Probleme mit Transformatoren für KKW
30. September 1977
Information Nr. 602/77 über den gegenwärtigen Entwicklungsstand bei der Beseitigung von Unsicherheitsfaktoren an regelbaren Block- und Netztransformatoren
Ausgehend von den im Vorjahr im Zusammenhang mit einer Transformatorenhavarie im VEB Kernkraftwerk »Bruno Leuschner« Greifswald (29.5.1976) getroffenen Feststellungen, über die das MfS am 22.10.1976 ([Information] Nr. 721/76) informierte, wird nachstehend auf wesentliche, den gegenwärtigen Stand kennzeichnende sowie auf noch weiter zu klärende Probleme hingewiesen.
Bei den im Vorjahr geführten Untersuchungen wurden bestehende Konstruktionsmängel und fehlende Reparaturkapazitäten festgestellt, die letztlich zu einer unzureichenden Verfügbarkeit der vom VEB Transformatorenwerk Oberschöneweide (TRO) gefertigten regelbaren Block- und Netztransformatoren führten. Dabei wurde u. a. auf die vorrangige Bedeutung der Abführung und Übertragung der in den Kraftwerken erzeugten Elektroenergie und auf die labile Situation auf diesem Gebiet hingewiesen und vor allem auf die vielfältigen und zum Teil äußerst akuten Gefahren aufmerksam gemacht, die in Anbetracht der ungenügenden Verfügbarkeit der regelbaren Block- und Netztransformatoren für die Volkswirtschaft der DDR hervorgerufen werden können.
Fachexperten unterbreiteten in diesem Zusammenhang zugleich Vorschläge zur Überwindung der Situation und zur Sicherung der stabilen Versorgung der Volkswirtschaft mit Elektroenergie.
Aufgrund dieser Feststellungen und Vorschläge wurde im November/Dezember 1976 eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Generaldirektors der VVB Automatisierungs- und Elektroenergieanlagen Berlin (VVB AEA), Engelmann, tätig, die zu den aufgeworfenen Schwerpunktfragen weitere umfangreiche Überprüfungen durchführte. (Dabei wurden die wesentlichen aufgezeigten Mängel vollinhaltlich bestätigt.) Im Ergebnis dieser Überprüfungen wurde ein Gutachten (15.12.1976) erarbeitet und gleichzeitig ein verantwortungsbezogener und terminierter Maßnahmeplan vorbereitet. Dieser Maßnahmeplan beinhaltet ein Sofortprogramm sowie Vorschläge für langfristig wirksam zu machende Maßnahmen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, so schätzen die beteiligten Fachexperten ein, sind die wesentlichen Aufgaben des Sofortprogramms erfüllt bzw. teilweise realisiert worden. Ungeklärt ist zurzeit noch die Lösung bezüglich der Methode bzw. des Verfahrensweges zur messtechnischen Überprüfung der als akut gefährdet eingestuften Wenderkontaktsysteme in den Transformatoren bei den Übergangswiderstandsmessungen mit einem vom VEB TRO entwickelten Messsystem. (Im Kollektiv der Arbeitsgruppe wird an der endgültigen Lösung dieses Problems weitergearbeitet.)
Im Rahmen der langfristig vorgesehenen Maßnahmen konnte eine Reihe der vorgeschlagenen Aufgaben in den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen bereits bearbeitet und teilweise erfolgreich abgeschlossen werden.
Dies trifft sowohl auf die Fragen der allseitigen Durchsetzung des Qualitätssicherungssystems, der Forschung und Entwicklung zur Beseitigung konstruktiver Mängel an den Stufenschaltern, Kontaktsystemen u. a. Anlagenteilen als auch auf die Probleme der Grundlagenforschung am Isoliersystem Öl-Papier sowie andere Detailprobleme im VEB TRO zu.
