Verletzung des DDR-Luftraums durch US-Hubschrauber im Kreis Eisenach
10. Oktober 1977
Information Nr. 622/77 über die Verletzung des Luftraumes der DDR mit kurzzeitiger Landung auf der Territorium der DDR durch einen Hubschrauber der US-Armee am 6.10.1977
Am 6.10.1977, in der Zeit von 22.10 Uhr bis 22.29 Uhr, verletzte ein Hubschrauber der US-Armee vom Typ »Bell UH – 1d«1 im Kreis Eisenach, Bezirk Erfurt, in drei Fällen den Luftraum der DDR und landete nach der dritten Luftraumverletzung kurzzeitig auf dem Territorium der DDR.
Die durch die zuständigen Organe des MfS im Zusammenwirken mit einer Kommission des Kommandos der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung des Ministeriums für Nationale Verteidigung und den Grenztruppen der DDR geführten Untersuchungen haben ergeben:
Am 6.10.1977, um 22.10 Uhr, erfolgte aus Richtung Bosserode, Kreis Hersfeld/BRD, durch einen Hubschrauber der US-Armee entlang der Straße Bosserode-Großensee eine Verletzung des Luftraumes der DDR. Der Hubschrauber flog in einer Höhe von ca. 50 Meter ca. 300 m tief in das Staatsgebiet der DDR ein und wendete über der Führungsstelle 11 des Grenzregimentes Mühlhausen der Grenztruppen der DDR. Der Ausflug erfolgte um 22.14 Uhr im gleichen Grenzabschnitt wie beim Einflug in Richtung Obersuhl/BRD.
Nach kurzer Zeit, um 22.15 Uhr, erfolgte in Höhe der Grenzsäule 1550, aus Richtung Obersuhl/BRD kommend, entlang der Straße Obersuhl–Gerstungen eine erneute Verletzung des Luftraumes der DDR durch diesen Hubschrauber der US-Armee, der in einer Höhe von ca. 50 Meter ca. 2 000 Meter tief in das Territorium der DDR eindrang, bis zur Grenzübergangsstelle Gerstungen flog, dort abdrehte und entlang der Autobahn um 22.21 Uhr wieder in Richtung Obersuhl/BRD ausflog.
Unmittelbar danach, um 22.22 Uhr, – nachdem der Hubschrauber über der Ortschaft Obersuhl/BRD gewendet hatte – überflog dieser auf der Höhe der Grenzsäule 1552 (Geländeabschnitt »Hämpflingsgarten«) erneut die Staatsgrenze der DDR, flog halbkreisförmig über den Wasserdurchlass Baggerloch/Forstberg bis zum südostwärtigen Ortsrand von Gerstungen, wo er um 22.24 Uhr auf einer Wiese, unmittelbar an der Straße Gerstungen–Herda in der Nähe einer Bushaltestelle, landete.
Die Luftraumverletzungen durch den Hubschrauber der US-Armee wurden in allen drei Fällen von den in diesem Grenzabschnitt eingesetzten Angehörigen der Grenztruppen der DDR visuell festgestellt. Durch Angehörige der GSSD und Einheiten der LSK/LV wurde zum Zeitpunkt der Luftraumverletzungen ein unbekanntes Flugobjekt in diesem Bereich funkmessmäßig geortet und als Hubschrauber identifiziert. Funkmessmäßig konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass es sich bereits um eine Luftraumverletzung handelt.
Im Zusammenhang mit diesen Verletzungen des Luftraumes der DDR und der kurzzeitigen Zwischenlandung des Hubschraubers der US-Armee auf dem Staatsgebiet der DDR kam es zwischen einem Besatzungsmitglied dieses Hubschraubers und einem DDR-Bürger zu einem kurzen Kontakt und Gespräch.
Der Bürger der DDR [Name, Vorname] (64), geb. am [Tag] 1913, wohnhaft: Berka/Werra, [Adresse], beschäftigt als Stellwerksmeister bei der Deutschen Reichsbahn auf dem Bahnhof Gerstungen, Kreis Eisenach, hatte am 6.10.1977, um 22.05 Uhr, mit seinem Fahrrad die Wohnung verlassen, um seinen planmäßigen Dienst auf dem Bahnhof Gerstungen anzutreten. [Name] benutzte dazu den Forstweg zwischen Berka/Werra und Gerstungen. In Höhe der Forstbrücke hörte und sah [Name] in etwa 50–60 Meter Höhe einen plötzlich auftauchenden Hubschrauber, an welchem er rote und grüne Positionslichter erkannte.
