Pressemeldung zu einer Trauung in der westdeutschen Botschaft in Prag
21. April 1977
Information Nr. 246/77 über Ergebnisse der Überprüfungen zur Presseveröffentlichung der »Berliner Morgenpost« vom 15.4.1977 unter der Überschrift »Bonn lehnt Trauung in der Botschaft in Prag ab«
Die Überprüfungen des MfS zu der in der »Berliner Morgenpost« veröffentlichten Meldung über die Verweigerung der Trauung zwischen dem Bürger der BRD [Name 1] und der Bürgerin der DDR [Name 2] durch die Botschaft der BRD in der ČSSR1 ergaben, dass diese Behauptungen nicht den Tatsachen entsprechen. Die [Name 2] hat weder allein noch gemeinsam mit [Name 1] Vertretungen nichtsozialistischer Staaten in der ČSSR aufgesucht. Bei [Name 1] handelt es sich um eine feindlich eingestellte Person, die ständig provokatorisch und demonstrativ gegenüber den staatlichen Organen auftrat und 1974 aus sicherheitspolitischen Gründen mit seiner damaligen Ehefrau die Genehmigung zur Übersiedlung erhielt. Bei den angeführten Personen handelt es sich um [Name 2, Vorname], geb. am [Tag] 1955, wohnhaft: Dresden, [Adresse], ohne erlernten Beruf, tätig als Angestellte bei der Schauspielerin [Vorname Name 3] in Dresden, und [Name 1, Vorname], geb. am [Tag] 1944, wohnhaft: Dortmund, [Adresse], ohne erlernten Beruf (aufgrund rechtswidriger Übersiedlungsersuchen aus der Staatbürgerschaft der DDR entlassen und am 9.9.1974 gemeinsam mit damaliger Ehefrau nach der BRD übergesiedelt).
Die DDR-Bürgerin [Name 2] arbeitete nach Abschluss der Klasse 8 der POS zunächst zwei Jahre als Büroangestellte im VEB Baumschulen Dresden, wechselte danach mehrfach die Arbeitsstellen (letztmalig am 1.3.1977) und war u. a. als Blumenpflegerin, Telefonistin, Tierpflegerin sowie Serviererin tätig. Sie ist politisch nicht organisiert und beteiligt sich in keiner Weise an der gesellschaftlichen Arbeit. Die Mutter der [Name 2] ist als Sachbearbeiterin im VEB TUR Dresden tätig und unterstützt die Übersiedlungsabsichten ihrer Tochter.
Die [Name 2] stellte erstmalig am 25.5.1976 ein rechtswidriges Ersuchen auf Übersiedlung nach der BRD an den Rat des Stadtbezirkes Dresden-Ost, Abteilung Innere Angelegenheiten, welches sie mit der beabsichtigten Eheschließung mit dem BRD-Bürger [Name 1] begründete. Nach der Ablehnung dieses Ersuchens richtete die [Name 2] noch im Jahre 1976 diesbezüglich vier »Eingaben« an die staatlichen Organe der DDR, u. a. in zwei Fällen an den Staatsrat der DDR sowie an das MdI. Die von der [Name 2] gefertigten »Eingaben« lassen eine feindlich-negative Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung sowie das Bestreben erkennen, unter allen Umständen nach der BRD zu gelangen. In ihren »Eingaben« beruft sie sich auf die Schlussakte der KSZE2 und auf die Erklärung des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR vom 1.11.1976.3 Sie bringt darin u. a. zum Ausdruck, dass man die DDR-Bürger ins »Zuchthaus« treibt, da die DDR für humanitäre Anliegen nur »taube Ohren« habe. Außerdem hat sich die [Name 2] im Herbst des vergangenen Jahres brieflich an die Regierung der BRD gewandt zwecks »Unterstützung« ihrer rechtswidrigen Aktivitäten.
Des Weiteren hat sie Kenntnis darüber, dass sich [Name 1] bezüglich der Unterstützung ihrer Übersiedlungsabsichten an verschiedene staatliche Stellen und Organisationen der BRD sowie an Organisationen der UNO gewendet hat.
Am 15.4.1977 wurde der [Name 2] durch den Rat des Stadtbezirkes Dresden-Ost, Abteilung Innere Angelegenheiten, die Übersiedlung nach der BRD endgültig abgelehnt, da entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR keinerlei Gründe für eine Genehmigung vorliegen.
