Ausschreitungen von Fußballfans beim Spiel 1. FC Union Berlin – HFC Chemie
17. Oktober 1977
Information Nr. 637/77 über erneutes gesellschaftsgefährliches Verhalten negativ-dekadenter Jugendlicher im Zusammenhang mit dem Oberliga-Punktspiel des 1. FC Union Berlin gegen den Halleschen Fußballclub Chemie am 15.10.1977
Wie bereits anlässlich anderer Spiele der Oberliga-Fußballmannschaft des 1. FC Union Berlin (Information Nr. 599/77 vom 10.10.1977) kam es auch im Zusammenhang mit dem Punktspiel gegen den HFC Chemie am 15.10.1977 erneut zu einer Reihe gesellschaftsgefährlicher Vorkommnisse, in deren Verlauf durch die Sicherheitsorgane insgesamt 58 Personen zugeführt werden mussten. Davon sind 24 Personen in Berlin, 26 im Bezirk Potsdam sowie fünf in Halle und drei in Frankfurt/O. wohnhaft.
Im Ergebnis der Untersuchungen wurden wegen begangener Straftaten und Ordnungswidrigkeiten insgesamt
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5 Ermittlungsverfahren gemäß § 220 StGB (Öffentliche Herabwürdigung)1 mit Haft eingeleitet,
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17 Ordnungsstrafverfahren durchgeführt,
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14 Verwarnungen mit Ordnungsgeld ausgesprochen und
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22 Belehrungen erteilt.
Ermittlungsverfahren wurden gegen einen 15- und einen 18-jährigen Jugendlichen aus Berlin eingeleitet, die während des Fußballspiels im Stadion »Alte Försterei«, unter erheblichem Alkoholeinfluss stehend, lautstark Lieder faschistischen Inhalts gegrölt hatten. Nach der Melodie des Schlagers »Schmidtchen Schleicher …« sangen sie den Text: »Oh, Adolf Hitler mit den elastischen Beinen, | wie er gefährlich durch die Frontlinien schleichen kann« und »Oh, Hitler mit den elastischen Beinen, | er hat ’ne Bombe in der Hand, | die Russen werden ihren Kreml nie wiederseh’n.«2 Des Weiteren schrien sie, auf den Schiedsrichter bezogen, antisemitische Hetzparolen, wie »Judenbalg« und »Der schwarze Mann, das Judenschwein, wird wieder fröhlich sein«.
Drei weitere Personen, gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, grölten während des Fußballspiels im Stadion erneut solche Texte, wie sie in der Information Nr. 599/77 vom 10.10.1977 als für den negativ-dekadenten Anhang des 1. FC Union Berlin typisch dargestellt wurden.
Auf dem Gelände des S-Bahnhofes Berlin-Karlshorst grölte ein Schüler einer 9. Klasse im Sprechchor mit gleichaltrigen Jugendlichen u. a. folgende, gegen Angehörige der Sicherheitsorgane gerichtete Texte: »Schlagt die Bullen tot« und »Siehst du einen Bullen liegen, dann blas’ ihn auf und lass’ ihn liegen.«
Diejenigen Jugendlichen, gegen die Ordnungsstrafverfahren eingeleitet sowie andere Erziehungsmaßnahmen verfügt werden mussten, sind durch hinlänglich bekannte rowdyhafte und die Ordnung und Sicherheit beeinträchtigende Handlungen in Erscheinung getreten. Dabei handelt es sich insbesondere um Gefährdung der Verkehrssicherheit und Ordnung im S-Bahnbereich im Zusammenhang mit der An- und Rückfahrt zum genannten Fußballspiel und Belästigung unbeteiligter Bürger in der Öffentlichkeit.
Nach bisherigen Feststellungen ist der überwiegende Teil der in diesem Zusammenhang zugeführten und darüber hinaus bekannt gewordenen Jugendlichen demjenigen Personenkreis zuzuordnen, der unter der Flagge begeisterter Anhänger des 1. FC Union Berlin zu sein, gegen die Ordnung und Sicherheit gerichtete Handlungen begeht bzw. androht. Außerdem standen fast alle Personen unter erheblichem Alkoholeinfluss.
Durch die umfangreichen vorbeugenden Maßnahmen der gesellschaftlichen Kräfte und der Sicherheitsorgane konnte erreicht werden, dass sich der größte Teil negativ-dekadenter Personen aus dem Anhang des 1. FC Union Berlin während des Fußballspiels zurückhaltend verhielt. Ordnungswidrigkeiten traten hauptsächlich außerhalb des Stadions – beim An- und Abmarsch dieser Personen – auf. Dabei erfolgte auch die Mehrzahl der Zuführungen.