Im Rahmen der Arbeitsgruppe, unter der Leitung der VVB Automatisierung und Elektroenergieanlagen sowie unter Einbeziehung weiterer Fachexperten aus anderen Zuständigkeitsbereichen (VVB Kraftwerke, VVB Energieversorgung, VEB Verbundnetz, VEB TRO), wurde jedoch erkannt, dass mit den gegenwärtig vorhandenen Reparatur- und Überwachungskapazitäten die zurzeit in der Energieversorgung vorhandenen Unsicherheits- und Störfaktoren bei den regelbaren Block- und Netztransformatoren nicht zu lösen sind. Es wurde u. a. festgestellt, dass gegenwärtig 126 derartige Transformatoren havariegefährdet und als eine absolute Stör- und Havariequelle mit möglichen Schadensauswirkungen für die Volkswirtschaft zu betrachten sind. Dazu zählen u. a. alle Kontaktsysteme, die in der Zeit von 1964 bis 1975 hergestellt und in Transformatoren dieses Typs eingebaut wurden. Es handelt sich ausschließlich um regelbare Block- und Netztransformatoren, die eine stabile Abführung, Übertragung und Verteilung der Elektroenergie aus den Kraftwerken in die Wohngebiete und Produktionsbetriebe zu gewährleisten haben. Die Experten vorgenannter Arbeitsgruppe weisen unter den gegenwärtigen Umständen darauf hin, dass im Havariefall eines regelbaren Blocktransformators in einem Großkraftwerk größere Flächen- bzw. Gebietsabschaltungen nicht auszuschließen sind.
Durch die Arbeitsgruppe wurde darüber hinaus nach umfangreichen Überprüfungen festgestellt, dass die gegenwärtig vorhandenen Reparatur- und Revisionskapazitäten für Block- und Netztransformatoren in den Größenordnungen über 125 bis 380 MVA völlig unzureichend sind und eine schnellstmögliche Änderung dieser Sachlage herbeigeführt werden müsse.
Gegenwärtig bestehen nur im VEB TRO die technischen Voraussetzungen für derartige Reparaturen und Revisionen. Im Energiekombinat West, Betriebsteil Reparaturwerk Halle-Büschdorf, können zurzeit aus technischen Gründen (fehlende Montagehalle, Krananlage, Trockenöfen etc.) Transformatoren nur bis zur Größenordnung 125 MVA in Bearbeitung genommen werden.
Da der VEB TRO in erster Linie Produktionsaufgaben zu erfüllen hat, die auch eine Steigerung des NSW-Exportes einschließen, kann er die notwendigen Revisionen und Reparaturen der regelbaren Block- und Netztransformatoren nicht durchführen. Aufgrund dieser Tatsache konnte beispielsweise der VEB TRO für das Jahr 1978 nur noch insgesamt zwei Reparaturen und fünf Revisionen übernehmen. Das sind ca. 50 % weniger als im Jahre 1977. Experten schätzen ein, dass jede zusätzliche Reparatur im VEB TRO zulasten der Neuproduktion geht.
In Anbetracht dieser Sachlage wurde durch die Arbeitsgruppe im Januar 1977 eine Vorlage erarbeitet und es wurden Maßnahmen zur Beseitigung dieses Schwerpunktproblems vorgeschlagen. Dazu gehören vor allem Maßnahmen für die Erweiterung der Reparatur- und Revisionskapazität durch den Ausbau des Betriebsteils Reparaturwerk Halle-Büschdorf im VEB Energiekombinat West.
Diese Vorlage befindet sich gegenwärtig noch in der Abstimmungsrunde. Das Projekt sieht einen Investaufwand in Höhe von 41,7 Mio. Mark vor; davon beträgt der Bauanteil 21,4 Mio. Mark. Nach Meinung von Fachexperten bereite die durchgängige Absicherung dieses Bauanteils große Schwierigkeiten und könne deshalb bisher noch nicht bilanziert werden.
Bei Verwirklichung der Vorlage könnte nach Auffassung der Experten das Sanierungsprogramm bei den derzeit gefährdeten regelbaren Block- und Netztransformatoren bis etwa 1985 abgeschlossen werden, wobei sich der Zyklus der Reparaturen etwa alle zehn Jahre wiederholen werde.
Es wird empfohlen, dass die Arbeitsgruppe – so wie bisher – mit allen Kräften und Mitteln, besonders durch komplexe Kontrollmaßnahmen, die Lösung dieses volkswirtschaftlich bedeutsamen Problems weiterhin aktiv unterstützt und für eine zielstrebige und geordnete Tätigkeit in allen Zuständigkeitsbereichen sorgt.
Darüber hinaus sollte die Abstimmung zum Entwurf einer Vorlage für das Erweiterungsvorhaben Betriebsteil Halle-Büschdorf kurzfristig zum Abschluss gebracht werden, damit die vorgezeichneten Aufgaben termingemäß realisiert werden können.