Festnahme von Jugendlichen wegen Körperverletzung und Fahnenabrissen
5. Mai 1977
Information Nr. 294/77 über eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen drei Jugendliche im Zusammenhang mit der schweren Körperverletzung eines Arbeiters sowie mehrerer Fahnenabrisse am 1. Mai 1977 in Aue, Bezirk Karl-Marx-Stadt
Am 2.5.1977 wurden durch das Ministerium für Staatssicherheit im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen der DVP die Bürger der DDR, [Name 1, Vorname] (18), geb. am [Tag] 1958, Beruf: Klingenschleifer, zuletzt tätig als Klingenschleifer im VEB Universal-Werkzeugmaschinenwerk Aue, wohnhaft: Aue, [Adresse], [Name 2, Vorname] (17), geb. am [Tag] 1959, Schlosserlehrling im VEB Maschinenbau Schlema, wohnhaft: Aue, [Adresse], und [Name 3, Vorname] (16), geb. am [Tag] 1960, Schüler der 10. Klasse der POS Aue, wohnhaft: Aue, [Adresse], als Täter bzw. Beteiligte an der schweren Körperverletzung eines Arbeiters sowie mehrerer Fahnenabrisse im Stadtgebiet von Aue ermittelt und festgenommen.
Gegen die Personen wurden Ermittlungsverfahren, und zwar gegen [Name 1] gemäß §§ 116 und 222 StGB1 (schwere Körperverletzung und Missachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole) sowie gegen [Name 2] und [Name 3] gemäß § 222 StGB eingeleitet und auf gleichen Rechtsgrundlagen Haftbefehle erlassen.
Die durch das Ministerium für Staatssicherheit bisher durchgeführten Untersuchungen ergaben:
Am 1.5.1977, gegen 19.30 Uhr, verließen die miteinander befreundeten [Name 1], [Name 2] und [Name 3] nach einem gemeinsamen Gaststättenbesuch in Aue das Lokal und liefen ziellos durch die Straßen der Stadt. Durch den Genuss größerer Mengen Alkohols befanden sich alle im angetrunkenen Zustand. Gemeinschaftlich handelnd rissen sie während dieser Zeit mehrere an Bäumen befestigte DDR-Staatsflaggen und Arbeiterfahnen herunter, ließen sie am Tatort liegen bzw. nahmen diese mit. Gegen 20.30 Uhr erreichten sie das Wohngrundstück Aue, [Adresse], und rissen die am Fenster der Parterrewohnung durch den Wohnungsinhaber [Name 4, Vorname] (34), geb. am [Tag] 1942, Beruf: Schlosser, tätig als Kranführer im VEB Kraftverkehr Aue, wohnhaft: Aue, [Adresse], Mitglied des FDGB und DTSB, anlässlich des 1. Mai angebrachte Arbeiterfahne ab.
Der Bürger [Name 4], durch die von den Tätern verursachten Geräusche aufmerksam geworden, stellte das Fehlen der Fahne fest und bemerkte, dass sich drei Personen von seinem Wohnhaus entfernten. Er nahm sofort mit seinem Beiwagenkrad die Verfolgung der mutmaßlichen Täter auf und konnte sie in einiger Entfernung stellen. Dabei kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der [Name 1] dem Bürger [Name 4] mit einem von ihm mitgeführten Taschenmesser zwei Stiche in die Herzgegend versetzte. Unmittelbar danach wurden die Täter flüchtig. Die dem Bürger [Name 4] beigebrachten lebensgefährlichen Herzkranzverletzungen wurden sofort im Ernst-Schneller-Krankenhaus in Aue operativ behandelt. Der Gesundheitszustand des [Name 4] ist laut ärztlichen Aussagen als lebensbedrohend zu bezeichnen.
Nach den bisherigen Aussagen motivieren die Täter ihre Handlungsweise mit durch Alkoholeinfluss hervorgerufenem Übermut.
Die Untersuchungen zu den Persönlichkeitsbildern der Täter ergaben, dass alle der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR völlig desinteressiert gegenüberstehen und auch seitens der Eltern keine positive Einflussnahme auf die Jugendlichen erfolgte. So musste z. B. der [Name 1] wegen begangener rowdyhafter Handlungen im Jahre 1976 seitens der Konfliktkommission seines Betriebes verwarnt werden.
Durch das MfS wurde veranlasst, dass seitens der örtlichen Organe unverzüglich Maßnahmen zur Unterstützung der Ehefrau und der vier schulpflichtigen Kinder (15, 13, 10, 7 Jahre) des geschädigten Bürgers [Name 4, Vorname], eingeleitet wurden.
Die Untersuchungen werden durch das MfS fortgesetzt.