Umsturz eines Sendemastes der Deutschen Post in Burg (Magdeburg)
8. März 1976
Information Nr. 184/76 über die bisherigen Untersuchungsergebnisse im Zusammenhang mit dem Umsturz eines Sendemastes der Deutschen Post im Funkbetriebsteil Burg, [Bezirk] Magdeburg am 18. Februar 1976
Am 18. Februar 1976, gegen 5.45 Uhr stürzte der 350 m hohe Sendemast des Langwellensenders »Wolga« im Funkbetriebsteil Burg/Magdeburg der Deutschen Post um. Es entstand ein Schaden von ca. 4 Mio. Mark.
Die Funktion des zur Übertragung des Sendeprogramms für Angehörige der Sowjetarmee dienenden Sendemastes wurde in der Zeit vom 18. Februar bis 20. Februar 1976 durch den Sender Königs Wusterhausen übernommen. Seit dem 21. Februar 1976 wird das Programm mit unverminderter Sendestärke über einen anderen Sendemast der Funkbetriebsstelle Burg abgestrahlt.
Die vom MfS gemeinsam mit dem Ministerium für Post- und Fernmeldewesen sowie dem Zentralen Mess- und Prüflabor der Technischen Überwachung Halle zur Aufklärung der Ursachen eingeleiteten Untersuchungen ergaben:
Als Ursache des Umsturzes des Sendemastes stellten die Experten das Abreißen des Kopfes vom Gestängebolzen des Isolators 5 des südlichen oberen Abspannseiles fest. Der Isolator 5 befand sich im oberen Teil des Abspannseiles in ca. 250 m Höhe.
Die Abspannung des Sendemastes erfolgt durch jeweils drei Spannseile in den Höhenlagen 67,50 m, 146 m, 236 m und 326 m an den Eckstielen des Mastes. Zum Zweck der Isolation des Mastes zur Erde sind in den Spannseilen mehrere keramische Isolatoren eingebaut. (Das havarierte Spannseil war durch neun Isolatoren abgesichert.) Die Verbindung zwischen dem Isolatorkörper und dem Spannseil wird durch neun 60 mm starke Gestängebolzen hergestellt.
Beim Abriss des Gestängebolzenkopfes wird der Gestängebolzen aus dem Isolator gezogen, was eine Trennung des Spannseiles zur Folge hat und zu einer einseitigen Überlastung der Mastspitze durch die Zugwirkung der beiden anderen Seile führt. Die Experten errechneten eine anstehende Zugkraft von ca. 9 t, die, begünstigt durch zum Zeitpunkt der Havarie herrschende Windgeschwindigkeiten und die im oberen Teil des Sendemastes vorhandene Eislast, zum Umsturz des Mastes führte.
Durch Werkstoffuntersuchungen konnte an der Bruchstelle des Gestängebolzens die Ausbildung eines Dauerbruches über eine Fläche von 55 bis 60 Prozent des Bolzenquerschnittes nachgewiesen werden. Inwieweit die Ausbildung des Dauerbruches auf konstruktive Mängel, Bearbeitungs- oder Materialfehler zurückzuführen ist, wird im Rahmen weiterer Untersuchungen geklärt.
Nach Angaben der Experten der Deutschen Post, Staatliche Bauaufsicht, entspricht der Sendemast in seinen konstruktiven Teilen, seiner statischen Berechnung und sicherheitsmäßigen Ausführung den gesetzlichen Bestimmungen der DDR. (Der Sendemast wurde von dem ČSSR-Betrieb Hutni Montaźé, Ostrava 4, projektgerecht errichtet, am 16. September 1968 an die Deutsche Post übergeben und Anfang 1969 in Betrieb genommen.)
Wie die Untersuchungen weiter ergaben, befindet sich die havarierte Sendemastanlage in einem von der DVP ständig bewachten umzäunten Gelände.
Entsprechend den geltenden Bestimmungen für das Betreten von Sendeeinrichtungen der Deutschen Post haben zu der Sendeanlage Burg keine unbefugten Personen Zutritt.
Aufgrund der vorliegenden umfangreichen Untersuchungsergebnisse im Zusammenhang mit der Havarie und bereits vorhandenen vorläufigen Erkenntnissen aus technischen Expertisen schließen die Experten ein gewaltsames Einwirken von außen auf die Sendemastanlage aus.
Einzelne, im Rahmen von Pflege- und Wartungsarbeiten festgestellte Mängel, die nicht ursächlich im Zusammenhang mit dem Umsturz der Sendeanlage stehen, wie Haarrisse an einzelnen Isolatoren der Abspannseile, Korrosionserscheinungen, Längsriss an einer Querstrebe des Gittermastes, abgebrochene einzelne Schutzringe der Steigleiter im Sendemast, veranlassten die Deutsche Post, vom Montagebetrieb der ČSSR eine Generalreparatur für das Jahr 1974 zu fordern.
Da jedoch keine vertraglichen Vereinbarungen über die Ausführung von Generalreparaturarbeiten bei der Abnahme des Sendemastes mit der ČSSR-Seite vereinbart wurden, konnte bisher auch noch keine Einigung über den Zeitpunkt der Generalreparatur herbeigeführt werden.