Besuch des Kölner Kardinals Höffner bei Kardinal Bengsch (2)
28. Januar 1977
Information Nr. 61/77 über den Ablauf des Besuchs des Vorsitzenden der westdeutschen katholischen »Deutschen Bischofskonferenz«, Kardinal Höffner, beim Vorsitzenden der »Berliner Bischofskonferenz«, Kardinal Bengsch
Kardinal Höffner/BRD besuchte in der Zeit vom 8. bis 10.1.1977 Kardinal Bengsch auf dessen persönliche Einladung. Der Besuch lief zwanglos, überwiegend auf persönlicher Grundlage und ohne Protokoll ab.
Zum Ablauf des Besuchs wurde u. a. bekannt:
Am 8.1.1977 fanden mehrstündige persönliche Gespräche zwischen Höffner und Bengsch statt. Es folgte ein gemeinsamer Besuch des katholischen Bildungsheimes in Altbuchhorst, in dem zu diesem Zeitpunkt drei Gruppen katholischer Laien religiöse Zusammenkünfte durchführten. Mit ihnen und mit katholischen Akademikern führte Kardinal Höffner zwanglose Gespräche über die Möglichkeiten ihrer religiösen Betätigung.
Am 9.1.1977, 6.00 Uhr, besuchte Höffner die Frühmesse in der Kapelle des St. Hedwig-Krankenhauses und fuhr anschließend in Begleitung von Prälat Dissemond und Ordinariatsrat Lange nach Dresden, wo er Bischof Schaffran einen kurzen Besuch abstattete. Nach der Besichtigung der Dresdener Hofkirche, einem Spaziergang im Gelände des Zwingers und gemeinsamem Mittagessen fuhr Höffner in Begleitung von Dissemond und Lange nach Erfurt weiter. In Erfurt führte Höffner interne Gespräche mit Bischof Aufderbeck, Generalvikar Uthe und Bischofsvikar Hömer. Dabei soll sich Höffner hauptsächlich für Fragen hinsichtlich der Möglichkeiten der Religionsausübung interessiert haben. Anschließend besuchte er das Priesterseminar Erfurt und unterhielt sich mit katholischen Akademikern. Nach dem Besuch der Frühmesse am 10.1.1977 im Priesterseminar Erfurt trat Höffner mit seiner Begleitung die Rückreise nach Berlin an und wurde durch Kardinal Bengsch im Westberliner Caritasverband ohne besonderes Zeremoniell verabschiedet. Höffner verließ Westberlin in den frühen Abendstunden des 10.1.1977.
Wie intern bekannt wurde, kam der leitende katholische Klerus in der DDR nach dem Besuch von Höffner zu folgender Einschätzung:
Bisher sei davon ausgegangen worden, dass die Nachfolge Höffners für Döpfner nur als Übergangslösung zu betrachten sei.1 In dieser Beziehung beginne aber jetzt ein Umdenken, denn es habe sich gezeigt, dass Höffner trotz seiner 70 Jahre äußerst vital und geistvoll sei. Die von ihm vorgetragenen Ideen würden davon zeugen, dass er sich als Vorsitzender der »Deutschen Bischofskonferenz« fest einrichtet. Aus den mit ihm geführten Gesprächen sei zu entnehmen, dass er daran interessiert sei, sich in wichtigen Fragen ein eigenes Urteil zu bilden. Deshalb habe er auch persönlich an Kardinal Bengsch den Wunsch nach einer Einladung in dessen Amtsbereich herangetragen.
Über seine in der DDR gewonnenen Eindrücke habe er sich bisher nur sehr vorsichtig geäußert und mit Zurückhaltung Informationen über die Priesterausbildung in der DDR, über vorgesehene kirchliche Neubauten und über Fragen der seelsorgerlichen Tätigkeit entgegengenommen.
Offensichtlich sei er von den Möglichkeiten der praktischen Religionsausübung in der DDR überrascht gewesen. Er habe zum Ausdruck gebracht, dass ihm besonders die Atmosphäre in Altbuchhorst gefallen habe, wo er »interessante Gespräche« mit Jugendlichen und katholischen Akademikern geführt habe. Höffners Klischeedenken von den DDR-Verhältnissen sei jedoch vorwiegend von westlichen Medien geprägt und lasse pessimistische Züge erkennen. So vertrete er offen die Maxime, dass er an keine besondere Ostpolitik des Vatikans glaube. Nach seiner Meinung müsse man vielmehr mit den sozialistischen Ländern zurechtkommen und mit ihnen Verträge abschließen, die in der Praxis dann strikt durchzusetzen seien. In diesem Sinne habe er sich auch zu den Fragen der Verselbstständigung der Bistümer in der DDR geäußert.2 Nach der Meinung Höffners sollten die noch anstehenden Fragen der »Gefangenenseelsorge« und seelsorgerlichen Tätigkeit in den Neubaugebieten, in Krankenhäusern usw. gründlich zwischen Vatikan und DDR-Regierung beraten werden. Einer konkreteren Behandlung dieser Fragen sei er ausgewichen mit der Bemerkung, dass die »Deutsche Bischofskonferenz« zunächst erst einmal Ruhe brauche, um eigene brennende Probleme zu lösen. Für weitere Entscheidungen müsse er sich umfassender informieren.
Internen Äußerungen von Kardinal Bengsch und Ordinariatsrat Lange ist zu entnehmen, dass der Besuch von Höffner in der DDR und sein Zusammenspiel mit einigen leitenden Klerikern und katholischen Laien, speziell in Altbuchhorst, einige »falsche Vorstellungen« über die Möglichkeiten der Religionsausübung in der DDR korrigieren half. Höffner sei mit der vorgefassten Meinung in die DDR gekommen, religiöse Ausbildung und Tätigkeit seien vom Staat »außerordentlich beschnitten«, habe jedoch bei der Abreise den Eindruck geäußert, es sei ein umfassendes Wirksamwerden der Kirche möglich.
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