Probleme mit jugendlichen Arbeitern der »FDJ-Initiative Berlin«
25. August 1977
Information Nr. 568/77 über einige im Zusammenhang mit der Aufklärung einer Straftat festgestellten Probleme bei im Rahmen der »FDJ-Initiative Berlin« in der Hauptstadt berufstätigen Jugendlichen
Bei dem Versuch des ungesetzlichen Verlassens der DDR im Bereich der Hauptstadt der DDR wurden [Name 1, Vorname] (20), geb. am: [Tag] 1957, HW: Auma, Kreis Zeulenroda, [Adresse], NW: 113 Berlin, [Adresse] (Arbeiterwohnheim), Beruf: Maurer (Teilfachabschluss), organisiert: FDGB, [Name 2, Vorname] (21), geb. am: [Tag] 1955, HW: [Adresse], Kreis Lübz, NW: 113 Berlin, [Adresse] (Untermieter), Beruf: ohne, organisiert: FDJ, beide beschäftigt als Transportarbeiter im VEB Lufttechnische Anlagen Berlin, durch Angehörige der Grenztruppen der DDR festgenommen. Gegen beide Personen wurde durch die zuständigen Sicherheitsorgane ein Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet.
Im Ergebnis bisheriger Untersuchungen wurden sowohl zum Sachverhalt der Straftat als auch zu straftatbegünstigenden Umständen und Bedingungen folgende Feststellungen getroffen:
Beide Täter besuchten aufgrund vorhandener Bildungsschwäche die Sonderschule. Ihr Intelligenzgrad wird als unter dem Durchschnitt liegend und ihr Allgemeinwissen als sehr gering eingeschätzt. Sie verfügen über keine vollständig abgeschlossene Berufsausbildung.
Im Rahmen der »FDJ-Initiative Berlin«1 kamen beide Personen im April 1977 in die Hauptstadt und nahmen eine Tätigkeit als Transportarbeiter im VEB Lufttechnische Anlagen auf.
Die Arbeitsleistungen beider Personen werden als gut eingeschätzt. Es fehlt ihnen jedoch jegliche Eigeninitiative und das Bestreben, sich dem Leben des Arbeitskollektivs anzupassen. Ihre Freizeit verbrachten sie größtenteils in Gaststätten. Ständiger übermäßiger Alkoholgenuss führte zu Auseinandersetzungen mit der Vermieterin des Zimmers für [Name 2] (sie beabsichtigt, aufgrund des Verhaltens ihres Untermieters das bestehende Mietrechtsverhältnis mit dem VEB Lufttechnische Anlagen zu lösen), aber auch mit dem Leiter des Arbeiterwohnheimes (AWH) [Adresse] und mit Angehörigen der DVP. Letztere mussten [Name 1] und [Name 2] des Öfteren im volltrunkenen Zustand in ihre Unterkunft bringen.
Beide Täter unterlagen in hohem Maße der politisch-ideologischen Beeinflussung des Gegners. Sie waren ständige Empfänger westlicher Rundfunk- und Fernsehprogramme und nahmen kritiklos die von diesen Sendern ausgestrahlte staatsfeindliche Hetze gegen die DDR auf. Daraus resultiert auch ein bereits im Jahre 1976 gegen [Name 1] wegen Fahnenabriss verfügtes Ordnungsstrafverfahren.
Ein negativer Einfluss wurde auf sie auch durch den ständigen Umgang mit labilen, politisch ungefestigten und politisch-ideologisch negativ auftretenden Jugendlichen in Gaststätten der Hauptstadt und teilweise auch im Arbeiterwohnheim [Adresse] ausgeübt.
Die Ergebnisse der geführten Untersuchungen machen deutlich, dass die Auswahlkriterien der im Rahmen der »FDJ-Initiative Berlin« aus den Bezirken der DDR in die Hauptstadt zu delegierenden jungen Werktätigen sowohl in politisch-ideologischer, sicherheitspolitischer, fachlicher und auch moralischer Hinsicht nicht immer berücksichtigt werden. Relativ viele Jugendliche – darunter eine erhebliche Anzahl Jugendliche, die nicht Mitglied der FDJ sind – melden sich freiwillig für das Zentrale Jugendobjekt Berlin, jedoch mit der Zielstellung, dadurch ohne Komplikationen ihren Betrieb bzw. Wohnort verlassen und in Berlin »viel verdienen und etwas erleben« zu können. Andere Jugendliche versprechen sich bessere Entwicklungsmöglichkeiten bzw. eine ständige Ansiedlung in Berlin. Die Delegierung als FDJ-Auftrag zu verstehen, ist nicht in allen Fällen vorhanden.
