Reaktionen Stefan Heyms auf ein Gespräch mit Kulturminister Hoffmann
26. September 1977
Hinweise auf Reaktionen Stefan Heyms auf das Gespräch beim Minister für Kultur, Genossen Hoffmann, am 12.9.1977 [Bericht K 3/20]
Am 12.9.1977 führte Genosse Hoffmann mit Heym ein ca. dreistündiges Gespräch. (Er teilte ihm mit, es sei mit Befremden zur Kenntnis genommen worden, dass Heym am Kolloquium für osteuropäische Literatur in Venedig teilnehmen wolle. Auf einem Treffen antikommunistischer und antisowjetischer Scharfmacher, so müsse diese Zusammenkunft eingeschätzt werden, sei für Bürger der DDR kein Platz. Genosse Hoffmann legte Heym außerdem dar, dass seine angebliche Kritik am realen Sozialismus immer mehr in die Nähe der antikommunistischen Propaganda des Gegners gerät und mit Heyms antifaschistischer Vergangenheit nicht zu vereinbaren sei. Während des gesamten Gespräches zeigte Heym kaum Bereitschaft, von seinen bekannten Vorurteilen und Auffassungen zum realen Sozialismus in der DDR abzugehen. Hinweise von Genossen Hoffmann auf die objektiven Bedingungen des Kampfes beim Aufbau des Sozialismus bezeichnete er als »opportunistisches Denken« und »stalinistische Methode der Gesellschaftsanalyse«.)
Heym äußerte während des Gespräches die Absicht, sich zu erkundigen, wer auf dem genannten Kolloquium in Venedig – wo er im Übrigen gegen die Auffassung über eine sogenannte Dissidentenliteratur in der DDR auftreten wolle – anwesend sein werde.
Wie intern bekannt wurde, wandte sich Heym zu diesem Zweck an die italienische Botschaft in der DDR und erhielt am 16.9.1977 von dieser Auskunft, nach Mitteilung des Veranstalters würden führende europäische und amerikanische Schriftsteller teilnehmen, u. a. Grass, Moravia1 und Susan Sontag.
Darauf habe Heym gegenüber Mitarbeitern der italienischen Botschaft in der DDR geäußert, es sei »also genau das, woran er sich gern beteiligen würde«. Da er nun die Namen habe, bitte er, den Veranstalter zu informieren, »warum seine Nachfrage erfolgt« sei. »Mit seinen Behörden« wolle er jetzt »entsprechend verhandeln«.
Heym hat nicht – wie andere Kulturschaffende das bei ähnlichen Anlässen häufig taten – innerhalb seines engeren Verbindungs- und Vertrautenkreises über das Gespräch mit Genossen Hoffmann informiert. Seit der Mitteilung der italienischen Botschaft über weitere Teilnehmer am genannten Kolloquium ist er an einem weiteren Gespräch mit Genossen Hoffmann interessiert.
Er intensivierte seine Bemühungen, für die von ihm im Bertelsmann-Verlag München geplante Anthologie über DDR-Literatur unter dem Titel »Auskunft II«2 die Beiträge angeschriebener DDR-Autoren zu erhalten. Aus diesem Grunde setzte er sich u. a. mit Klaus Poche, Volker Braun, Helga Schütz, Egon Günter sowie Christa und Gerhard Wolf in Verbindung. Gegenüber Christa Wolf, die ihm erklärte, zurzeit keinen geeigneten literarischen Stoff zu haben, betonte Heym, er habe von verschiedenen jüngeren Autoren Beiträge, wolle aber unbedingt sie (Christa Wolf) in die Anthologie aufnehmen. Sicher brauche er ihr die Gründe dafür nicht zu erklären. Heym ist außerordentlich daran interessiert, einen Beitrag von Klaus Poche in die Anthologie aufzunehmen,3 zumal ein Roman-Manuskript Poches vom Aufbau Verlag Berlin zur Veröffentlichung abgelehnt wurde. (Die Ablehnung erfolgte ausschließlich aus Gründen mangelnder literarischer Qualität.)
Im Zusammenhang mit der Herausgabe der geplanten Anthologie stellte Heym beim Schriftstellerverband den Antrag auf eine mehrmalige Ausreise in die BRD im Zeitraum vom 25.10.1977 bis 31.3.1978. Aufgefordert, dem Verband eine Konzeption für die Anthologie vorzulegen, äußerte Heym, er betrachte dies als eine »Form der Zensur« und gleichzeitig des »Druckes, den man auf ihn auszuüben beabsichtigt«. Er drohte, den Reiseantrag zurückzuziehen, was für die DDR »unabsehbare Folgen« hätte. Erst eine nachdrückliche Feststellung des Verbandssekretärs, Genosse Henniger, dass ein derartiges Vorgehen normal sei und den Statuten entspricht, veranlasste Heym zu der mündlichen Erklärung, dass er dem Verband Einblick in das Anthologie-Vorhaben geben wird.