Probleme des Geheimschutzes im Zusammenhang mit Störungen in KKW
26. Juli 1977
Information Nr. 493/77 über Probleme des Geheimschutzes im Zusammenhang mit Störungen an Kernreaktoren des Typs WWER-440
In den Monaten April bzw. Mai 1975 mussten im Kernkraftwerk »Bruno Leuschner«, Greifswald, die Reaktoren 1 und 2 aus Sicherheitsgründen außer Betrieb genommen werden, da diese Schäden aufwiesen. (Beschädigungen an den Ummantelungen der Kassetten und Hüllen der Brennelemente in den Reaktoren.) Die Aufklärung der Schadensursachen und die Einleitung entsprechender Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden erfolgten durch eine Expertenkommission, der Spezialisten aus der UdSSR und DDR angehörten. (In diesem Zusammenhang sofort durchgeführte Überprüfungen in den Kernkraftwerken Kola/UdSSR und Koslyduy/Bulgarien, die mit gleichen Reaktoren des Typs WWER-440 ausgerüstet waren, hatten das gleiche Schadensbild erbracht.)
Von Anfang an wurde streng darauf geachtet, dass die Schadensart und Schadensursache im politischen und ökonomischen Interesse der UdSSR und DDR geheim gehalten werden, zumal auch Probleme der nuklearen Sicherheit eine Rolle spielten. In Anbetracht dieser Umstände wurden alle an der Untersuchung beteiligten Personen zur Geheimhaltung verpflichtet, ihre Arbeitsräume wurden speziell gesichert und der gesamte Reaktorsaal wurde zum Sperrbereich erklärt.
Auch der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEA)1 wurde in Abstimmung mit dem Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR lediglich mitgeteilt, dass »wahrscheinlich die Integrität von zwei Brennstoffkassetten nicht mehr gegeben ist«. Es gab seitens der DDR in diesem Zusammenhang auch keine Veröffentlichungen bzw. Berichte nach außen. Die Informierung der Partei- und Staatsführung der DDR erfolgte streng geheim.
Anlässlich einer Beratung der IAEA im Februar 1977 in Wien wurde dem Delegierten der DDR, Prof. Brinckmann, von kanadischen Vertretern jedoch erklärt, dass anlässlich eines »kanadisch-sowjetischen Seminars« im Jahre 1976 von sowjetischen Spezialisten ein Vortrag über Störungen an sowjetischen Kernreaktoren WWER-440 gehalten worden sei, der auch schriftlich vorliege. Prof. Brinckmann erhielt ein Exemplar dieses Vortrages mit dem Titel »Untersuchungen von Kassettenschwingungen der Kassetten ARK« von W. W. Stekolnikow, W. G. Fedorow, W. W. Ljaschenko, A. S. Sokolow und I. N. Testow. In diesem Vortrag wird konkret auf die 1975 im Kernkraftwerk »Bruno Leuschner« aufgetretenen technischen Schäden und deren Ursachen eingegangen. Der Vortrag beinhaltet weiterhin Angaben über daraus gezogene Schlussfolgerungen. (Eine Kopie dieses Vortrages liegt dem MfS vor.)