Untersuchung eines Brandes im Sozialgebäude des Uhrenwerks Ruhla
23. Mai 1977
Information Nr. 350/77 über vorliegende Aufklärungsergebnisse im Zusammenhang mit dem Brand eines Sozialgebäudes im VEB Uhren- und Maschinenkombinat Ruhla, [Kreis] Eisenach, [Bezirk] Erfurt, am 17.5.1977
Am 17. Mai 1977, gegen 9.15 Uhr, brach in einem Sozialgebäude des VEB Uhren- und Maschinenkombinat Ruhla in Ruhla, [Kreis] Eisenach, [Bezirk] Erfurt, ein Brand aus, der sich in kurzer Zeit zum Großbrand entwickelte und das Gebäude völlig zerstörte.
Bei dem Sozialgebäude (50 × 25 m Grundfläche), bestehend aus zwei Etagen, handelt es sich um ein 120 Jahre altes Haus, welches aufgrund erfolgter Brandschutzkontrollen im Februar 1977 als brandgefährdet eingestuft wurde. In diesem Gebäude befanden sich u. a. die Garderoben- und Aufenthaltsräume für 200 Betriebsangehörige, die Dienstzimmer des Brandschutzinspektors der VP, der Transportleitung und des Schrottbeauftragten, verschiedene Werkstätten von Handwerkern, Büroräume gesellschaftlicher Organisationen.
Durch den Brand ist ein Sachschaden in Höhe von ca. 2 Mio. Mark entstanden, einschließlich von der belgischen Firma Rosengarten importierter Uhrenfertigteile mit einem Wert von 1,23 Mio. Valuta-Mark.1
Bei diesen Importfertigteilen handelt es sich um 45 000 Laufwerke für 270 TVM, 9 500 Gehäuse für 23 TVM, 750 000 Zifferblätter für 750 TVM und 650 000 Zeigerspiele für 195 TVM.
Die durch das MfS im Zusammenwirken mit der DVP und anderen Fachexperten unverzüglich eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen des Großbrandes ergaben, dass dieser zweifelsfrei durch einen elektrischen Kurzschluss entstanden ist. Die unmittelbare Brandausbruchstelle befindet sich an einem elektrischen Verteilerkasten im Erdgeschoss des Gebäudes. Anhand der vorhandenen Merkmale wurde nachgewiesen, dass der Brand vom elektrischen Verteilerkasten aus in Richtung des im Erdgeschoss gelegenen Aufenthaltsraumes der Maler bzw. der Schuster- und Schneiderwerkstatt und an der Wand von oben nach unten in diesem Bereich verlaufen ist.
Auf den Sicherungsverschraubungen im Verteilerkasten waren metallische Abdampfungen vorhanden, deren Bildung Temperaturen von 2 000° bis 3 000° Wärme voraussetzen. Durch die Brandtemperaturen kann eine derartige Wärmeentwicklung nicht erreicht werden. Weiterhin wurden durch Lichtbogenbildung entstehende Metallverschmelzungen vorgefunden.
Die größten Branderscheinungen befinden sich über dem Verteilerkasten. Auch andere Spuren, wie z. B. sogenannte Muschelbildung an den Ziegelsteinen (muschelförmiges Abplatzen von Ziegelsteinteilen), bestätigen die Brandausbruchstelle.
Wie die Untersuchungen weiter ergaben, war die elektrische Installation ca. 30 Jahre alt. Aufgrund des Alters der elektrischen Leitungen kann, wie von den Sachverständigen eingeschätzt wird, eine erhebliche Isolationsminderung eingetreten sein, die letztlich zum Kurzschluss führte.
Begünstigend auf die schnelle Brandentwicklung hat sich am Brandausbruchsort befindlicher Vergaserkraftstoff ausgewirkt. Unmittelbar im Bereich der Brandausbruchstelle wurden mehrere 20-Liter-Benzinkanister vorgefunden. Nach ersten Feststellungen waren mindestens zwei Kanister mit Kraftstoff gefüllt. Der Kraftstoff bzw. die Kanister sind auf fahrlässige Weise von der GST bzw. der Transportgemeinschaft eingelagert worden.
Die Untersuchungen werden insbesondere mit der Zielstellung fortgesetzt, mögliches subjektives Einwirken und andere den Brandausbruch begünstigende Umstände umfassend aufzuklären. In Abhängigkeit von weiteren Untersuchungsergebnissen, insbesondere von Pflichtverletzungen, wird über die Einleitung strafrechtlicher Maßnahmen entschieden.