Verbleib eines Arztes der Berliner Charité in der Schweiz
27. September 1977
Information Nr. 611/77 über den Verdacht des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch den Oberarzt der Charité, Dr. sc. med. Rieche
Nach dem MfS vorliegenden ersten Hinweisen besteht der Verdacht, dass der Dr. sc. med. Rieche, Klaus, geb. am: [Tag] 1937 in Wolfen, wohnhaft: 1115 Berlin, [Adresse], Oberarzt/Facharzt für Geschwulstkrankheiten in der Geschwulstklinik der Charité, parteilos, FDGB, DSF, verheiratet mit Rieche, Renate, geb. am: [Tag] 1944, Sängerin beim Leipziger Rundfunk, keine Kinder, die DDR ungesetzlich verlassen hat.
Wie bekannt wurde, hielt sich Dr. Rieche als Mitglied einer Delegation von Ärzten vom 18.9.1977 bis 23.9.1977 zu einem Internationalen Chemotherapie-Kongress in Zürich/Schweiz auf. Nach Mitteilung des Leiters dieser Delegation hat Dr. Rieche an allen Veranstaltungen des Kongresses teilgenommen. Am Tage der Rückreise in die DDR entfernte er sich mit unbekanntem Ziel von der Delegation und erschien zum Zeitpunkt der Abreise nicht auf dem Flugplatz.
Die bisherigen Untersuchungen des MfS zum Persönlichkeitsbild des Dr. Rieche ergaben, dass es sich um einen in der DDR und im Ausland anerkannten Arzt und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bekämpfung von Geschwulstkrankheiten und der Chemotherapie handelt. Dr. Rieche war seit 1961 an der Akademie der Wissenschaften, Berlin-Buch, Robert-Rössle-Klinik, zuerst als wissenschaftlicher Assistent und in der letzten Zeit als Oberarzt tätig. Seit 1975 ist er Oberarzt der Chemotherapeutischen Abteilung der Geschwulstklinik der Charité. Darüber hinaus hat Dr. Rieche folgende Funktionen in nationalen und internationalen Gremien:
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Sekretär der Gesellschaft für Geschwulstbekämpfung der DDR,
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Mitglied der Gesellschaft für Klinische Medizin,
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Mitglied der Hormon-Studiengruppe der Europäischen Gesellschaft für Krebsforschung.
Dr. Rieche wird durch seine bisherigen Arbeitsstellen und im Rahmen der Ausübung seiner Funktionen eine ausgezeichnete wissenschaftliche und fachliche Arbeit bescheinigt. Er gehört zum Auslandskaderstamm des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, ist bestätigter Reisekader und nahm seit 1968 insgesamt achtmal an wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen in nichtsozialistischen Staaten teil (USA, Frankreich, Italien, Österreich, Griechenland, Großbritannien, Schweiz). Hinweise für ein ungesetzliches Verlassen der DDR lagen nicht vor.
Der Vater des Rieche, Klaus, der ehemalige Direktor des Instituts für Organische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR und emeritierte Prof. Dr. Dr. Rieche, Alfred, geb. am: [Tag] 1902, wohnhaft: 1178 Berlin, war von 1946 bis 1951 in der UdSSR als Spezialist (Chemiker) tätig.
Dr. Rieche, Klaus, hat noch zwei Schwestern, beide Ärztinnen, die 1948 bzw. 1958 mit staatlicher Genehmigung der DDR nach der BRD verzogen sind.
Die Untersuchungen des MfS werden fortgeführt.