Nichtrückkehr eines Parteisekretärs von Dienstreise nach Oldenburg (1)
9. November 1977
Information Nr. 704/77 über die Nichtrückkehr des hauptamtlichen Parteisekretärs des VEB Kabelwerke Nord, Schwerin, Schulz, Joachim, von einer Dienstreise nach der BRD
Durch die Bezirksleitung der SED Schwerin wurde am 9.11.1977 bekannt, dass der für Einsätze in kapitalistischen Staaten bestätigte Schulz, Joachim (35), geb. am: [Tag] 1942, wohnhaft: Schwerin, [Adresse], zuletzt tätig als hauptamtlicher Parteisekretär des VEB Kabelwerke Nord Schwerin, Mitglied der SED seit 1965, seit 1968 Mitglied der Bezirksleitung der FDJ Schwerin, verheiratet, 3 Kinder (Alter 12, 10, 1 Jahr), der sich im Auftrag der Bezirksleitung der SED Schwerin im Einsatz im Raum Bremen/Oldenburg befand, nicht wieder in die DDR zurückkehrt.
Die bisherigen Untersuchungen durch das MfS haben ergeben:
Schulz reiste am 6.11.1977 gemeinsam mit dem Genossen Piske, Gerhard (56), geb. am: [Tag] 1921, wohnhaft: Schwerin-Lankow, [Adresse], tätig beim Rat des Bezirkes Schwerin, nach der BRD. In den Vormittagsstunden des 8.11.1977 verließ Piske allein das Hotel in Bremen, um spazieren zu gehen. Schulz verblieb in dieser Zeit im Hotel, um sich – wie er Piske gegenüber äußerte – auf einen Vortrag vorzubereiten. Bei der gegen Mittag erfolgten Rückkehr des Piske wurde ihm durch den Portier ein Briefumschlag des Schulz übergeben, in welchem sich ein Zettel mit dem Text »Mache Deine Show alleine, ich bleibe hier« befand. Piske informierte umgehend telefonisch die Bezirksleitung der SED Schwerin von diesem Sachverhalt. Er erhielt den Auftrag, seinen Einsatz abzubrechen und sofort in die DDR zurückzukehren. Die Rückkehr des Piske nach Schwerin erfolgte in der Nacht vom 8.11. zum 9.11.1977.
Über die Motive der Nichtrückkehr des Schulz in die DDR liegen bisher noch keine Erkenntnisse vor.
Zum Persönlichkeitsbild des Schulz ist festzustellen, dass er 1961 das Abitur ablegte, von 1961 bis 1962 seinen Wehrdienst bei der NVA absolvierte und von 1962 bis 1964 im VEB Kabelwerke Berlin-Oberspree, Betriebsteil Schwerin, den Beruf eines Kabelfacharbeiters erlernte. Nach kurzer Tätigkeit als Facharbeiter wurde er als Lehrausbilder eingesetzt. Aufgrund seiner aktiven gesellschaftlichen Arbeit und seines klassenbewussten Auftretens wurde er als FDJ-Sekretär gewählt. Von 1969 bis 1970 absolvierte er erfolgreich ein Studium als Elektro-Ingenieur und als Ingenieur-Pädagoge. Von 1974 bis 1976 absolvierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin ein Spezialstudium für leitende Kader und wurde 1976 als hauptamtlicher Parteisekretär des VEB Kabelwerke Nord Schwerin eingesetzt.
Schulz ist Mitglied des FDGB, der DSF und gehört seit 1965 den Kampfgruppen1 an. Es wurde eingeschätzt, dass er eine aktive gesellschaftliche Arbeit leistet, eine konsequente parteiliche Haltung einnimmt, fundierte Kenntnisse des Marxismus-Leninismus besitzt und eine vorbildliche Disziplin und Arbeitseinstellung hat.
Entsprechend seinen Angaben in den Personalunterlagen hat Schulz keine Verwandten ersten oder zweiten Grades in nichtsozialistischen Staaten oder Westberlin.
Schulz ist verheiratet. Seine Ehefrau, Schulz, Almut (33), ist als Angestellte im VEB Kabelwerke Nord tätig. Sie ist Mitglied der SED und besucht zurzeit die Bezirksparteischule.
Der Vater des Schulz (66) war vor 1945 Mitglied der NSDAP und der SA. Seit 1946 gehört er der SED an. Er ist Rentner. Der Schwiegervater des Schulz, Dr. Matteikat, ist Mitglied der SED und am Institut des ZK der SED zur Ausbildung von Kadern für die sozialistische Landwirtschaft in Schwerin tätig.
Wie weiter festgestellt wurde, hat Schulz seit 1972 mehrmals Einsätze im Raum Bremen/Oldenburg durchgeführt.
Die Untersuchungen des MfS zur allseitigen Aufklärung der Ursachen Motive und begünstigenden Bedingungen des Verrats des Schulz werden in Zusammenarbeit mit der Bezirksleitung der SED Schwerin fortgeführt.