»Verhalten« von Manfred Krug nach Erteilung der Ausreisegenehmigung
7. Juni 1977
Information Nr. 383/77 über Verhaltensweisen des Krug, Manfred, nach Genehmigung seines Übersiedlungsersuchens
Am 1.6.1977 fand eine Aussprache mit Krug, Manfred, und seiner Ehefrau zwecks Entgegennahme der für die Übersiedlung erforderlichen Unterlagen und der Information über den Stand seiner Übersiedlungsvorbereitungen statt.
Krug erkundigte sich nach Verfahrensfragen zur Entlassung aus der Staatsbürgerschaft, wobei es ihm offensichtlich darum ging, von den Gesprächsführenden eine Erklärung zu erhalten, dass die Ausreise aus der DDR nach der BRD automatisch mit der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR verbunden ist. Krug betonte seine »Unerfahrenheit« auf diesem Gebiet und gab an, nicht zu wissen, ob die Schauspieler Hagen und Gorges1 auch aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen wären. (Dem MfS ist intern bekannt, dass er darüber konkrete Kenntnis hat.)
Krug wurde als Erwiderung der offizielle Standpunkt der DDR mitgeteilt. Daraufhin nahm Krug Abstand davon, seine vorbereitete Begründung für den Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR abzugeben (ursprünglicher Wortlaut: »Ich beantrage die …, weil ich nach dem Hergang annehmen muss, dass der Wechsel aus der DDR in ein kapitalistisches Land automatisch mit der Aufgabe der DDR-Staatsbürgerschaft verbunden ist. Mir ist nicht anheim gestellt worden, die Staatsbürgerschaft der DDR zu behalten.«) Aus seiner neuformulierten Begründung geht hervor, dass der Grund der gleiche wie bei seinem Ersuchen auf Übersiedlung ist.2 Die von Krug geschriebene Erklärung erfolgte im vollen Einverständnis mit seiner Ehefrau und wurde durch ihre Unterschrift gleichfalls bestätigt.
Krug gab weiter an, bisher noch keine konkreten Vorstellungen über sein Reiseziel zu haben, und es sei bisher ungewiss, ob er mit seiner Familie überhaupt in der BRD verbleiben oder in ein anderes Land gehen würde. Er wolle zunächst bei einer Bekannten [Name, Vorname], Westberlin 12, [Adresse], »Durchgangsstation nehmen«. Sein Bruder Krug, Roger, Schönaich, könne zunächst nur einen Teil seines Umzugsgutes aufnehmen.
Im Zusammenhang mit der Abwicklung vermögensrechtlicher Fragen teilte Krug mit, seine bisherige Absicht, sein Einfamilienhaus in Berlin-Pankow dem Staat zu überlassen, geändert zu haben. Er und seine Ehefrau wollen das Haus als Eigentum behalten, um gegebenenfalls (bei Scheidung oder Tod eines Partners bzw. auf Wunsch der Kinder) darauf zurückgreifen zu können.
Eine Verzichtserklärung will Krug nicht abgeben. Er hat die Vorstellung, dass – als staatlicher Verwalter – das Dienstleistungsamt für Angehörige diplomatischer Vertretungen in der DDR3 sein Haus an in der DDR akkreditierte ausländische Diplomaten für Devisen vermieten könne. Z. B. sei ihm bekannt, dass ein italienischer Botschaftssekretär, mit dem er gelegentlich verkehre, Interesse an der Nutzung dieses Hauses habe. Krug erklärte weiter, für sein unbebautes Wochenendgrundstück in Vipperow, Kreis Röbel, eine Verzichtserklärung abzugeben.
Die erforderlichen Vorbereitungen zur Abwicklung des Umzugsgutes des Krug mit dem verantwortlichen Binnenzollamt verlaufen planmäßig.
Krug brachte im Gespräch zum Ausdruck, seine zwei Pkw (Mercedes-Diesel mit Anhänger, VW-Käfer) mitnehmen zu wollen. Die in seinem persönlichen Besitz befindlichen Oldtimer und seine Kutschen wolle er dem Staatlichen Kunsthandel anbieten. Dabei war aus den Erklärungen von Krug nicht konkret zu entnehmen, ob sich dies auch auf die in seinem Übersiedlungsersuchen genannten Oldtimer bezieht, um deren Ausfuhr er gebeten hatte. Nach den gesetzlichen Bestimmungen der DDR können Oldtimer nicht mit ausgeführt werden. Zum Schluss des Gespräches wurde dem Ehepaar Krug auf ihre Frage mitgeteilt, dass der in ihrem Haushalt wohnenden Engel, Rosemarie (50), ledig, auf ihr Ersuchen die Ausreise aus der DDR in die BRD gestattet wurde.
Die Haushälterin Engel wurde in einem Gespräch am 3.6.1977 von der Entscheidung ihrer Ausreise aus der DDR unterrichtet.
Während des Gespräches teilte die Engel mit, sie habe mehrfach versucht, auf das Ehepaar Krug Einfluss zu nehmen, in der DDR zu verbleiben. Ihre Versuche seien an der verhärteten Position des Krug gescheitert. Krug, Ottilie, würde die Tatsache der Übersiedlung sehr schwerfallen; sie befände sich jedoch ganz unter dem Einfluss ihres Mannes und scheue sich vor Konsequenzen hinsichtlich ihrer Ehe. Mehrfach betonte die Engel, sie habe zu den Kindern der Familie Krug sehr starke Bindungen und wolle nur wegen ihnen ausreisen.
Intern wurde dem MfS bekannt, dass der Mitarbeiter der Westberliner »Morgenpost«4 Förster am 4.6.1977 Verbindung zu Krug aufnahm, wobei ihm Krug bestätigte, dass seine Ausreise genehmigt wurde. Gegen ein von Förster vorgeschlagenes Exklusivinterview mit der Westberliner »Morgenpost« nach seiner Ausreise hatte Krug keine generellen Einwände, lehnte jedoch terminliche Vereinbarungen ab.
Nach eigenen Äußerungen Krugs im internen Kreise habe er ein »Tagebuch« – früher auch als »Gedächtnisprotokoll« bezeichnet – bis zur Gegenwart gewissenhaft geführt (auch das letzte mit ihm durch Genosse Lamberz geführte Gespräch sei darin festgehalten).5
Alle persönlichen Angelegenheiten des Krug, die mit seiner Ausreise in Verbindung stehen, werden – wie angewiesen – geregelt. Ich empfehle, nach Klärung dieser Probleme Krug den Vorschlag zu unterbreiten, dass nun – wo alle seine persönlichen Angelegenheiten in Ruhe und zufriedenstellend geregelt wurden – seine Ausreise am 20.6.1977 oder – wenn sich dieser Termin als noch zu kurzfristig erweist – am 25.6.1977 erfolgen sollte.