Verhaftung dreier westdeutscher Grenzverletzer
22. April 1977
Information Nr. 267/77 über die Festnahme von drei Bürgern der BRD nach ungesetzlichem Eindringen in das Staatsgebiet der DDR am 21. bzw. 22. April 1977 sowie über den Abschluss der Untersuchungen gegen die am 14. April 1977 von Westberlin aus rechtswidrig in die DDR eingedrungenen Einwohner von Berlin (West) [Name 4] und [Name 5]
1. Am 21.4.1977, gegen 13.20 Uhr, wurde im Raum Ummerstadt, Kreis Hildburghausen, der ungesetzlich in das Territorium der DDR eingedrungene Bürger der BRD [Name 6, Vorname], geb. [Tag] 1958, Beruf: ohne, zuletzt: Lackierer bei der Fa. [Name] in Großheirath, wohnhaft: Markt Einersheim, [Adresse], NW: Untermerzbach, [Ortsteil], durch die Grenztruppen der DDR ohne Anwendung der Schusswaffe vorläufig festgenommen.
Die durch das MfS geführten Untersuchungen ergaben:
Nach neunjährigem Besuch der Sondervolksschule nahm [Name 6] die Lehre als Maurer auf, die er nach einem Jahr wegen ungenügender Leistungen in der Berufsschule abbrechen musste. Danach nahm er eine Tätigkeit als Lackierer in Großheirath auf, die er bis April 1977 ausübte.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Seit Mitte März 1977 will sich [Name 6] […] bei einem Bekannten in Coburg aufgehalten haben.
Am 20.4.1977 habe er sich entschlossen, von Coburg aus per Autostop nach Hamburg zu gelangen, um sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Da dieses Vorhaben zunächst fehlschlug, will er in der Nacht vom 20. zum 21.4.1977 in einem Wald nahe der Staatsgrenze zur DDR übernachtet und sich – nachdem er den Grenzverlauf erkannt hatte – zum ungesetzlichen Eindringen in das Territorium der DDR entschlossen haben, um seinen Aussagen zufolge den Weg nach Hamburg abzukürzen.
Gegen 13.00 Uhr überwand [Name 6] im Bereich der 7. Grenzkompanie Ummerstadt unbemerkt die Grenzsicherungsanlagen, drang ca. 1 000 m in das Territorium der DDR ein und wurde gegen 14.00 Uhr nach Hinweisen aus der Bevölkerung durch Angehörige der Grenztruppen der DDR festgenommen.
[Name 6] will – seinen Angaben zufolge – keine weiteren Personen über seine Handlungen informiert haben. Er gibt an, sich voll bewusst gewesen zu sein, mit seiner Handlung die Staatsgrenze der DDR verletzt zu haben und rechtswidrig in das Staatsgebiet der DDR eingedrungen zu sein.
Es wird vorgeschlagen, gegen [Name 6] ein Ermittlungsverfahren wegen ungesetzlichen Grenzübertritts gemäß § 213 Abs. 1 StGB1 einzuleiten und Haftbefehl zu erwirken.
Weiter wird vorgeschlagen, über die Festnahme des [Name 6] die beigefügte Pressemitteilung (Anlage 1) zu veröffentlichen.
2. Am 22.4.1977, gegen 2.30 Uhr, wurden an der Grenzübergangsstelle Hirschberg die minderjährigen BRD-Bürger [Name 7, Vorname], geb. [Tag] 1960, Steinschleiferlehrling, Berufsschule in Wunsiedel, wohnhaft: Roth/BRD, [Adresse], und [Name 8, Vorname], geb. [Tag] 1960, Steinmetzlehrling, Berufsschule in Wunsiedel, wohnhaft: Schwürbitz/BRD, [Adresse], bei dem Versuch, sich der Kontrolle durch die Grenzsicherungskräfte zu entziehen, festgenommen.
Die bisherigen Untersuchungen des MfS ergaben:
[Name 7] und [Name 8] kennen sich durch ihren gemeinsamen Aufenthalt im Lehrlingswohnheim in Wunsiedel. Wegen erheblichen Alkoholgenusses und anderer Disziplinarverstöße seien sie – eigenen Angaben zufolge – am 21.4.1977 aus diesem Heim verwiesen worden. Um sich zu erwartenden Auseinandersetzungen im Elternhaus zu entziehen und aus Abenteuerlust wollen sie daraufhin beschlossen haben, die BRD zu verlassen.
