Lesung mit Stefan Heym in der Berliner Erlösergemeinde (1)
[ohne Datum]
Information Nr. 718/77 über die beabsichtigte Durchführung einer Gesprächsrunde im Gemeindesaal der evangelischen »Erlöserkirche« in Anwesenheit des Schriftstellers Stefan Heym
Wie in der Information Nr. 698/77 vom 7.11.1977 berichtet, beabsichtigt die evangelische »Barmherzigkeits-Gemeinde«, Berlin-Lichtenberg, Weitlingstraße, am 21.11.1977 im Gemeindesaal der »Erlöserkirche«, Berlin-Lichtenberg, Nöldnerstraße 43, einen sogenannten Gesprächskreis zum Buch »Der König-David-Bericht«1 von Heym in dessen Anwesenheit durchzuführen.
Wie festgelegt, wurde am 8.11.1977 durch die Referentin für Kirchenfragen beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-Lichtenberg mit dem Initiator dieser Veranstaltung, Pfarrer Gottfried Gartenschläger, ein Gespräch geführt, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass es sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine innerkirchliche Diskussion, sondern um eine kulturpolitische Veranstaltung handelt, die bei der Deutschen Volkspolizei gemäß »Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen«2 zur Erlangung einer Erlaubnis angemeldet werden muss und damit zur Einhaltung der staatlichen Ordnung und geltenden Rechtsnormen verpflichtet.
Pfarrer Gartenschläger legte im Verlaufe des Gesprächs seinen Standpunkt dar, wonach es sich bei dieser Veranstaltung in kirchlichen Räumen »um eine rein kirchliche Veranstaltung« handele; er könne deshalb die Forderung nach Anmeldung nicht verstehen und erklärte nachdrücklich, eine Anmeldung gemäß Veranstaltungsverordnung nicht vornehmen zu wollen, da er auch aus der Veranstaltungsverordnung heraus keine zwingende Notwendigkeit erkenne und jede von der Kirche beabsichtigte und durchgeführte Veranstaltung »unter seelsorgerischen Gesichtspunkten« betrachte. Er betonte, in dieser Haltung auch nach vorheriger Konsultation mit seinen Vorgesetzten Superintendent Rissmann und Generalsuperintendent Grünbaum bestärkt worden zu sein. Pfarrer Gartenschläger erklärte der Referentin für Kirchenfragen beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-Lichtenberg gleichzeitig in diesem Gespräch, er habe jedoch nicht die Absicht, mit dieser Veranstaltung in irgendeiner Art zu provozieren. Deshalb sei mit Stefan Heym auch keine Lesung seines Buches geplant, sondern Grundlage für die Gesprächsrunde sei die 1976 im Evangelischen Verlag erschienene Broschüre »Sieben Texte über den König-David-Bericht«3, eine Rezension aus religiöser Sicht des Buches von Heym »Der König-David-Bericht«. Stefan Heym sei »als Sachverständiger« eingeladen worden, wodurch sich der Veranstalter eine konstruktive sachbezogene Diskussion verspreche.
Zur Wahrung der »staatlichen, kirchlichen und seiner persönlichen Interessen« habe Pfarrer Gartenschläger – so führte er weiter aus – mit Stefan Heym für den 10.11.1977 ein persönliches Gespräch geplant, bei dem die Konzeption der Veranstaltung sowie die »Linie der Debatten« besprochen werden sollen. (Wie bekannt wurde, hat dieses Gespräch Gartenschläger – Heym stattgefunden, wobei sich beide darüber einig geworden seien, keine Provokationen zuzulassen.)
Es wird vorgeschlagen, mit Bischof Schönherr durch den Staatssekretär für Kirchenfragen in geeigneter Form ein Gespräch zu führen und ihn darüber zu unterrichten, dass dieser Missbrauch klerikaler Einrichtungen geeignet ist, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu belasten. Bischof Schönherr sollte aufgefordert werden, dafür Sorge zu tragen, dass derartige rechtswidrige Initiativen seitens kirchlicher Amtsträger unter Ignorierung der »Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen« vom 26.11.1970 zukünftig unterbleiben sollten.
Gleichzeitig sollte erwogen werden, ob im Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung – trotz vorheriger Auflage, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu verfahren – Ordnungsstrafmaßnahmen eingeleitet werden sollten.
Diese Information ist nur zu persönlicher Kenntnisnahme bestimmt.