Aktivitäten der Korrespondenten Tautz-Wiessner und Pragal
22. Februar 1977
Information Nr. 112/77 über Aktivitäten der ständig in der DDR akkreditierten BRD-Korrespondenten Tautz-Wiessner (ZDF) und Pragal (»Süddeutsche Zeitung«), die eine Verletzung bzw. den Versuch einer Umgehung der Bestimmungen der Verordnung über die Tätigkeit von Publikationsorganen anderer Staaten und deren Korrespondenten in der DDR vom 21.2.1973 darstellen
Am 16.2.1977, gegen 16.00 Uhr, wandte sich der in der DDR akkreditierte Korrespondent des ZDF, Tautz-Wiessner, an das MfAA, Abteilung Journalistische Beziehungen, und teilte mit, dass er mit seinem Kamerateam vom 16.2.1977 bis 17.2.1977 zu Dreharbeiten in den Raum Gera fährt. Sein Team werde bereits am 16.2.1977 und er selbst am 17.2.1977 reisen. (Wie bekannt wurde, erfolgten die Zimmerbestellungen im Interhotel Gera bereits am 14.2.1977.) An diesem Vorhaben beteiligte sich auch der in der DDR akkreditierte Korrespondent der »Süddeutschen Zeitung«, Pragal. Dem MfAA machte er darüber keine Mitteilung.
Nach den vorliegenden Hinweisen hielten sich Tautz-Wiessner und Pragal sowie drei Kameraleute des ZDF am 17.2.1977 zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr in der Gemeinde Bergisdorf, Kreis Zeitz, Bezirk Halle, auf. Sie führten mit dem Bürgermeister der Gemeinde ein Gespräch und versuchten, über die Umstände des Todes eines ehemaligen Angehörigen der faschistischen Wehrmacht, dessen Witwe in der BRD lebt, Informationen zu erhalten. Der Bürgermeister lehnte jegliche Auskunftserteilung ab. (Bereits am 5. und 6.1.1977 versuchten die Kameraleute des ZDF, [Name 1] und [Name 2], in Bergisdorf in der gleichen Sache Recherchen durchzuführen, wozu vom MfAA keine Genehmigung vorlag.)
Am 17.2.1977, gegen 11.50 Uhr, trafen Tautz-Wiessner und Pragal sowie die Kameraleute des ZDF mit zwei Pkw in Droßdorf-Rippicha, Kreis Zeitz, Bezirk Halle, ein. Tautz-Wiessner und Pragal begaben sich in das dortige Pfarrhaus und führten ein Interview mit der Ehefrau und Tochter des durch Selbsttötung am 18.8.1976 verstorbenen Pfarrers Brüsewitz.1 Während dieser Zeit wurden von den Kameraleuten Filmaufnahmen gefertigt. Als Filmobjekte wurden festgestellt:
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Der von Brüsewitz errichtete Kinderspielplatz,
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das Fußballspiel-Kleinfeld und die dort angebrachten Plakate mit kirchlichen Losungen,
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die Kirche und der Friedhof,
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die gesamte Ortslage von Rippicha.
Die Filmaufnahmen erfolgten teilweise mit mobiler und teils mit auf Stativ befestigter Kamera. Gegen 14.00 Uhr verließen Tautz-Wiessner, Pragal und das Kamerateam den Ort.
Am 18.2.1977, gegen 11.00 Uhr, setzte sich Pragal telefonisch mit dem MfAA, Abteilung Journalistische Beziehungen, in Verbindung und teilte mit, dass er am 17.2.1977 im Kreis Zeitz gewesen sei und mit Frau Brüsewitz gesprochen habe. Ursprünglich hätte er diese Absicht nicht gehabt, sich jedoch kurzfristig entschlossen, das ZDF-Team zu begleiten. Er bitte darum, dies »nachträglich« zur Kenntnis zu nehmen.
Am 19.2.1977 erschien in der »Süddeutschen Zeitung« ein Artikel von Pragal, in dem er unter der Überschrift »Lage der DDR-Christen verbessert« über das Gespräch mit Frau Brüsewitz berichtet.2 Pragal schreibt u. a., dass Frau Brüsewitz mitgeteilt habe, dass ihr »zahlreiche Beweise der Sympathie und Anteilnahme für die Tat ihres Mannes« aus allen Schichten der DDR-Bevölkerung zugingen. Kirchliche Kreise hätten immer wieder versichert, dass sie »vom Zeugnis ihres Mannes aufgerüttelt worden seien und beschlossen hätten, künftig mutiger zu bekennen«.
Das Verhalten und die Handlungsweise der Korrespondenten Tautz-Wiessner und Pragal im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten im Fall Brüsewitz stellen einen eindeutigen Verstoß gegen § 4 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Tätigkeit von Publikationsorganen anderer Staaten und deren Korrespondenten in der DDR vom 21.2.1973 dar.3 Pragal hat entgegen seiner Pflicht, das MfAA über Reisen außerhalb der Hauptstadt der DDR vorher zu informieren, eine Fahrt in den Kreis Zeitz unternommen und ist dort widerrechtlich journalistisch tätig geworden. Von Tautz-Wiessner wurde der Versuch unternommen, das MfAA über das Ziel seiner Reise zu täuschen, indem er den Raum Gera als Ziel seiner journalistischen Tätigkeit angab, tatsächlich aber im Kreis Zeitz, Bezirk Halle, journalistische Vorhaben realisierte.
Es wird vorgeschlagen, beide Korrespondenten erneut nachdrücklich darauf hinzuweisen, die Verordnung vom 21.2.1973 strikt einzuhalten. Des Weiteren sollte insbesondere Tautz-Wiessner ermahnt werden, im Interesse seiner weiteren journalistischen Tätigkeit in der DDR von einer Publizierung der in Droßdorf-Rippicha gefertigten Filmaufnahmen sowie des Interviews mit der Frau Brüsewitz in westlichen Massenmedien Abstand zu nehmen.