Reaktionen auf Preisveränderungen in der ČSSR (3)
11. August 1977
Weitere Hinweise über Reaktionen im Zusammenhang mit der in der ČSSR vorgenommenen Preisveränderungen bei Einzelhandelspreisen sowie zu den Maßnahmen des Ministerrates der DDR zur Versorgung mit Kaffee- und Kakaoerzeugnissen [Bericht O/47]
Nach wie vor sind aus den vorliegenden Informationen der Pass- und Zollorgane der DDR keine Veränderungen im Verkehrsdurchlauf und in der Ausfuhr von Waren durch Bürger der ČSSR festzustellen. Die bei der Ausreise aus der DDR durch Bürger der ČSSR mitgeführten Waren lagen im Wesentlichen im Rahmen des persönlichen Bedarfs.
Die Reaktion der Bevölkerung auf die in der ČSSR erfolgten Preisveränderungen in der ČSSR1 nimmt nur noch einen geringen Raum ein. Die bekannt gewordenen Meinungsäußerungen beinhalten im Wesentlichen die gleichen Probleme und Argumente, wie sie in den Hinweisen vom 28.7. und 2.8.19772 bereits dargelegt wurden. Im Vordergrund der Diskussionen stehen gegenwärtig in allen Bevölkerungskreisen die Maßnahmen des Ministerrates der DDR zur Einsparung von Kaffee, Kakaoerzeugnissen und Südfrüchten.3
Dabei überwiegen vor allem Meinungsäußerungen zur veränderten Kaffeeversorgung. Vielfach wird zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der gestiegenen Weltmarktpreise für Rohkaffee und Kakaobohnen bereits entsprechende Maßnahmen auch für die DDR erwartet worden seien. Neben überwiegend zustimmenden Argumenten zu diesen Maßnahmen gibt es in relativ breitem Umfang kritische und unklare Meinungsäußerungen, die nach übereinstimmenden Einschätzungen eine ungenügende Informierung der Bevölkerung zum Ausdruck bringen. In vielen Diskussionen wird Kritik an der Informationspolitik geübt und Unverständnis darüber geäußert, dass in der Presse nicht über die Maßnahmen des Ministerrates zur Versorgungslage mit Kaffee Stellung genommen wurde.
Die Erklärung im »Neuen Deutschland« zur Veränderung der Einzelhandelspreise in der ČSSR4 hätte allgemeines Verständnis gefunden, und man könne deshalb nicht verstehen, weshalb man über die in der DDR beschlossenen Maßnahmen nicht auch in einer parteilich offenen Form in der Presse informieren könne. Verschiedentlich wurde in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob wir nicht stark genug seien, um die Bevölkerung offen und ehrlich über bestimmte Schwierigkeiten zu informieren. Von Mitarbeitern des Handels gab es solche Äußerungen, dass aufgrund der Nichtveröffentlichung der Maßnahmen die Konfrontation mit der Bevölkerung wieder einmal auf dem »Rücken des Handels« ausgetragen werde. In einigen Fällen gab es Diskussionen darüber, wieso nur die SED-Mitglieder informiert werden und ob sich darin das Vertrauen der Partei zu den Werktätigen zeige.
In Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit dem im Handel angebotenen Mischkaffee »Kaffee-Mix« und dem Wegfall der Sorte »Kosta« wurde u. a. zum Ausdruck gebracht, dass diese Maßnahmen
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als eine »schleichende Preissteigerung« angesehen werden müssen,
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negative Auswirkungen auf den Lebensstandard vor allem jener Bevölkerungskreise hätten, die ein relativ niedriges Einkommen beziehen,
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sich gegen die Rentner richten würden, da von diesen insbesondere die preisgünstige Kaffeesorte »Kosta« gekauft worden wäre.
Von Werktätigen wurde verschiedentlich Unverständnis darüber geäußert, dass in Gaststätten der Preisstufen 1 bis 3,5 in denen vorwiegend Arbeiter verkehren, nur noch »Kaffee-Mix« angeboten werden soll. Man halte diese Festlegung als nicht richtig durchdacht, da sie sich gegen den »kleinen Mann« richte.
In geringem Umfang wurden noch Gerüchte und Spekulationen über eventuelle Preiserhöhungen u. a. für Kakaoerzeugnisse, Tabakwaren, bestimmte Textilien, Musikinstrumente und Benzin bekannt.