Nach Verlassen des Heimes wollen sie in der Nähe von Wunsiedel den abgeparkten [sic!] Pkw vom Typ »Renault«, amtliches Kennzeichen […], entdeckt haben und entwendeten diesen.
Anschließend fuhren sie zum BRD-Grenzkontrollpunkt Rudolphstein, den sie ohne Kontrolle passierten, und in der weiteren Folge über die Staatsgrenze der DDR in den Bereich der Grenzübergangsstelle Hirschberg ein.
Als sie bemerkten, dass der Schlagbaum vor dem Kontrollterritorium der Grenzübergangsstelle Hirschberg geschlossen war, befürchteten sie, dass nach ihnen gefahndet wird. Daraufhin wendeten sie unmittelbar vor der Einfahrt in die Grenzübergangsstelle und versuchten, nach der BRD zurückzufahren, wobei ihre Festnahme erfolgte. Der Pkw wurde sichergestellt.
Aus internen Informationen wurde bekannt, dass in der BRD nach beiden Personen wegen des begangenen Kfz-Diebstahls gefahndet wird.
Es wird vorgeschlagen, gegen [Name 7] und [Name 8] gemäß § 213 StGB (Ungesetzlicher Grenzübertritt) Ermittlungsverfahren mit Haft einzuleiten und – unter Berücksichtigung des Alters der Festgenommenen – beschleunigt durchzuführen.
Des Weiteren wird vorgeschlagen, über die Festnahme beider Personen die beigefügte Pressemiteilung (Anlage 2) zu veröffentlichen.
3. Die Untersuchungen des MfS gegen die am 14.4.1977 von Westberlin aus widerrechtlich in die Hauptstadt der DDR, Berlin, eingedrungenen [Name 4, Vorname], geb. [Tag] 1951, wohnhaft: Berlin (West)-Wedding, [Adresse], und [Name 5, Vorname], geb. [Tag] 1958, wohnhaft: Berlin (West)-Wedding, [Adresse], wurden abgeschlossen.
Die Untersuchungen ergaben, dass beide Personen bewusst und vorsätzlich in die DDR eingedrungen und sich über die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen voll im Klaren waren.
Die in der Information Nr. 243/77 vom 15.4.1977 geschilderten Fakten haben sich voll bestätigt.
Es wird vorgeschlagen, [Name 4] und [Name 5] am 29.4.1977 vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte wegen Eindringens in die Hauptstadt der DDR gemäß § 213 StGB (Ungesetzlicher Grenzübertritt) zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen und Ausweisung aus der DDR zu verurteilen.
Weiter wird vorgeschlagen, unter Bezugnahme auf die am 16.4.1977 über ADN erfolgte Publizierung ihrer Festnahme2 die in der Anlage befindliche Meldung über ihre Verurteilung zu veröffentlichen (Anlage 3).
Anlage 1 zur Information Nr. 267/77
[Entwurf einer Pressemitteilung]
Grenzverletzer festgenommen
Berlin (ADN) Am 21. April 1977 drang der BRD-Bürger [Vorname Name 6] im Raum Hildburghausen ungesetzlich in die DDR ein. Er wurde festgenommen. Zur Untersuchung der näheren Umstände dieser Grenzverletzung wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen.3
Anlage 2 zur Information Nr. 267/77
[Entwurf einer Pressemitteilung]
BRD-Bürger festgenommen
Gera (ADN) Am 22. April 1977 näherten sich die BRD-Bürger [Vorname Name 7] und [Vorname Name 8] mit einem Personenkraftwagen der Grenzübergangsstelle Hirschberg. Sie versuchten, sich der Kontrolle durch die Grenzsicherungsorgane der DDR zu entziehen und wurden festgenommen. Der Pkw wurde sichergestellt. Die Umstände dieses Vorfalls werden durch die zuständigen Organe untersucht.4
Anlage 3 zur Information Nr. 267/77
[Entwurf einer Pressemitteilung]
Grenzverletzer aus Berlin (West) verurteilt
Berlin (ADN) Das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte verurteilte am … April 1977 die Einwohner von Berlin (West) [Vorname Name 4] zu … Monaten und [Vorname Name 5] zu … Monaten Freiheitsentzug. Beide waren am 14.4.1977 wie bereits gemeldet im Bereich Berlin-Mitte ungesetzlich in das Staatsgebiet der DDR eingedrungen. In der gerichtlichen Hauptverhandlung wurde bewiesen, dass [Name 4] und [Name 5] in provokatorischer Absicht diese Grenzverletzung begingen.5