Verhaftung eines Westberliners an der GÜST Heinrich-Heine-Straße (Berlin)
6. April 1977
Information Nr. 216/77 über den Versuch des gewaltsamen Eindringens von Westberlin aus in die Hauptstadt der DDR
Am 5.4.1977, gegen 19.45 Uhr, versuchte der in Berlin (West) wohnhafte [Name 1, Vorname 1], geb.: [Tag] 1949, Beruf: Heizungsmonteur, wohnhaft: Berlin (West) 47, [Adresse], wohnhaft gewesen: Eisenhüttenstadt, [Adresse], mit dem Pkw Typ Renault R 16, amtliches Kennzeichen […], gewaltsam über die Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße in das Gebiet der DDR einzudringen, wobei er gegen die Sicherungsanlagen prallte, ohne sich dabei zu verletzen. An der Sicherungsanlage entstand geringer Sachschaden.
Bei der Festnahme wurden, auf dem rechten Vordersitz des Pkw liegend, eine nicht beschussfähige naturgetreue Imitation einer Pistole »08«1 und in einem Achselhalfter am Körper des [Name 1] ein mit fünf Gaspatronen geladener Schreckschussrevolver Marke »Röhm« festgestellt. Darüber hinaus bewahrte er in seiner Kleidung acht Gaspatronen und 15 Platzpatronen auf.
Die durch das MfS bisher geführten Untersuchungen ergaben:
[Name 1] und seine Ehefrau [Name 1, Vorname 2], geborene [Geburtsname], geb.: [Tag] 1951, tätig gewesen als Hortnerin an der [Name]-Oberschule Eisenhüttenstadt, wohnhaft gewesen: Eisenhüttenstadt, [Adresse], wohnhaft: Berlin (West) 47, [Adresse], wurden am 23.1.1973, in zwei verschlossenen Holzkisten versteckt, mittels eines von einem Einwohner von Berlin (West), [Name 2, Vorname], geb.: [Tag] 1945, Beruf: Baggerführer, wohnhaft: Berlin (West) 31, [Adresse], gesteuerten Lkw vom Typ »Hanomag«, amtliches Kennzeichen […], unter Missbrauch des Transitabkommens2 über die Grenzübergangsstelle Drewitz nach Westberlin ausgeschleust.
Das während der Ausschleusung mit der Mutter in einer Kiste versteckte 15 Monate alte Kleinstkind Holger, welches akut an Bronchitis und Mittelohrentzündung erkrankt war, erstickte in der fest verschlossenen Holzkiste.
Den Meldungen westlicher Publikationsorgane war zu entnehmen, dass die [Name 1] ihrem Kind, weil es schrie, den Mund zugehalten hatte.3
Gegen [Name 1 (Ehemann)] war wegen fahrlässiger Tötung und ungesetzlichem Grenzübertritt gemäß §§ 114 (1) und 213 (1), (2) 2 StGB4 am 12.2.1973 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf gleicher Rechtsgrundlage Haftbefehl erlassen worden.
Die Untersuchungen des MfS unter Hinzuziehung von medizinischen Sachverständigen ergaben, dass [Name 1] hochgradig schizophren ist und aus diesem Grunde der gegen ihn bestehende Haftbefehl nicht vollstreckt werden kann.
Es wird vorgeschlagen, den [Name 1] am 7.4.1977 durch die zuständigen Organe der DDR an Beauftragte des Westberliner Senats zur weiteren psychiatrischen Behandlung zu übergeben.