Einziehung von »Hetzmaterialien« eines Schweden an der GÜST Saßnitz
15. Juli 1977
Information Nr. 469/77 über die Ergebnisse der Überprüfung zum Artikel des schwedischen Bürgers Hägglund in der schwedischen Zeitschrift »Expressen« vom 28.6.1977
Die vom MfS durchgeführten Überprüfungen der vom schwedischen Bürger Hägglund, Kurt-Erik,1 geb. am 25.10.1943, Student der Pädagogik an der Universität Stockholm, wohnhaft: Stockholm, [Adresse], in dem von der schwedischen Abendzeitung »Expressen« vom 28.6.1977 veröffentlichten »Offenen Brief an die Botschaft der DDR in Schweden«2 aufgestellten Behauptungen ergaben, dass im Zusammenhang mit der durchgeführten Zollkontrolle im D 318 Berlin–Stockholm (Saßnitz-Express) an der Fährhafen-Grenzübergangsstelle Saßnitz am 30.5.1977 bei dem Hägglund umfangreiche Hetzmaterialien, die sich gegen die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten richteten, festgestellt wurden. Im Ergebnis der Kontrollmaßnahmen wurden diese Hetzmaterialien auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen der DDR eingezogen.
Nach eigenen Angaben habe Hägglund, der im Transit von Westberlin nach Schweden reiste, an einer Konferenz teilgenommen, die in der Zeit vom 25.5. bis 28.5.1977 in Westberlin stattfand und unter dem Thema stand »Die Sowjetunion heute – eine imperialistische Supermacht«. Wie Hägglund weiter angab, sei diese Konferenz von der Zeitschrift »Befreiung«, deren Herausgeber ein gewisser Dr. Rudolf G. Wagner, 1000 Berlin 62, [Adresse], ist, veranstaltet worden. Hägglund bestätigte ferner, dass die von ihm mitgeführten Materialien von dieser Konferenz stammen, auf der er auch selbst gesprochen habe.3
Unmittelbarer Anlass für eine Zollkontrolle war das Auffinden von Gepäckstücken in einem unbesetzten Schlafwagenabteil des D 318, deren Eigentümer zunächst nicht festgestellt werden konnte. Durch Nachforschungen von Mitarbeitern des Grenzzollamtes Saßnitz wurde dann als Eigentümer der Gepäckstücke der Hägglund identifiziert. (Er selbst hielt sich während dieser Zeit in einem anderen Abteil eines Kurswagens des D 318 auf.) Im Zuge dieser Maßnahmen wurde festgestellt, dass sich in dem Gepäck umfangreiche schriftliche Materialien befanden, deren Inhalt eindeutig hetzerischen Charakter trug. Hägglund hatte bei der Einreise in die DDR auf Befragen die Mitführung dieser Materialien nicht angegeben.
Hägglund verhielt sich während der Zollkontrolle und der Einziehung des Materials ruhig und sachlich und gab bereitwillig über an ihn gestellte Fragen Auskunft. Die Dauer der Kontrolle betrug nachweislich 15 Minuten und wurde von zwei Mitarbeitern des Grenzzollamtes Saßnitz durchgeführt.
Die von Hägglund im Artikel des »Expressen« gegebene Sachverhaltsdarstellung über die Kontrolle, deren Ablauf und Dauer entspricht nicht dem tatsächlichen Geschehen. Sie stellt eine böswillige Verleumdung der Pass- und Zollkontrollorgane der DDR dar und ist deshalb zurückzuweisen. Die Behauptung über die Beschlagnahme »persönlicher Unterlagen« entspricht ebenfalls nicht den Tatsachen.
