Vorbereitung des 2. Tanzmusikfests der Jugend in Apolda
24. August 1976
Vorbereitung eines sogenannten »2. Tanzmusikfestes der Jugend« des Kreises Apolda/Erfurt ohne Absprache mit den zuständigen Organen der Partei und des Staatsapparates [Bericht O/27]
Auf Initiative des Clubrates des Jugendclubhauses Apolda wurde angeregt, am 28./29. August 1976 ein »2. Tanzmusikfest der Jugend« des Kreises Apolda durchzuführen. Diese Veranstaltung sollte »einen Einblick in den Entwicklungsstand der Tanzmusikgruppen der DDR« geben.
Dieser Vorschlag wurde von der FDJ-Kreisleitung Apolda bestätigt, ohne den 1. Kreissekretär der SED, den Vorsitzenden des Rates des Kreises und die für Sicherheit und Ordnung zuständigen staatlichen Organe darüber zu informieren. Dem Rat des Kreises wurde lediglich die »Schirmherrschaft« angetragen.
Durch die FDJ-Kreisleitung Apolda wurde in Zusammenarbeit mit der Abteilung Kultur des Rates des Kreises bzw. der Stadt Apolda für den Verlauf des 2. Tanzmusikfestes eine entsprechende Konzeption erarbeitet. Auch diese Konzeption wurde weder dem 1. Kreissekretär der SED noch dem Vorsitzenden des Rates des Kreises vorgelegt. Auch mit den Sicherheitsorganen erfolgten keine konkreten Abstimmungen. In mehreren Gesprächen (letztmalig am 10.8.1976) wurden von den genannten Abteilungen Kultur lediglich Sachfragen (u. a. die polizeiliche Genehmigung) mit dem Leiter des VPKA Apolda geklärt.
Die Werbekampagne für das Tanzmusikfest erfolgte im Wesentlichen durch Plakate und Handzettel (z. B. 500 Plakate im Bezirk Erfurt sowie in den angrenzenden Bezirken Halle und Gera, Verteilung von Handzetteln anlässlich des Schleizer Dreiecksrennens am 6./8.8.1976), auf denen die Auftritte solcher Beat-Formationen wie:
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»Lift« – Dresden
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»Karat« – Berlin
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»Modern-Soul Band« – Berlin
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»Kerth« – Erfurt
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»GRH-Projekt« – Leipzig
und verschiedener Gruppen aus dem Bezirk Erfurt angekündigt wurden.1
In diesem Zusammenhang ist weiter bemerkenswert, dass die Veranstalter auch die staatlichen Organe auf Bezirksebene nicht in Kenntnis setzten. (Infolge rowdyhafter Ausschreitungen beim 3. Burgfest der modernen Musik auf Burg Gleichen/Kreis Gotha am 28./29.6.1975 war durch den Rat des Bezirkes Erfurt schlussfolgernd festgelegt worden, Veranstaltungen größeren Ausmaßes, bei denen die Teilnahme sogenannter Tramper2 und dekadenter Jugendlicher aus anderen Bezirken zu erwarten ist, grundsätzlich unter Regie der Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes durchzuführen.)
Aufgrund der geschilderten Sachlage wurde die geplante Veranstaltung – nach vorausgehender Beratung zwischen dem Sekretariat der Bezirksleitung der SED Erfurt, Mitarbeitern des Rates des Bezirkes Erfurt, Mitarbeitern der Kreisleitungen der SED und der FDJ des Kreises Apolda sowie Mitarbeitern des Rates des Kreises bzw. der Stadt Apolda am 20. August 1976 – aus »technischen Gründen« abgesagt. So finden am 28./29. August 1976 lediglich die üblichen Jugendtanzveranstaltungen statt.
Durch die staatlichen Organe des Bezirkes Erfurt sind im engen Zusammenwirken mit den verantwortlichen gesellschaftlichen Organisationen Maßnahmen eingeleitet worden, um mögliche negative Aktivitäten im Zusammenhang mit der Absetzung dieser Veranstaltung vorbeugend aufzuklären und zu unterbinden.
(Reaktionen nach Absage der Veranstaltung:
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2. Kreissekretär FDJ-Kreisleitung: »Ich bin froh darüber, denn ich habe noch die Krawalle in der Heressenerpromenade in Erinnerung; jetzt wäre es eventuell noch schlimmer gekommen.«
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Leiterin des Jugendclubhauses Apolda: »Lieber ein paar tausend Mark Vertragsstrafe zahlen, als Ärger mit den Jugendlichen.«
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Jugendliche anlässlich eines Jugendtanzabends im Clubhaus: »Die Staatsorgane haben Angst, dass es zu Auseinandersetzungen kommt.« – »Wenn die richtigen Tramper ankommen und mitkriegen, dass nichts los ist, schlagen sie alles zusammen.«)