Reaktionen der Bevölkerung auf die Übersiedlung Manfred Krugs
1. Juli 1977
Information Nr. 435/77 über erste Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Übersiedlung Manfred Krugs und die dazu erfolgte Pressemitteilung
Bisher bekannt gewordene Reaktionen lassen erkennen, dass es in allen Schichten der Bevölkerung der DDR Diskussionen zur Übersiedlung Krugs gibt, die jedoch insgesamt keinen breiten Raum einnehmen. In der Mehrzahl der Meinungsäußerungen wird die Genehmigung der Übersiedlung des Krug durch die zuständigen staatlichen Organe der DDR aus einer positiven politischen Haltung heraus als richtig und notwendig bezeichnet. Ausgehend von seinen Entwicklungsmöglichkeiten in der DDR, der er sein erreichtes Profil als Künstler zu verdanken habe, wird sein Verhalten missbilligt. Dabei wird zum Ausdruck gebracht, dass man auf so einen Menschen wie Krug verzichten könne, wenn er nicht mit unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung verbunden ist.
Vielfach wird in diesem Zusammenhang Enttäuschung über seine jetzt an den Tag gelegte politische Haltung geäußert, die im krassen Gegensatz zu seinen zum Teil sehr positiven Rollen in Film und Fernsehen stehe. Krug müsse diese Rollen mit »einer Maske gespielt« haben.
Wiederholt wurde in diesem Zusammenhang geäußert, dass vonseiten der staatlichen Organe der DDR gegenüber den Künstlern zu viel Toleranz und Großzügigkeit an den Tag gelegt werde. Das betreffe sowohl ihre ideologischen Positionen als auch materielle und finanzielle Fragen. Unvertretbar hohe Vergütungen und viele ungerechtfertigt eingeräumte Privilegien hätten bei einem Teil der Künstler ein »geheucheltes Bewusstsein« erzeugt und sie von der Masse der Werktätigen getrennt.
In Einzelmeinungen aus Kreisen positiver Kulturschaffender wird Krug als profilierter Schauspieler mit einem sehr schlechten Charakter bezeichnet. Seine Entscheidung, nach Westberlin zu gehen, sei genauso gewissen- und charakterlos wie sein ganzes Leben in der DDR. Sein ganzes Streben sei darauf gerichtet gewesen, im Mittelpunkt zu stehen, der »Größte« zu sein und materielle Werte anzuhäufen.
Vielfach wird von Angehörigen aller Bevölkerungsschichten die Meinung vertreten, dass Krug zu viel Geduld entgegengebracht worden sei und er schon viel eher hätte »abgeschoben« werden sollen. In diesem Zusammenhang äußerten eine Reihe Bürger ihr Unverständnis darüber, dass Krug bei dem am 19.6.1977 im DDR-Fernsehen gesendeten Film »Der rasende Roland«1 für die musikalische Gestaltung eingesetzt wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits seine bevorstehende Übersiedlung klar war.
Verschiedentlich wurde auch die Frage aufgeworfen, ob es nicht möglich gewesen wäre, Krug als profilierten Schauspieler zu überzeugen, in der DDR zu bleiben. Dabei wird insbesondere von Jugendlichen zum Ausdruck gebracht, dass die Ausreise von Krug ein »großer Verlust« für Film und Fernsehen der DDR sei.
In Einzelfällen gibt es solche Diskussionen und Spekulationen wie:
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Krug wurde die Ausreise gestattet, weil ihn die DDR als einen der Mitinitiatoren der Unterschriftensammlung für Biermann2 los sein wollte,
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es würden noch weitere Künstler auf diesem Wege die DDR verlassen, u. a. auch der Schauspieler Armin Mueller-Stahl.
Sympathiebekundungen für Krug sind bisher nur in wenigen Fällen bekannt geworden. So äußerte u. a. der Schriftsteller Martin Stade, dass Krug unter den Verhältnissen in der DDR nicht mehr leben konnte, da er »als Künstler nicht frei seine Meinung sagen durfte«. Für einen Künstler sei »nicht das Geld entscheidend, sondern die Freiheit, seine ideologischen Ansichten vertreten zu können«. In ähnlichen Diskussionen wird noch betont, dass die Ausreise von Krug eine Lücke im kulturellen Leben der DDR hinterlasse, weil er ein überdurchschnittlicher und sehr kritischer Schauspieler war. Aus diesem Grunde hätte man ihn auch in der DDR »kaltgestellt«.
Ausgesprochen negative und feindliche Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit der Übersiedlung Krugs wurden bisher nicht bekannt. Es liegen jedoch Hinweise vor, wonach einzelne Personen, deren widerrechtliche Ersuchen auf Übersiedlung und Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR von den zuständigen staatlichen Organen der DDR abgelehnt wurden, mit provokatorischen Äußerungen in Erscheinung traten. In derartigen Äußerungen wurde u. a. zum Ausdruck gebracht, dass es sich im Falle Krug wieder einmal zeige, dass »in der DDR mit zweierlei Maß gemessen werde«. Bekannte Leute dürften ausreisen, während die »kleinen Leute« abgewiesen oder sogar inhaftiert würden.
In einer Reihe von Diskussionen wird zur Pressemitteilung über die Übersiedlung Krugs Stellung genommen und Kritik an der späten Informierung durch die Publikationsorgane der DDR geübt. Dadurch, dass die westlichen Massenmedien bereits vor dessen Übersiedlung den »Fall Krug« ausführlich propagierten, hätte der Gegner die Möglichkeit gehabt, seine »Argumente« zu verbreiten und Spekulationen in bestimmten Kreisen der DDR-Bevölkerung zu nähren. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, weshalb die Pressemitteilung so kurz gehalten und keine nähere Erläuterung gegeben wurde. Sie sei für die Auseinandersetzung mit den vom Gegner verbreiteten »Versionen und Argumenten« nicht geeignet.3 Es hätten aus früheren ähnlichen Fällen entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden sollen.