Westmedien zur Selbsttötung des Phytopathologen K. Schmelzer
6. September 1976
Information Nr. 622/76 über die im Zusammenhang mit der Selbsttötung des Dr. K. Schmelzer, Abteilungsleiter am Institut für Phytopathologie Aschersleben/Halle in der BRD-Presse erfolgte falsche Darstellung
Wie aus einem unter dem Titel »DDR-Forscher warf sich vor den Zug« erschienenen Artikel in der BRD-Zeitung »Bild« vom 2. September 1976 zu entnehmen ist, habe der DDR-Forscher Dr. Schmelzer aus »Protest gegen die Anti-Kirchen-Kampagne der Kommunisten« Selbstmord begangen.
Wie es in dem vorgenannten Zeitungsartikel u. a. weiter heißt, habe Genannter
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den Mut, sich mit dem kommunistischen Regime auseinanderzusetzen und seinen Glauben an Gott aufrechterhalten,
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keine Ausreisegenehmigungen zur Teilnahme an Kongressen erhalten und die Professur, obwohl er habilitierte, nicht bekommen und wurde nicht zum Leiter des Institutes befördert.
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Auch die Tochter hätte trotz hervorragender Leistungen nicht studieren dürfen.
Dem MfS liegen dazu folgende Hinweise vor:
Am 28. Mai 1976, gegen 11.00 Uhr warf sich der Dr. Klaus Schmelzer, geboren am [Tag] 1928, wohnhaft gewesen: Aschersleben, [Adresse], beschäftigt gewesen: Institut für Phytopathologie Aschersleben der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR, Abteilungsleiter, unter einen fahrenden Güterzug und wurde dabei sofort getötet.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Die religiösen Bindungen des Schmelzers sind nach den vorliegenden Überprüfungsergebnissen nicht motivbildend für seine Selbsttötung gewesen.
Wie weiter festgestellt wurde, hatte Dr. Schmelzer letztmalig im Jahr 1963 eine Reise in das nichtsozialistische Ausland durchgeführt. (In den letzten Jahren wurden solche Reisen verhindert.) Im April 1976 äußerte er u. a. auch, keinen Wert auf diesbezügliche Reisen zu legen, da bei diesen Gelegenheiten immer politisch diskutiert werde und auch nach dem Abschluss viele Berichte geschrieben werden müssten.
Dr. Schmelzer unterhielt jedoch eine Reihe von Kontakten in die USA (Dr. Tolin), zu Dr. Hollin, Gewächshausinstitut in Little Hampton, Großbritannien, und insbesondere auch zu Wissenschaftlern der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig/BRD und deren Außenstelle in Berlin (West)-Dahlem.
Eine Ernennung Dr. Schmelzers zum Direktor des Institutes für Phytopathologie wurde in der Vergangenheit überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Ein im Jahr 1969 vom ehemaligen Institutsdirektor (Prof. Klinkowski) unterbreiteter Vorschlag zur Professur Schmelzers wurde von der Parteileitung des Institutes als verfrüht abgelehnt und danach nicht mehr wiederholt.
Die Tochter Schmelzers schloss die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule mit Auszeichnung ab und begann am 1. September 1976 eine Berufsausbildung mit Abitur. Der von der Familie Schmelzer gestellte Antrag, die Tochter zum Besuch der Erweiterten Oberschule zuzulassen, wurde – wie bei anderen Schülerinnen auch – aus Kapazitätsgründen abgelehnt.1
Seit Ende August 1976 versuchten die Wissenschaftler Prof. Löbl (Wien/Österreich) und Dr. Banger (Schweden) von Hamburg/BRD aus, telefonischen Kontakt zu Dr. Schmelzer bzw. dessen Ehefrau über das Institut für Phytopathologie herzustellen.
Weiter versuchte der in der DDR akkreditierte DPA-Korrespondent [Name] vom Institut für Phytopathologie Auskünfte über Dr. Schmelzer zu erhalten. Zwischenzeitlich wurde von DPA intern eingeschätzt, dass es nicht zweckmäßig ist, die Sache weiter zu verfolgen, da die Motive für die Selbsttötung offenkundig im beruflichen Bereich liegen.