Wort der evangelischen Bischöfe zum Jahreswechsel
23. Dezember 1976
Information Nr. 896/76 über das »Wort der Bischöfe und leitenden Geistlichen der evangelischen Kirchen in der DDR zum Jahreswechsel«
Dem MfS wurde bekannt, dass der am 15. Dezember 1976 in Berlin tagende Bischofskonvent ein seelsorgerisches »Wort zum Jahreswechsel« beschlossen hat. Das »Wort« soll in der ersten Ausgabe »Evangelische Sonntagsblätter« 1977 veröffentlicht werden. Den evangelischen Geistlichen wurde freigestellt, es in den Silvester- und Neujahrsgottesdiensten zu verwenden.
Unterschrieben ist das »Wort zum Jahreswechsel«, das in der Anlage abschriftlich beigefügt wird, von Bischof Braecklein, Eisenach; Bischof Hempel, Dresden; Bischof Schönherr, Berlin; Bischof Gienke, Greifswald; Bischof Krusche, Magdeburg; Bischof Rathke, Schwerin; Kirchenpräsident Natho, Dessau; Oberkonsistorialrat Juergensohn, Görlitz (für den erkrankten Bischof Fränkel); Unitätsdirektor Hickel, Herrnhut; Bischof Härtel, Dresden, Ev[angelisch]-methodistische Kirche in der DDR und Präsident Morèt, Berlin, Bund Ev[angelisch]-freikirchlicher Gemeinden in der DDR.
Die Information ist zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 896/76
»Wort zum Jahreswechsel«
»Zum Jahreswechsel grüßen wir alle, die verantwortlich in unseren Kirchen und Gemeinden mitarbeiten. Die Jahreslosung 1977 möchte uns aufs Neue der großen Freude gewiss machen: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
Wer Christus kennt, dem sind unermessliche Schätze anvertraut.
Wer diese Schätze weiterzugeben hat, braucht nichts Unmodernes unter Preis loszuschlagen, tritt nicht in Konkurrenz mit denen, die Freizeitartikel feilhalten, täuscht die Leute mit ihren Fragen und Sorgen nicht durch Verdrängung oder Vertröstung. Jesus Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben berechtigt und erfüllt die tiefsten Weisheiten der Menschheit.
Freilich, diese Schätze sind verborgen. Die Wahrheit Jesu Christi liegt nicht auf der Straße, sie lässt sich weder aus- noch nachrechnen. Was bis zum letzten Grund reicht, kann man nicht ergründen. Darum halten uns viele Menschen nicht für kompetent, mit ihnen über das wahre Leben zu reden.
Darunter leiden wir. Aber das war schon immer so, es gehört zu dem Kreuz, das Christus getragen hat und was wir ihm nachtragen.
Kompetenz kann man nicht erzwingen. Nicht Zeichenforderungen zu erfüllen, sondern Zeugnisdienst zu tun, sind wir gerufen. Was die Menschen von uns mit Recht erwarten können, ist das Wort von uns, das alle Schätze in sich birgt. Wir haben diese Schätze auszulegen. Wir haben von ihnen zu reden durch ein ganzes Leben, in der Sprache des Mundes und der Hände. Unsere Zeit macht es nicht billiger. Wirklichkeit lässt sich nur durch Wirklichkeit wiedergeben. Lasst uns in dieser lauten und aufgeregten Zeit durch ein Leben in unverwüstlicher Treue und hoffnungsvoller Geduld für ihn einstehen, so werden sich uns und durch uns gewiss vielen anderen die Schätze Jesu Christi erschließen.
Die Bischöfe und leitenden Geistlichen der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik.«