Bedingt durch Verschmutzungen fiel bei [Name] nach Passieren der Forstbrücke der Fahrraddynamo und damit die Beleuchtung seines Fahrrades aus. Entsprechend den von [Name] während der zeugenschaftlichen Vernehmung gemachten Angaben sei kurz nach dem Ausfall seiner Fahrradbeleuchtung am Hubschrauber ein Scheinwerfer eingeschaltet worden, der ihm etwa 1 000 Meter entlang des von [Name] benutzten Forstweges den Weg ausgeleuchtet habe.
Ca. 500 Meter vor der Straße Gerstungen–Herda habe der Hubschrauber – nach Angaben von [Name] – die Geschwindigkeit erhöht, gewann an Höhe, flog über den südöstlichen Ortsrand von Gerstungen und landete anschließend auf der bereits genannten Wiese. Nachdem [Name] kurze Zeit später mit seinem Fahrrad die Ortsverbindungsstraße Gerstungen–Herda erreicht hatte, erwartete ihn ca. 45 Meter vor dem Ortseingangsschild Gerstungen eine männliche Person, bekleidet mit einer gelb-braunen Stoffkombination und einem Schutzhelm. Der 18,80 Meter von der Straße entfernt mit laufendem Motor abgestellte Hubschrauber der US-Armee hatte alle Scheinwerfer eingeschaltet, wodurch der Landeplatz grell ausgeleuchtet war.
Durch die unbekannte Person, an deren Uniformärmel er mehrere Rangabzeichen in Form von Winkeln und die Buchstaben »US« erkannte, wurde [Name] in gebrochener, aber verständlicher deutscher Sprache gefragt, in welchem Ort er sich befinde. [Name] antwortete auf diese Frage, dass es sich um die Ortschaft Gerstungen auf dem Gebiet der DDR handelt. Daraufhin sei die uniformierte Person sichtlich erschrocken und habe anhand einer von ihr mitgeführten Karte dargelegt, dass sie nach Bebra und Bad Hersfeld wollten. [Name] wurde anschließend gefragt, in welcher Richtung die Staatsgrenze gelegen ist, worauf er mit Handzeichengebung antwortete.
Zu diesem Zeitpunkt näherten sich aus der Ortschaft Gerstungen kommend mehrere Personen der dort befindlichen Omnibushaltestelle. Nachdem die uniformierte Person diese Personenbewegung wahrgenommen hatte, habe sich diese eilig verabschiedet und unverzüglich zum Hubschrauber begeben, der anschließend (um 22.26 Uhr) startete und um 22.29 Uhr auf der Höhe der Grenzsäule 1545 den Luftraum der DDR in Richtung des Fuldaischen Berges/BRD verließ.
Den Angaben des [Name] zufolge habe er in der Kanzel des Hubschraubers drei weitere männliche Personen in der gleichen Uniform erkannt wie der seines Gesprächspartners.
Die Angabe des [Name] bezüglich der Landung des Hubschraubers sind durch weitere DDR-Bürger, die zeugenschaftlich vernommen wurden, bestätigt worden.
Im Verlaufe der geführten Untersuchungen wurden am Landeplatz die Abdrücke der Hubschrauber-Kufen und eine Fußspur vom und zum Hubschrauber gesichert.
Die Untersuchungen ergaben keine Anhaltspunkte dafür, dass vom Hubschrauber aus Personen abgesetzt oder aufgenommen wurden.
In der gegnerischen Aufklärungstätigkeit waren zum Zeitpunkt der Luftraumverletzungen und auch danach keine Veränderungen erkennbar.
Durch die Grenztruppen der DDR wurden Maßnahmen zur verstärkten Beobachtung des gegnerischen Territoriums in den Ein- und Ausflugräumen dieser Luftraumverletzungen getroffen. Im Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen wurden weitere Maßnahmen getroffen, um rechtzeitig Einflüge und Landungen nicht gemeldeter Flugobjekte festzustellen und feindliche Handlungen zu verhindern.