Bei den von Hägglund mitgeführten, überwiegend englischsprachigen und eingezogenen Hetzmaterialien handelt es sich u. a. um:
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eine Mitteilung der Redaktion der Zeitschrift »Befreiung« über das Stattfinden einer internationalen Konferenz mit dem Thema »Die Sowjetunion heute – eine imperialistische Supermacht«;
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eine Rededisposition, in der u. a. zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich bei der Sowjetunion »um eine imperialistische Macht handelt, die in Hitlers Fußstapfen geht«;
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ein Schreiben des »October League Marxist-Leninist« (USA)4 an die Redaktion der Zeitschrift »Befreiung« mit böswilligen Verleumdungen der Sowjetunion;
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einen Beitrag zu »Einigen Aspekten über das Wesen und die Politik der prosowjetischen DKP – als Beispiel der fünften Kolonne der sowjetischen Expansion«;
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einen Beitrag über »Einige Aspekte der Beziehungen zwischen dem sowjetischen Sozial-Imperialismus und dem westdeutschen Imperialismus«;
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einen Beitrag zum Thema »Sowjetische Psychiatrie – Spezialbehandlung politischer Dissidenten«;
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einen Beitrag über »Die Expansion der sowjetischen Handelsflotte, besonders in Bezug auf Süd-Ost-Asien – Methoden und strategische Ziele«;
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einen Beitrag »Die Seestreitkräfte der Sowjetunion« mit hetzerischem Inhalt;
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einen Beitrag über »Die Politik der Sowjetunion in Südafrika« (die Befreiungsbewegungen seien durch ihre Verbindung mit der Sowjetunion zu sozial-faschistischen Unterdrückungsbewegungen geworden);
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einen Beitrag zum Thema »Die Sowjetunion und der nationale Befreiungskampf seit 1956 – vom Verrat bis zur Aggression – auf Afrika bezogen«;
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einen verleumderischen Beitrag über »Das Verhältnis und die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Schweden«;
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eine Broschüre »Afrika, die Gefahr des russischen Sozial-Imperialismus und Rivalität zwischen den Supermächten«;
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eine Broschüre »Die Supermächte, die Bedrohung durch einen Krieg und die britische Arbeiterklasse«;
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einen Vortrag zum Thema »Frankreich und der sowjetische Expansionismus«;
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eine gegen die Sowjetunion gerichtete Resolution über die sowjetisch-japanischen Beziehungen;
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eine Resolution zu angeblichen Unterdrückungsmaßnahmen in der VR Polen.
Bei den von Hägglund mitgeführten Materialien handelt es sich eindeutig um Schriften, deren Inhalt gegen die sozialistischen Staaten und ihre Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtet ist. Gemäß Ziffer 15 der Anlage 2 zum § 15 der 11. Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz der DDR vom 12.12.1968 ist die Ein- und Ausfuhr von Literatur und sonstigen Druckerzeugnissen nicht zulässig, wenn deren Inhalt gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet ist oder andere Hetze enthält.5 Dementsprechend erfolgte die Einziehung der von Hägglund mitgeführten Hetzmaterialien gemäß § 16, Absatz 1 des Zollgesetzes der DDR vom 28.3.1962.6 Eine Rückgabe der eingezogenen Hetzmaterialien ist demzufolge nicht möglich.
»Anlage« zur Information Nr. 469/77
[Brief von Außenminister Oskar Fischer an Mielke]
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik | Der Minister für Auswärtige Angelegenheiten
Minister für Staatssicherheit | Genossen Generaloberst | Erich Mielke | Berlin
Berlin, den 6. Juli 1977
Werter Genosse Mielke!
Am 28. Juni 1977 veröffentlichte die auflagenstarke schwedische Abendzeitung »Expressen« einen »Offenen Brief an die Botschaft der DDR in Schweden«, der sinngemäß schon Mitte Juni in einer maoistischen Schrift erschienen war. Darin verleumdet der schwedische Journalist, Karl Hägglund, das Grenzregime der DDR und fordert u. a. die Rückgabe von schriftlichen Materialien, die angeblich während seiner Transitreise durch die DDR am 30.5.1977 von den Zollorganen der DDR in Saßnitz beschlagnahmt wurden. In dem hetzerisch aufgemachten »Brief« behauptet er, darunter seien auch persönliche Briefe und Aufzeichnungen gewesen.
Einen Brief gleichen Inhalts hat er dem schwedischen Außenministerium zugestellt. Auf dessen Veranlassung wurde am 30.6.1977 der schwedische Geschäftsträger in Berlin, Paulsson, im MfAA vorstellig und bat um Rückgabe »vor allem der persönlichen Unterlagen«.
Um unseren Botschafter in Stockholm informieren zu können, bitten wir Sie, uns eine Hintergrundinformation zur Angelegenheit Hägglund zukommen zu lassen.
Falls die Behauptung über die »persönlichen Unterlagen« stimmt, bitten wir Sie zu prüfen, ob deren Rückgabe in geeigneter Weise möglich ist.
Mit sozialistischem Gruß | Oskar Fischer