Dossier über den westdeutschen Literaturkritiker Jürgen P. Wallmann
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Information Nr. 329/77 über den freiberuflichen Journalisten und Literaturkritiker Jürgen Peter Wallmann, BRD
Dem Ministerium für Staatssicherheit vorliegenden Informationen zufolge gilt der Bürger der BRD Wallmann, Jürgen Peter, geb. am 15.7.1939, wohnhaft: Telgte/Westfalen, Dinningsweg 9, freiberuflicher Journalist und Literaturkritiker, in der BRD als sogenannter Spezialist für die neuere Literatur der DDR.
Beiträge von ihm zur Literatur- und Kunstentwicklung in der DDR werden in den verschiedensten Zeitschriften und von Rundfunkanstalten der BRD publiziert, so u. a. in der Zeitschrift »Deutschland Archiv«, in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und im »Hessischen Rundfunk«.
Besondere Aufmerksamkeit widmet Wallmann solchen Literaten in der DDR, die Vorbehalte zur sozialistischen Kulturpolitik äußern, aus diesem Grunde verschiedentlich in Konflikt zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung geraten und teilweise mit feindlich-negativem Verhalten in Erscheinung treten. So bestehen seit längerer Zeit sehr enge, persönliche Verbindungen zu dem zwischenzeitlich in die BRD übersiedelten Schriftsteller Reiner Kunze und Kontakte zu dem Schriftsteller Stefan Heym.
Wallmann nutzte vor der Übersiedlung des Kunze in die BRD jede publizistische Gelegenheit, in westlichen Massenmedien und Literaturzeitschriften diesen als »Systemkritiker der DDR, der es verstanden hat zu überleben«, zu glorifizieren, massenpolitisch aufzuwerten und als angeblichen Repräsentanten der »wirklichen, aber unterdrückten« Literatur der DDR darzustellen. Durch umfangreiche persönliche, postalische und telefonische Kontakte bestärkte er Kunze systematisch in seiner feindlich-negativen Entwicklung und literarischen Tätigkeit. Er übersandte ihm unter teilweiser Verwendung pseudonymer Absender nicht nur regelmäßig Ausschnitte westlicher Zeitungen mit Berichten über Kunze und dessen »Schaffen«, sondern auch speziell gegen die DDR und andere sozialistische Staaten gerichtete Presseerzeugnisse. Bei persönlichen Kontakten mit Kunze übernahm Wallmann von diesem Manuskripte mit sozialismusfeindlichem Inhalt, verbrachte diese in die BRD und regelte mit dortigen Verlagen Fragen der Veröffentlichung und des Honorars. Im gleichen Zusammenhang interviewte Wallmann den Kunze zu kulturpolitischen und persönlichen Problemen und verwertete diese Informationen in einer gegen die sozialistischen Verhältnisse in der DDR abgefassten Form in westlichen Massenmedien.
Im Rahmen des Manipulierungs- und Publizierungsprozesses zu Kunze in nichtsozialistischen Staaten und insbesondere seit dem Zeitpunkt der Herausgabe von Kunzes Buch »Die wunderbaren Jahre« im S.-Fischer-Verlag, Frankfurt/M., traten neben Wallmann eine Reihe weiterer Publizisten der BRD in den Vordergrund, mit denen Wallmann zusammenwirkt. Das sind u. a. Dr. Karl Corino (»Hessischer Rundfunk«) und der Andreas Wolfgang Mytze (Herausgeber der Zeitschrift »europäische ideen«),1 der bekanntlich intensive Verbindungen zu Havemann, Biermann und anderen in der DDR wohnhaften Personen unterhielt und von 1974 bis November 1976 insgesamt 82-mal in die DDR und ihre Hauptstadt einreiste (siehe Information Nr. 305/77 vom 6.5.1977).
Nach der Übersiedlung des Kunze in die BRD konnten durch das MfS keine Aktivitäten des Wallmann gegenüber anderen Kultur- und Geistesschaffenden in der DDR festgestellt werden.
Jürgen P. Wallmann reiste u. a. in den Jahren 1974, 1975 und 1976 zur Buchmesse nach Leipzig in die DDR ein, weilte im Mai 1975 in Weimar zu einer Veranstaltung der Goethe-Gesellschaft und hielt sich auch mit Tagesvisum in der Hauptstadt der DDR auf.