Aktivitäten der Lektorin des Luchterhand-Verlags Ingrid Krüger
24. Januar 1977
Information Nr. 59/77 über einige Zusammenhänge mit der Tätigkeit der Ingrid Krüger, Journalistin und Lektorin beim Luchterhand-Verlag
Gegen die Krüger, Ingrid, geb. am [Tag] 1937 in Erfurt, wohnhaft: Idstein, BRD, und Westberlin, tätig als Lektorin beim Luchterhand-Verlag Darmstadt/Westberlin, und als Redakteur für Kultur bei der BRD-Zeitschrift »konkret«,1 wurde seitens der DDR-Organe eine Einreisesperre für die DDR zur Unterbindung ihrer feindlich-negativen Aktivitäten auf dem Territorium der DDR und wegen ihrer organisierenden und unterstützenden Tätigkeit für Wolf Biermann eingeleitet.
Beim Versuch, am 5.1.1977 in die Hauptstadt einzureisen, wurde die Krüger zurückgewiesen. Der Leiter des Luchterhand-Verlages, Dr. Hans Altenhein,2 wandte sich daraufhin am 7.1.1977 fernschriftlich an den Leiter des Aufbau Verlages Berlin und forderte eine Überprüfung und Klärung der Maßnahme. Dr. Altenhein verweist in diesem Schreiben vordergründig auf angeblich notwendige Gespräche der Krüger u. a. mit Anna Seghers, Hermann Kant und Christa Wolf, unterlässt jedoch eine Erwähnung der Aktivitäten der Krüger im Zusammenhang mit Wolf Biermann.
Zur Person der Krüger ist u. a. bekannt, dass sie 1957 ungesetzlich die DDR verließ, nachdem sie in Erfurt das Abitur abgelegt hatte. Nach einem Studium in Hamburg war sie als Volontärin beim »Springer«-Verlag Hamburg und anschließend als Verlagsmitarbeiterin im Klaus-Wagenbach-Verlag Westberlin bis 1973 beschäftigt. Seitdem ist sie als Lektorin im Luchterhand-Verlag Darmstadt/Westberlin tätig. Ihre Mitarbeit in der Zeitschrift »konkret« datiert nach ihren eigenen Angaben von Ende 1974.
Zur Tätigkeit der Krüger auf dem Territorium der DDR ist u. a. bekannt, dass sie bis zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR für Biermann zu diesem engen Kontakt unterhielt und sich persönlich dafür einsetzte, dass seine »Werke« im großen Umfang im westlichen Ausland publiziert wurden.
Außer zu Biermann unterhielt sie umfangreiche Verbindungen zu weiteren feindlich-negativen Kräften, insbesondere in Schriftstellerkreisen der DDR, und zum Umgangskreis des Biermann.
Es liegen Hinweise vor, dass sie bei ihren häufigen Einreisen in die DDR auf Visum zum Tagesaufenthalt (allein 1976 neununddreißig – 39 – Mal) Gesetze der DDR (z. B. geltende Einfuhrbestimmungen) verletzte.
Beispielhaft werden folgende Aktivitäten der Krüger genannt:
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Nachdem es 1973 infolge von Auseinandersetzungen zum Bruch der Beziehungen zwischen Biermann und Klaus Wagenbach, Westberlin, gekommen war,3 kündigte die Krüger ihre Tätigkeit beim Wagenbach-Verlag und nahm eine Arbeit als Lektorin im Luchterhand-Verlag auf, um ungehindert die Interessen des Biermann weiter vertreten zu können. In der Folgezeit führte die Krüger dem Biermann mehrere Journalisten aus der BRD und anderen Ländern zu und betätigte sich hierbei aktiv an den mit Biermann geführten Gesprächen und Interviews in dessen Wohnung.
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Im Jahre 1974 informierte sie Biermann persönlich über die Verleihung des »Jaques-Offenbach-Preises« der Stadt Köln4 und 1975 über die Zuerkennung des Preises »Künstler des Jahres«, verliehen von der »Deutschen Schallplattenindustrie«,5 der im Auftrage Biermanns von dem Vertreter der Schallplattenfirma CBS (USA) Rudy Wolpert entgegengenommen wurde.
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Es ist weiter bekannt, dass die Krüger 1974/75 eine Vermittlerrolle zwischen dem Mitinhaber des Verlages Kiepenheuer & Witsch, Köln, Dr. Reinhold Neven DuMont, geb. am 12.11.1936, und Biermann spielte, in dessen Ergebnis vom vorgenannten Verlag mit Biermann ein Vorvertrag über die Veröffentlichung seiner »Arbeiten« abgeschlossen wurde. Die Krüger beriet Biermann dabei zugleich in rechtlichen und Verlagsfragen.
