Reaktionen auf Preisveränderungen in der ČSSR (1)
28. Juli 1977
Erste Hinweise über Reaktionen im Zusammenhang mit den in der ČSSR vorgenommenen Preisveränderungen bei Einzelhandelspreisen [Bericht O/41]
Seit dem Inkrafttreten der Veränderungen von Einzelhandelspreisen in der ČSSR1 sind nach bisher vorliegenden Informationen der Passkontroll- und Zollorgane der DDR an der Staatsgrenze zur ČSSR keine Veränderungen im Verkehrsdurchlauf und in der Ausfuhr von Waren festzustellen. Die Anzahl der Einreisen von ČSSR-Bürgern entspricht den Werten des gleichen Zeitraumes des Vorjahres. Die bei der Ausreise aus der DDR durch Bürger der ČSSR mitgeführten Waren lagen im Rahmen des persönlichen Bedarfs. Veränderungen in der Warenstruktur aufgrund der in der ČSSR durchgeführten Preisregulierungen wurden bisher nicht festgestellt.
Von DDR-Bürgern, die sich als Touristen in der ČSSR aufhielten, wurde berichtet, dass sich am 22.7.1977 in verschiedenen Städten der ČSSR vor bestimmten Geschäften große Käuferschlangen gebildet hatten und dass kein Kaffee sowie kaum Kakaoerzeugnisse im Angebot waren. Am 23.7.1977 hatten außer einigen Lebensmittelgeschäften keine Einzelhandelsgeschäfte geöffnet. Verschiedentlich brachten aus der ČSSR zurückkehrende DDR-Touristen zum Ausdruck, dass man sich künftig für die umgetauschten Zahlungsmittel auch in der ČSSR kaum noch etwas kaufen könne.
In den bisher vorliegenden Meinungsäußerungen aus verschiedenen Kreisen der Bevölkerung der DDR ist erkennbar, dass von einem Teil der Bürger die Preisveränderungen in der ČSSR als der wirtschaftlichen Lage in der ČSSR entsprechende notwendige Maßnahmen eingeschätzt werden. Dabei wird als positiv hervorgehoben, dass Erzeugnisse für Kinder nicht in die Preiserhöhung einbezogen wurden und neben den Preissteigerungen auch wesentliche Preissenkungen erfolgten. Teilweise wurden Vergleiche mit der Preissituation in der DDR angestellt, wobei zum Ausdruck gebracht wird, dass es eine gute Sache sei, wenn trotz steigender Weltmarktpreise die Verbraucherpreise für Kaffee und Baumwollerzeugnisse in der DDR stabil geblieben sind.
Neben derartigen positiven Meinungsäußerungen gibt es in allen Bevölkerungskreisen Diskussionen und Spekulationen über mögliche bzw. bevorstehende Preiserhöhung in der DDR. In diesen Äußerungen werden vor allem solche Argumente gebracht, wie:
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bei den steigenden Weltmarktpreisen sei es auch der DDR auf die Dauer nicht mehr möglich, alles zu subventionieren,
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die Krise des Kapitalismus beeinflusse im immer stärkerem Maße auch die Wirtschaftslage in den sozialistischen Staaten und es sei zu bezweifeln, dass die DDR ihre bisherige Preispolitik beibehalten könne,
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es sei damit zu rechnen, dass in der DDR vorerst Erzeugnisse im »Luxusbereich« sowie Zement, Holz u. a. Baumaterialien für Privatbauten verteuert werden,
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es sei vorgesehen, für bestimmte Bekleidungsartikel die staatlichen Subventionen zu streichen und die Preise zu erhöhen, dafür aber die Kaffeepreise nicht anzuheben,
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in der DDR soll ab 1978 gemischter Kaffee hergestellt und verkauft werden, um die Preise stabil zu halten.
Insgesamt überwiegen jedoch die Spekulationen, dass in nächster Zeit auch in der DDR die Preise für Kaffee und Kakaoerzeugnisse erhöht werden.
Vereinzelt wird befürchtet, dass die Veränderungen der Einzelhandelspreise in der ČSSR in Bezug auf bestimmte Artikel starke Belastungen des Einzelhandels in der DDR nach sich ziehen könnten. In diesem Zusammenhang wurden auch Spekulationen bekannt, wonach zukünftig die Umtauschsätze für Zahlungsmittel bei Reisen in die ČSSR erhöht werden müssten.