Untersuchung eines Brandes in einem NVA-Flieger-Bataillon
22. Februar 1977
Information Nr. 111/77 über die fahrlässige Verursachung eines Brandes durch einen Angehörigen der NVA im fliegertechnischen Bataillon [Nr.], 3. Luftverteidigungsdivision, Standort [Ort 1, Kreis], Bezirk Rostock
Am 13.2.1977, gegen 2.00 Uhr, verursachte der Gefreite [Name, Vorname], geb.: [Tag] 1955, wohnhaft: [Ort 2, Adresse], Beruf: Koch, zuletzt tätig gewesen im FDGB-Ferienheim [Name] in [Ort 3/Name der Insel], ledig, NVA seit November 1975 (Soldat im Grundwehrdienst), unter Alkoholeinfluss stehend mittels brennender Zigarette fahrlässig einen Brand im Wirtschafts- und Versorgungsgebäude des fliegertechnischen Bataillons [Nr.], 3. Luftverteidigungsdivision (3. LVD), Standort [Ort 1, Kreis].
Durch den Brand wurden der Dachstuhl eines Gebäudeflügels, dort gelagerte wertintensive Einrichtungsgegenstände, wie z. B. Polstermöbel, Schrankwände, Normausstattungsgerät der Küche, sowie die Unterkünfte von sowjetischen Service-Ingenieuren und Offizieren der NVA – insgesamt 36 Unterkünfte – mit allen Einrichtungs- und persönlichen Gegenständen, mehrere Ausgleichsbehälter der Objektheizung sowie drei Speisesäle vollständig vernichtet. Darüber hinaus trat durch die Löscharbeiten erheblicher Wasserschaden in den Küchenräumen ein. Es entstand ein Gesamtschaden von ca. 2 Mio. Mark.
Die durch das Ministerium für Staatssicherheit in Verbindung mit dem zuständigen Militärstaatsanwalt und einer Kommission der Nationalen Volksarmee geführten Untersuchungen ergaben:
[Name] ist als Koch in der Pilotenküche des fliegertechnischen Bataillons [Nr.] [Ort 1] eingesetzt.
Am 12.2.1976,1 gegen 21.30 Uhr, kehrte [Name] von einem ihm gewährten Ausgang, unter Einfluss von Alkohol stehend, in das Dienstobjekt zurück und betrat die sich im zentralen Wirtschafts- und Versorgungsgebäude befindliche Küche. Entgegen bestehender Befehle und Weisungen nahm er dort gemeinsam mit dem diensthabenden Koch weitere alkoholische Getränke zu sich. Danach ließ er sich durch den diensthabenden Koch eine im Dachgeschoss dieses Gebäudes untergebrachte Wäschekammer öffnen, in welcher durch das Küchenpersonal unberechtigt eine behelfsmäßige Schlafstelle eingerichtet worden war, die durch das Küchenpersonal nach Beendigung des Dienstes aus persönlicher Bequemlichkeit genutzt wurde, um sich den Weg bis zu den Unterkünften zu ersparen.
[Name], der vor dem Betreten der Wäschekammer eine Zigarette entzündet hatte, legte diese vor dem Entkleiden auf einen am Kopfende der Schlafstelle befindlichen Stapel Matratzen ab. Ohne das Weiterglimmen der Zigarette zu beachten, legte er sich hin und schlief unter Einwirkung des Alkohols sofort ein. Als [Name] gegen 2.00 Uhr durch Atemnot und Hitzeeinwirkung erwachte, standen bereits die Matratzen, ein Stützbalken der Dachkonstruktion und ein Vorhang in Flammen. [Name] verließ daraufhin sofort den Raum und alarmierte ebenfalls im Dachgeschoss untergebrachte sowjetische Service-Ingenieure und weitere Offiziere der NVA. Da das Feuer zu diesem Zeitpunkt bereits den überwiegenden Teil des in Holzbauweise gefertigten und mit Unterkünften ausgebauten Dachgeschosses erfasst hatte, unternahmen die Offiziere keine Handlungen, um den Brand zu löschen. Die gegen 2.10 Uhr am Brandort eintreffende Objektfeuerwehr begann mit der Bekämpfung des Brandes von außen, ohne jedoch Wirkung zu erzielen. Erst durch den Einsatz weiterer Löschzüge der Berufsfeuerwehr [Ort 4] und der Freiwilligen Feuerwehren aus [Ort 5], [Ort 1] und [Ort 6] konnte der Brand gegen 4.30 Uhr unter Kontrolle gebracht und gelöscht werden.
Im Ergebnis der geführten Untersuchungen wurde im Zusammenhang mit der Brandbekämpfung festgestellt:
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Die Objektfeuerwehr verfügt zwar über gute Kenntnisse und Fertigkeiten in der Bekämpfung von Flugzeughavarien, ist jedoch nur unzureichend für die Bekämpfung von Gebäudebränden ausgebildet.
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Im fliegertechnischen Bataillon [Nr., Ort 1] bestehen keine konkreten Einsatzdokumente zur Bekämpfung von Bränden im Objekt. Das hatte zur Folge, dass u. a. nur eine unzureichende Einweisung der aus den umliegenden Orten zum Einsatz gelangten Freiwilligen Feuerwehren hinsichtlich der Entnahme von Löschwasser außerhalb des Objektes durchgeführt werden konnte.
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Das Hydrantensystem innerhalb des Objektes weist erhebliche Mängel auf, der vorhandene Wasserdruck reicht nur zur Entnahme von Wasser aus einem Hydranten, ein Teil der Hydranten war eingerostet.
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Die Ordnung und Brandsicherheit im Wirtschafts- und Versorgungsgebäude wurde grob vernachlässigt (Duldung der Einrichtung behelfsmäßiger Schlafstellen und Entleeren von Aschenbechern in Papierkörben).
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Die Belehrungen zum Brandschutz erfolgten nur mündlich, es besteht darüber keine Nachweisführung.
Die durch das MfS geführten Untersuchungen zum Persönlichkeitsbild des [Name] ergaben:
[Name] entstammt einer Handwerkerfamilie. Er absolvierte die zehn Klassen der Polytechnischen Oberschule und erlernte danach den Beruf eines Kochs. Vor seiner Einberufung zur Ableistung des Wehrdienstes war er als stellvertretender Küchenleiter in einem FDGB-Ferienheim tätig. Wegen vorbildlicher fachlicher Leistungen erhielt er 1975 und 1976 das Bestenabzeichen der NVA. Am 28.6.1976 wurde [Name] zum Gefreiten befördert. Er ist bisher nicht vorbestraft.
Durch den zuständigen Militärstaatsanwalt wurde am 15.2.1977 gegen [Name] gemäß § 188 StGB – Fahrlässige Verursachung eines Brandes2 – ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf gleicher Rechtsgrundlage Haftbefehl erlassen.