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Im Januar 1976 wurde bekannt, dass die Krüger illegal hochwertiges Tonbandmaterial für Biermann in die Hauptstadt der DDR einführte, um ihm damit Voraussetzungen für eine bessere Qualität seiner Tonaufnahmen zu schaffen. Gleichzeitig führte sie Biermann persönlich mehrere Personen aus Westberlin zu, die ihn bei Tonaufnahmen seiner »Werke« unterstützten.
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Weiter wurde bekannt, dass Ingrid Krüger für Biermann über den BRD-Musiker Udo Lindenberg aus der Schweiz ein neues 4-spuriges Tonbandgerät für 3 500 Westmark besorgte und illegal in die DDR einführte. Darüber hinaus ließ Biermann über die Krüger einen Kassettenrekorder für die Schauspielerin Eva-Maria Hagen im Werte von 900 Westmark beschaffen und illegal einführen.
Nach der Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR für Biermann verstärkte die Krüger ihre Aktivitäten zur Kontaktfestigung und -herstellung besonders zu solchen Schriftstellern und Kräften in der DDR, die durch feindlich-negative Haltungen in Erscheinung getreten waren. Solche Kräfte wurden von ihr zu zum Teil längeren »Beratungen« aufgesucht, die im Zusammenhang mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR für Biermann6 eine feindlich-negative Rolle spielten. Sie verschaffte sich dabei gezielt Kenntnis über Vorhaben einzelner Schriftsteller und Verlage in der DDR, offensichtlich auch unter dem Gesichtspunkt, welche Arbeiten in der DDR zur Veröffentlichung abgelehnt werden.
Nach internen zuverlässigen Hinweisen hat die Krüger in ihrem Notizbuch die Anschriften und Telefonnummern von ca. 30 Schriftstellern, Kunst- und Kulturschaffenden der DDR – vorwiegend »Unterzeichner der Protestresolution« – vermerkt, zu denen sie Kontakte unterhält.
Die Kontakte hatten einen derartigen Charakter angenommen, dass sie den Jahreswechsel 1976/77 bei Kulturschaffenden in der DDR verbrachte.
Im Auftrag der Leitung des Luchterhand-Verlages wickelt die Krüger technisch-organisatorische Aufgaben mit dem Aufbau Verlag und dem Verlag Volk und Welt in der Hauptstadt der DDR ab. Zu selbstständigen Verhandlungen, Entscheidungen oder Vertragsabschlüssen ist sie nicht berechtigt, da diese nur durch die Leiter der DDR-Verlage und des Luchterhand-Verlages bzw. durch die Vertragsstellen der genannten Verlage getroffen werden. Daraus resultiert auch die Einschätzung der Leiter dieser DDR-Verlage, dass die Krüger zur Aufrechterhaltung der kommerziellen Verbindungen zum Luchterhand-Verlag nicht notwendig ist. Die durch sie in der Vergangenheit erledigten Aufgaben können über die Genannten auch direkt abgewickelt werden.
Die Einreisen der Krüger in die DDR und die Hauptstadt stehen in keinem Verhältnis zu den durch sie für den Luchterhand-Verlag zu erledigenden Aufgaben. Sie führte lediglich einige Vorverhandlungen mit den Schriftstellern Hermann Kant, Christa Wolf, Irmtraud Morgner und Rolf Schneider über seitens des Luchterhand-Verlages beabsichtigte Veröffentlichungen. Da die erforderlichen Lizenzen dazu vom Aufbau Verlag vergeben werden, ist ihre Vermittlerrolle nicht erforderlich.
Zu beachten ist jedoch, dass Anna Seghers aufgrund eines Generalvertrages ihre Rechte direkt an den Luchterhand-Verlag gibt und deshalb auf einen Partner dieses Verlages angewiesen ist. Da Luchterhand gegenwärtig eine Neuauflage ihres Gesamtwerkes vorbereitet, kam es in der letzten Zeit häufiger zu Kontakten zwischen der Krüger und Anna Seghers.
Es wird empfohlen, seitens des Aufbau Verlages dem Leiter des Luchterhand-Verlages, Dr. Hans Altenhein, mitzuteilen, dass die DDR-Verlage nicht an einer Zusammenarbeit mit der Ingrid Krüger interessiert sind, da sie ihre Aufgaben als Verlagsmitarbeiterin ständig zu rechtswidrigen Aktivitäten gegen die DDR missbraucht hat.
Dem Luchterhand-Verlag sollte weiter mitgeteilt werden, im Interesse einer weiteren guten Zusammenarbeit einen neuen Verhandlungspartner zu benennen mit dem Hinweis, dass dieser künftig nur die ihm obliegenden Aufgaben wahrzunehmen hat und sich strikt an die Rechtsvorschriften der DDR hält.