Dossier über den Journalisten Karl Corino vom Hessischen Rundfunk
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Information Nr. 337/77 über den Journalisten und Redakteur beim Hessischen Rundfunk Dr. Karl Corino
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen gilt der Dr. Corino, Karl, geb. am 12.11.1942 in Ebingen, wohnhaft: 6368 Bad Vilbel, Auweg 34, Journalist und Redakteur beim Hessischen Rundfunk, in der BRD als sogenannter Spezialist für die Einschätzung der kulturpolitischen Entwicklung in der DDR. Corino ist seit 1973 Moderator des vierwöchentlich vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlten Kultur-Magazins »Transit«, Untertitel »Kulturmagazin über Ereignisse in der DDR«.
Diese Senderreihe wurde im Mai 1973 in das Programm des Hessischen Rundfunks aufgenommen, um die bis dahin »weitgestreute DDR-Berichterstattung« in einem Hörfunk-Magazin zusammenzufassen. Die Zusammenfassung erfolgte aufgrund einer Forderung des damaligen Bundesinnen- und jetzigen Außenministers der BRD, Genscher, verstärkt mit den »Mitteln des Bild- und Tonfunks in die DDR hineinzuwirken, um die Abgrenzung zu durchbrechen«. Hauptaufgabe dieser Magazin-Sendung ist es – laut BRD-Zeitung »Vorwärts« vom 3.5.1973 – »aktuelle Probleme und Entwicklungen in allen Kulturbereichen der DDR« aufzugreifen, um sich aktiv »in alle Streitfragen und Diskussionen, die das kulturelle Leben im anderen Teil Deutschlands maßgeblich bestimmten«, einzumischen. Zur Beschaffung von Informationen für dieses Magazin sollen Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks »an Ort und Stelle in der DDR Recherchen« anstellen, und es sollen »auch Autoren und Informanten in der DDR« für eine Mitarbeit an der Sendung »gewonnen werden«.1
Corino wird als ein »ausgezeichneter Kenner der DDR-Kulturszene« bezeichnet. Seine Fachgebiete sind Literatur und Theater.
Neben seiner Tätigkeit im Hessischen Rundfunk schreibt er über kulturpolitische Fragen für mehrere BRD-Zeitschriften und Zeitungen, so u. a. »Süddeutsche Zeitung«, »Frankfurter Rundschau«, »Christ und Welt«, »Deutsche Zeitung« sowie für das offiziöse Organ der Regierung der BRD »Deutschland Archiv«2 und die von Mytze herausgegebene Westberliner Zeitschrift »europäische ideen«.3 Seine Beiträge haben einen tendenziösen und teilweise hetzerischen Charakter und sind darauf ausgerichtet, die Kulturpolitik der DDR zu diskriminieren und zu entstellen.
Corino entwickelte während seiner insgesamt 14 Aufenthalte in der DDR und ihrer Hauptstadt Berlin intensive Aktivitäten, um Verbindungen zu Kulturschaffenden der DDR herzustellen bzw. auszubauen. Dabei orientiert er sich insbesondere auf solche Schriftsteller und Literaten, die feindlich-negative Auffassungen vertreten bzw. in bestimmten Fragen eine abweichende Haltung zur sozialistischen Kulturpolitik der DDR einnehmen oder eine solche vermuten lassen. Zu seinen Kontakt- und Verbindungspersonen, die er zu kulturpolitischen Fragen abschöpft, gehören nach dem MfS vorliegenden Hinweisen u. a. die Schriftsteller Reiner Kunze (der zwischenzeitlich in die BRD übergesiedelt ist), Martin Stade, Ulrich Plenzdorf, Volker Braun, Sarah und Rainer Kirsch sowie solche Literaten wie Heide und Gert Härtl (Leipzig).
Bereits im Juli 1974 nutzte Corino seine Akkreditierung als Korrespondent zur Ostseewoche in Rostock, um mit Martin Stade Kontakt aufzunehmen und diesen zu interviewen.
In diesem Interview zu seiner Erzählung »Ein himmelblauer Zeppelin« vertrat Stade, inspiriert durch eine gezielte Fragestellung Corinos, negative Positionen zur Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft der DDR. (Das Interview wurde u. a. auch vom Sender RIAS gesendet.) In der Folgezeit versuchte Corino seine Verbindung zu Stade auszubauen und diesen zum Verfassen von Beiträgen für die Magazin-Sendung »Transit« des Hessischen Rundfunks zu gewinnen.
Im Zusammenhang mit dem Vorhaben mehrerer Schriftsteller und Literaten, eine Anthologie von Erzählungen unter dem Titel »Berliner Geschichten« zusammenzustellen und sie einem Verlag in der DDR zur nichtkorrigierten Veröffentlichung anzubieten,4 nahm Corino 1975/76 Kontakt zu den Mitinitiatoren des Vorhabens Ulrich Plenzdorf und Klaus Schlesinger sowie zu den daran beteiligten Leipziger Literaten Heide und Gert Härtl auf. In der Folgezeit baute er insbesondere seine Kontakte zu den Härtls aus und trug wesentlich zur Verfestigung ihrer feindlich-negativen Haltung bei. Zuletzt traf er mit ihnen während der Leipziger Frühjahrsmesse 1977 zusammen.
Besonders aktiv trat Corino im Zusammenhang mit der publizistischen Manipulierung und Aufwertung von Reiner Kunze in Erscheinung. Durch umfangreiche persönliche, postalische und telefonische Kontakte bestärkte er Kunze zielgerichtet in dessen feindlich-negativer Entwicklung und literarischen Tätigkeit. Er führte mehrere Interviews mit Kunze durch, u. a. auch zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft Biermanns,5 und publizierte in westlichen Massenmedien dessen feindlich-negative Äußerungen über die sozialistische Kulturpolitik in der DDR.
Dem MfS liegen interne Hinweise vor, wonach Corino von Kunze Näheres über die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz6 in Erfahrung zu bringen versuchte.
Unter dem Titel »Die Zeit der stummen Begräbnisse« publizierte er in dem BRD-Blatt »Deutsche Zeitung« vom 10.9.1976 einen Artikel über Kunzes Buch »Die wunderbaren Jahre«, der in der Behauptung gipfelte, dass Kunzes Texte den Pfarrer Brüsewitz bestätigen und die »Beweggründe« für seine Selbstverbrennung »dokumentieren« würden.7
Ebenso wie Wallmann,8 mit dem er in enger Verbindung steht, übersandte Corino Kunze Ausschnitte westlicher Zeitungen mit Berichten über dessen Person und über das Erscheinen des Buches »Die wunderbaren Jahre« in der BRD,9 um ihn dadurch in seiner Haltung zu bestärken.
Seit der Übersiedlung Kunzes in die BRD ist Corino weiterhin bemüht, diesen publizistisch aufzuwerten und als »Systemkritiker, Märtyrer und bedeutendsten Lyriker« herauszustellen, was u. a. auch in einem am 18.4.1977 im RIAS gesendeten Interview Corinos mit Kunze seinen Ausdruck findet. In diesem Interview gab er Kunze die Möglichkeit, in verleumderischer und hetzerischer Form gegen die DDR aufzutreten und, wie die »Berliner Morgenpost« vom 21.4.1977 schreibt, »weitere erschütternde Einzelheiten über die Schikanen der DDR-Behörden zu enthüllen«.10