Nichtrückkehr des Komikers Cohrs von einem Gastspiel in Westberlin (2)
3. März 1977
Information Nr. 125/77 über weitere Feststellungen zur Nichtrückkehr des freischaffenden Unterhaltungskünstlers Cohrs, Eberhard, von einem Gastspielaufenthalt in Westberlin
Ergänzend zur Information Nr. 110/77 vom 21.2.1977 wurden folgende weitere Feststellungen getroffen: Die Überprüfung von Meldungen westlicher Massenkommunikationsmittel über die Beweggründe der Nichtrückkehr des freischaffenden Unterhaltungskünstlers Cohrs ergab, dass mit Cohrs bisher in der DDR keinerlei ernsthafte politische und fachliche Auseinandersetzungen geführt werden mussten.
Zwischen der Künstleragentur der DDR1 und Cohrs bestand ein gutes Arbeitsklima. Gastspiele in nichtsozialistischen Staaten hatte Cohrs einmal in der Schweiz2 und seit 1972 jährlich in Westberlin. Für eine im Jahre 1977 durch die Künstleragentur der DDR geplante BRD-Tournee von Spitzenkünstlern der Unterhaltungskunst war ein Einsatz von Cohrs geplant und es gab dazu mit ihm unverbindliche Absprachen. Der Vertragspartner der Künstleragentur der DDR in der BRD zeigte im Prozess der Vorbereitung dieser Tournee jedoch nur Interesse am Einsatz von Künstlern des Genres Musik, sodass die Teilnahme eines Sprechers/Komikers nicht infrage kam.
Seitens des Komitees für Unterhaltungskunst3 wurde durch dessen Generaldirektor, Genossen Peter Czerny, in einem persönlichen Gespräch Cohrs im Sommer 1976 der Abschluss eines Exklusivvertrages mit dieser Einrichtung angeboten. Neben einer Reihe finanzieller und sozialer Vergünstigungen für den Künstler sah der Vertrag die Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Mentor vor. Damit war beabsichtigt, die in letzter Zeit absinkende Qualität der Darbietungen von Cohrs zu verbessern. Dieses Angebot zum Abschluss eines Exklusivvertrages nahm Cohrs entgegen, ohne eine endgültige Zusage zu geben. Unstimmigkeiten oder Spannungen zwischen ihm und dem Komitee für Unterhaltungskunst sind nicht bekannt.
Im Jahre 1976 unterbreitete die Schweizer Künstleragentur Schlaepfer, Zürich, auf eigene Vermittlung und auf Vorschlag von Eberhard Cohrs der Künstleragentur der DDR das Angebot, ein Gastspiel des Cohrs in der Zeit vom 28.12.1976 bis zum 31.1.1977 in der Schweiz durchzuführen. Die Künstleragentur der DDR war bereit, diesem Ersuchen nachzukommen, und unterbreitete dem Ministerium für Kultur, Abteilung Internationale Verbindungen, eine dementsprechende Gastspielkonzeption. Durch das Ministerium für Kultur der DDR erfolgte ohne weitere Begründung die Ablehnung des geplanten Vorhabens. Von dieser Ablehnung wurde Cohrs durch den Stellvertreter des Generaldirektors der Künstleragentur der DDR, Genossen Kammel, in Kenntnis gesetzt. Dabei wurde ihm erklärt, dass seine Darbietungen zu einseitig auf die DDR betreffende Probleme ausgerichtet seien.
Die Zusammenarbeit von Eberhard Cohrs mit dem Conferencier Feuerstein im Rahmen der Konzert- und Gastspieldirektion Dresden gestaltete sich gleichfalls ohne Konflikte und Repertoireschwierigkeiten.
Neben den offiziellen Verlautbarungen, wonach Cohrs Verbindungen zum ZDF, zur ARD sowie zur Deutschlandhalle in Westberlin aufgenommen habe, wurde bekannt, dass er mit dem in Karlsruhe/BRD wohnhaften Conferencier Robby Hansen (ehemaliger Partner von Cohrs; verließ im Jahre 1961 ungesetzlich die DDR) in Verbindung steht. Über diesen versucht Cohrs Kontakte zu Künstleragenturen in der BRD und Westberlin zu erhalten.
Wie dem MfS zuverlässig bekannt wurde, ist die in der DDR lebende Ehefrau des Cohrs am 24.2.1977 über einen Bekannten in Westberlin dazu aufgefordert worden, die Unterlagen ihrer Eheschließung mit Eberhard Cohrs nach Westberlin zu »übermitteln« sowie einen Antrag auf Familienzusammenführung4 beim MdI der DDR einzureichen. Dagmar Cohrs hatte bereits einen schriftlichen Antrag auf Familienzusammenführung vorbereitet, seine Einreichung beim MdI jedoch von einer verbindlichen Erklärung ihres jetzt in Westberlin aufenthältigen Ehemannes abhängig gemacht, auch nach ihrer eventuellen Übersiedlung nach Westberlin mit ihr die Ehe weiterzuführen.
Falls die Dagmar Cohrs für sich und ihren Sohn offiziell mit dem Ersuchen auf Familienzusammenführung und Übersiedlung nach Westberlin bzw. der BRD bei den zuständigen Organen des MdI vorstellig wird, ist vorgesehen, diesem Ersuchen stattzugeben und die Übersiedlung zu genehmigen. Auf der Grundlage des vom MfS gegen Cohrs, Eberhard, eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte eine konkrete Feststellung und Sicherung seiner Vermögenswerte in der DDR.
Dem MfS wurde weiter zuverlässig bekannt, dass Dagmar Cohrs am 28.2.1977 die Ständige Vertretung der BRD in der DDR aufgesucht hat. Es erfolgte ihr gegenüber eine konkrete »Rechtsberatung«, wobei auch darauf orientiert wurde, dass es hinsichtlich der weiteren Verfolgung ihrer Übersiedlungsabsicht zweckmäßig wäre, wenn sich ihr Ehemann in Westberlin gegenwärtig »zurückhaltend« gegenüber der DDR verhalten würde.5