Verhaftung eines Westberliner Grenzverletzers
29. September 1977
Information Nr. 612/77 über die erneute Festnahme des Westberliners Bürgers [Name, Vorname], nach erfolgtem ungesetzlichen Grenzübertritt
Am 28.9.1977, gegen 23.10 Uhr, wurde der [Name, Vorname] (41), geb. am [Tag] 1936 in Amtitz, wohnhaft: Berlin (West) 61, [Adresse], ledig, zzt. ohne Beschäftigung, durch Angehörige der Grenztruppen der DDR ohne Anwendung der Schusswaffe1 nach einem erneuten, von Westberlin aus erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt im Raum Berlin-Treptow festgenommen.
Der Grenzverletzer ist im Besitz eines behelfsmäßigen Westberliner Personalausweises.
Der [Name] hat damit seit 1974 bereits zum 13. Male (1977 allein zum 5. Male) ungesetzlich die Staatsgrenze der DDR von Westberlin aus überschritten. Er war letztmalig am 28.9.1977, nach vorangegangener Festnahme und ärztlicher Untersuchung, durch Mitarbeiter des MfAA der DDR an Vertreter der Gesundheitsbehörden des Westberliner Senats übergeben worden. [Name] ist nervenkrank und bedarf ständiger ärztlicher Behandlung.
Nach seinen eigenen Aussagen sei er am 28.9.1977 vom DRK in Westberlin der zuständigen Amtsärztin in Westberlin-Tiergarten vorgestellt und nach 20-minütiger Unterhaltung lediglich mit der Auflage entlassen worden, sich am 29.9.1977, 12.00 Uhr, beim zuständigen Sozialamt in Westberlin-Kreuzberg zu melden.
Die als »Antwort« auf den Protest des MfAA vom 28.9.1977 vom Westberliner Senat verbreitete Erklärung, wonach [Name] das »Verlangen habe, Verwandte in Ost-Berlin zu besuchen«, stellt eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit dar. [Name] hat nach eigenen Angaben weder Verwandte in der DDR noch verfolge er Besuchsabsichten. Das gesamte Verhalten der Westberliner Behörden im Fall [Name] lässt die Einschätzung zu, dass unter Ausnutzung des nervenkranken Zustandes von [Name] bewusst auf die Diskriminierung der Organe der DDR und die Inszenierung eines Grenzzwischenfalles hingewirkt wird.
Aus diesen Gründen wird es für zweckmäßig erachtet, durch das MfAA, über die bisherigen Erklärungen hinaus, geeignete Schritte gegenüber dem Westberliner Senat zu unternehmen, um die von Westberliner Seite verfolgten Absichten zu durchkreuzen. Der Staatssekretär im MfAA, Genosse Herbert Krolikowski, wurde vom MfS gleichlaufend [sic!] informiert.2