Wie die Überprüfungen weiter ergaben, hat die [Name 2] den [Name 1] 1974 während ihrer Tätigkeit als Serviererin in Dresden kennengelernt. Da der [Name 1] zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, bestand nur ein loser persönlicher Kontakt.
Nach der Übersiedlung des [Name 1] (nach Angaben der [Name 2] habe sie nicht dazu beigetragen, dass sich [Name 1] habe scheiden lassen), festigte sich 1976 dieser Kontakt durch briefliche Verbindungen sowie Treffs in der ČSSR. (Die [Name 2] legte in diesem Zusammenhang die Abschrift eines Urteils des Landgerichts Dortmund vor, wonach die Ehe des [Name 1] am 13.1.1976 rechtskräftig geschieden wurde.) Im Rahmen dieser Kontakte zu dem [Name 1] erfolgte auch die feindliche Beeinflussung der [Name 2]. Seit einem halben Jahr sollen nach Angaben der [Name 2] keine Treffs mehr in der ČSSR stattgefunden haben. Gegenwärtig stehen beide in brieflicher und telefonischer Verbindung. Aus einer gegenüber den zuständigen staatlichen Organen der DDR seitens der [Name 2] abgegebenen schriftlichen Erklärung geht hervor, dass sie während ihrer Reisen nach der ČSSR weder allein noch mit dem [Name 1] gemeinsam Vertretungen nichtsozialistischer Staaten aufgesucht habe.
[Name 1] war bis zur Übersiedlung nach der BRD im September 1974 im Bezirk Karl-Marx-Stadt in 13 verschiedenen Betrieben vorwiegend als Transportarbeiter und Kraftfahrer tätig.
Er nahm eine negative Haltung zur Erfüllung seiner beruflichen Tätigkeit ein und hat eine feindliche Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung.
So verherrlichte er z. B. ständig die Verhältnisse in der BRD, bezichtigte die DDR des Zwanges und der Unfreiheit, lehnte die Ableistung des Grundwehrdienstes mit der Waffe ab, nahm nicht an den Volkswahlen teil und trat 1965 aus dem FDGB aus. Bereits im Jahr 1967 stellte der [Name 1] gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau […] ein rechtswidriges Ersuchen auf Übersiedlung zu seinem in der BRD wohnhaften Vater. Nachdem er in den nachfolgenden Jahren vier weitere derartige Ersuchen gestellt hatte, trat er im Jahr 1973 im Zusammenhang mit deren Ablehnung gegenüber den zuständigen staatlichen Organen provokatorisch auf, indem er u. a. demonstrativ seinen Personalausweis zerriss. Ein erneutes rechtswidriges Übersiedlungsersuchen im Jahr 1974 wurde aufgrund seines permanenten politisch-negativen Auftretens und damit im Zusammenhang stehender sicherheitspolitischer Aspekte genehmigt.
[Name 1], der bis zu seiner Übersiedlung bereits das dritte Mal verheiratet war […] hatte vorwiegend Kontakt zu politisch gleichgesinnten […] Personen. Zu diesem Personenkreis unterhält er auch gegenwärtig noch postalische Verbindungen.
Nach den bisherigen Ergebnissen der Überprüfung hat der [Name 1] mit feindlicher Zielstellung und im engen Zusammenwirken mit der Springer-Presse diese Veröffentlichung in der Westpresse inszeniert. Ziel dieser und anderer entsprechender Veröffentlichungen durch das Hochspielen über [sic!] sogenannte Einzelschicksale in der DDR ist, die DDR Verletzungen der Menschenrechte zu bezichtigen und die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung zu diskriminieren.
Die DDR soll mit diesen feindlichen Aktivitäten offensichtlich zum »Nachgeben« gezwungen und damit auch zur Genehmigung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen veranlasst werden.
Aus diesem Grunde wird vorgeschlagen, den rechtswidrigen Ersuchen der [Name 2] auf Übersiedlung auch zukünftig nicht stattzugeben. Durch das MfS sind im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Organen Maßnahmen eingeleitet worden, um die [Name 2] von feindlich-negativen Aktivitäten abzubringen und die feindlichen Auftragshandlungen des [Name 1] zu entlarven.