach, die Hofkirche und den Zwinger in Dresden, die Albrechtsburg in Meißen, die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald und die Goethe-Schiller-Gruft in Weimar.
Am 31. Oktober 1976, gegen 17.00 Uhr reisten Dr. Kohl und seine Begleitung über die Grenzübergangsstelle Wartha wieder in die BRD aus.
Besondere Vorkommnisse bei der Ein- und Ausreise gab es nicht. Dr. Kohl und seine Begleitung übernachteten in Leipzig (29./30.10.1976) im Interhotel »Stadt Leipzig« und in Weimar (30./31.10.1976) im Interhotel »Elephant«.
Während des Aufenthaltes von Dr. Kohl in der DDR hielten sich mehrere Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR in seiner Nähe auf. Der Mitarbeiter [Name] der Ständigen BRD-Vertretung bot am 29. Oktober 1976 im Interhotel »Elephant«, Weimar, Dr. Kohl schriftlich auf einer Visitenkarte, die Dr. Kohl von einem Kellner überreicht wurde, seine Unterstützung und seine Dienste an.
Am Morgen des 30. Oktober 1976 nahm – nach vorheriger telefonischer Anmeldung – der in der DDR akkreditierte Korrespondent des ZDF, Tautz-Wiessner, zu Dr. Kohl im Interhotel »Stadt Leipzig« persönlichen Kontakt auf. Beide Personen begaben sich zu Fuß zum Sachsenplatz, wo gegen 11.00 Uhr Tautz-Wiessner mit Dr. Kohl ein kurzes, ca. fünf Minuten dauerndes Interview führte, das gleichzeitig von einer Fernsehgruppe des ZDF aufgenommen wurde. Auf dem Sachsenplatz anwesende Passanten nahmen davon keine Notiz.
Im weiteren Verlaufe seines Aufenthaltes in der DDR wurde Dr. Kohl mehrfach von sich besuchsweise in der DDR aufhaltenden BRD-Bürgern angesprochen und in vier Fällen mit Fotoapparaten oder Filmkameras aufgenommen.
In der Nachtbar des Interhotels »Elephant« in Weimar stellte am 30. Oktober 1976 im Verlaufe des Abends ein BRD-Bürger zu Dr. Kohl persönlichen Kontakt her und bat ihn um ein Autogramm. Dadurch inspiriert, ersuchten weitere acht Personen (BRD-Bürger und DDR-Bürger) Dr. Kohl um Autogramme, die er bereitwillig gab und dazu mitgeführte Fotos seiner Person benutzte. Drei DDR-Bürger führten bei dieser Gelegenheit mit Dr. Kohl einen kurzen Wortwechsel. Unter den DDR-Bürgern, die um ein Autogramm ersuchten, befand sich [Name] (parteilos), Angestellter der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Weimar.
In der Regel wurde Dr. Kohl von den DDR-Bürgern nicht erkannt. Im Interhotel »Elephant« in Weimar machten sich dort als Hotelgäste aufhaltende BRD-Bürger die an ihren Tischen sitzenden DDR-Bürger erst auf die Anwesenheit von Kohl aufmerksam.
Auch im Leipziger Interhotel »Stadt Leipzig« baten einige DDR-Bürger Dr. Kohl um Autogramme, die sie ebenfalls erhielten. Es fanden dabei keine weiteren Gespräche statt.
Durch entsprechende Maßnahmen des MfS wurde die Übergabe eines Briefes durch ein Ehepaar der DDR an Dr. Kohl, in dem um Unterstützung im Zusammenhang mit einer Antragstellung auf Übersiedlung in die BRD ersucht wurde, verhindert.
Durch den Aufenthalt des Dr. Kohl wurde – entgegen den Darstellungen in den westlichen Massenmedien – keinerlei Wirksamkeit auf die Bevölkerung in den einzelnen Aufenthaltsorten erzielt.2
Durch die vom MfS eingeleiteten Maßnahmen stand Dr. Kohl vom Zeitpunkt seiner Einreise bis zu seiner Ausreise ständig unter entsprechender Kontrolle und Absicherung.
Zu den DDR-Bürgern, die Dr. Kohl um Autogramme ersuchten, mit ihm einen kurzen Wortwechsel führten bzw. sich in einem Fall schriftlich an ihn zu wenden versuchten, werden weitere Untersuchungen geführt.