Die im Rahmen der »FDJ-Initiative Berlin« aus den Bezirken der Republik nach Berlin delegierten Jugendlichen sind überwiegend in Arbeiterwohnheimen untergebracht, davon eine große Zahl im Arbeiterwohnheim Berlin-Lichtenberg, [Adresse]. Die Heim- und FDJ-Leitung des Wohnheimes unternimmt im Zusammenwirken mit anderen zuständigen gesellschaftlichen Kräften alle Anstrengungen, den dort wohnenden Personen gute Unterkunftsmöglichkeiten und eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu gewähren und die Ordnung und Sicherheit in den Objekten durchzusetzen. Die Mehrzahl der Heimbewohner interessiert sich jedoch nicht für ein geordnetes Freizeitleben, sondern zieht den Aufenthalt in Gaststätten bzw. Zechgelage in den Wohnunterkünften des Heimes vor.
Es kommt zu vielfältigen Verstößen gegen die Heimordnung in der Hinsicht, dass
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sich Besucher (vielfach weibliche Personen) unangemeldet im AWH aufhalten,
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illegale Übernachtungen von Heimbewohnern geduldet werden,
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Wohnräume und sanitäre Anlagen stark verschmutzt werden (z. B. Fußabdrücke an Wänden und Zimmerdecken),
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Einrichtungsgegenstände demoliert werden und
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durch mangelhaften Verschluss der Wohnungen begünstigende Bedingungen für Straftaten entstehen.
Der übermäßige Alkoholgenuss durch eine große Zahl von Heimbewohnern führte weiterhin zu die Ordnung und Sicherheit gefährdenden Handlungen, wie z. B. Körperverletzungen und Rauchen im Bett. Seit dem 3. März 1977 mussten aus dem AWH [Adresse] insgesamt acht Personen ausgewiesen werden, weil sie in grober Weise gegen die Heimordnung verstoßen haben. Drei Jugendliche davon, die gemeinsam eine Wohnungseinheit bewohnten, störten ständig die Nachtruhe anderer Heimbewohner und gefährdeten die öffentliche Sicherheit durch das Herauswerfen von Flaschen und anderen Gegenständen aus dem Fenster.
Die Unterstützung der zuständigen Funktionäre des AWH [Adresse] für die Erziehung der Heimbewohner zu Ordnung und Sicherheit seitens der FDJ-Kreisleitung wird von diesen Funktionären als nicht ausreichend eingeschätzt. Auf den Vorschlag der Aktivleiterin der FDJ dieses AWH, eine FDJ-Ordnungsgruppe zu bilden, sei ihr vom 2. Sekretär der FDJ-Kreisleitung Berlin-Lichtenberg erklärt worden, dass dieses Problem nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kreisleitung falle, sondern vom Zentralrat der FDJ gelöst werde.
Ähnliche Probleme treten auch in den Betrieben auf, in denen im Rahmen der »FDJ-Initiative Berlin« in die Hauptstadt gekommene Jugendliche beschäftigt sind. So ist z. B. die FDJ-Grundorganisation des VEB Lufttechnische Anlagen Berlin derzeitig durch Jugendfreunde aus den Bezirken der Republik zahlenmäßig erheblich angewachsen. Den damit entstandenen größeren organisatorischen Anforderungen wurde die Zentrale FDJ-Leitung des Betriebes nur ungenügend gerecht. Die in den vorhandenen Konzeptionen enthaltenen politisch-ideologischen und erzieherischen Probleme wurden zu wenig umgesetzt. Das zeigt sich u. a. besonders in Folgendem:
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Politisch-ideologische Schwerpunkte werden aufgrund der geringen Erfahrungen und wegen mangelnden politischen Einsatzes nicht genügend erfasst;
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die Anleitungen durch die Zentrale FDJ-Leitung sind qualitativ teilweise nicht ausreichend;
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organisatorische und administrative Arbeiten überwiegen;
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die staatlichen Leiter messen der FDJ-Arbeit zu wenig Bedeutung bei und unterstützen die Zentrale FDJ-Leitung nur mangelhaft.
Durch diese Ursachen bedingt, werden in vielen Fällen die aus der Republik nach Berlin delegierten Jugendlichen auch in den Betrieben nicht genügend in die kollektive und gesellschaftspolitische Mitarbeit einbezogen und suchen einen Ausweg in individueller Freizeitgestaltung. Daraus resultieren begünstigende Bedingungen für einen Lebenswandel, der nicht den Normen des sozialistischen Zusammenlebens entspricht sowie für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten.
Es wird vorgeschlagen, über die für das Zentrale Jugendobjekt »FDJ-Initiative Berlin« zuständige Abteilung im Zentralrat der FDJ und über das Sekretariat der Bezirksleitung Berlin der FDJ stärker erzieherisch im Freizeitsektor der im Rahmen dieser Initiative in der Hauptstadt der DDR beschäftigten Jugendlichen wirksam zu werden und die Zusammenarbeit mit den Leitern und FDJ-Leitungen der genannten Wohnheime und Betriebe zu verbessern.