Vermehrtes Auftreten von Kopfläusen
25. Oktober 1977
Information über das Auftreten von Kopfläusen im Gebiet der DDR [Bericht O/53]
Nach vorliegenden Informationen des Ministeriums für Gesundheitswesen (MfGe) wird ein verstärktes Auftreten von Kopfläusen sowohl in den sozialistischen als auch in den kapitalistischen europäischen Ländern beobachtet. Besonders stark sind England, die BRD und Westberlin davon betroffen. In der DDR zeichnen sich seit Mitte 1976 zunehmend Herdbildungen sowie territoriale Ausbreitungen ab. Trotz der im Januar 1977 zentral eingeleiteten Maßnahmen (»Hinweise zur Verhütung und Bekämpfung von Kopfläusen« des Ministers für Gesundheitswesen) ist eine stetige Zunahme des Befalls, der Herdbildung sowie der territorialen Ausbreitung in den verschiedensten Bezirken der DDR zu verzeichnen. Insbesondere in den Monaten August/September 1977 wurde eine erhebliche Steigerung des Befalls registriert. Schwerpunkte sind gegenwärtig die Bezirke Dresden, Cottbus und Karl-Marx-Stadt sowie die Hauptstadt der DDR, Berlin. Betroffen sind insbesondere Kindergärten und Schulen (vor allem Schüler der 1. bis 4. Klassen), wobei es sich vorwiegend um Kinder aus Neubaugebieten mit hoher Bevölkerungskonzentration handelt. Wissenschaftliche Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass das verstärkte Auftreten der Kopflaus nicht in erster Linie in ungenügenden hygienischen Bedingungen, sondern in einer bestimmten Veränderung des biologischen Gleichgewichts der Natur zu suchen ist.
Es wird damit gerechnet, dass der Kopflausbefall in den nächsten drei Jahren noch in der DDR auftreten wird. Ein Rückgang des Befalls ist von der Entwicklung in den anderen europäischen Ländern sowie von der Wirksamkeit der vorgesehenen prophylaktischen Maßnahmen in der DDR abhängig.
Auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen vom 20.12.1960 und der Verordnung über die Bekämpfung der Gesundheitsschädlinge vom 6.6.19511 sowie der entsprechenden Anweisungen des Ministers für Gesundheitswesen zur Verhütung und Bekämpfung des Kopfläusebefalls vom 17.1. und 12.10.1977 sind die Abteilungen Gesundheits- und Sozialwesen der Räte der Kreise und Bezirke für die Lenkung und Organisation der Bekämpfung dieser Parasiten verantwortlich. Im Auftrage der Bezirks- und Kreisärzte wird diese Aufgabenstellung durch die Kreis- und Bezirkshygieneinspektionen wahrgenommen. Sie legen alle für die Tilgung der Befallsherde notwendigen Maßnahmen wie Behandlung, Umgebungsuntersuchung, Nachkontrollen u. a. fest. Zentral angewiesen wurde die Schaffung von Kopflausbehandlungsstützpunkten in den Kreisen sowie die wöchentliche Meldung über den Stand des Befalls an das Epidemiologische Zentrum (EZ).2 Das MfGe, Hauptabteilung Hygiene, ist über die Lage und Situation ständig informiert und somit in der Lage, erforderlichenfalls zentrale Maßnahmen zu veranlassen.
Zwischen dem MfGe und dem Ministerium für Volksbildung sind Vereinbarungen getroffen worden, um alle prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen koordiniert und gezielt durchzuführen.
Für den Monat November 1977 ist geplant, differenziert Artikel zur Informierung der Bevölkerung in den Zeitschriften »Wochenpost« und »Für Dich« sowie für Mitarbeiter des Gesundheitswesens in der Zeitschrift »Medizin Aktuell« zu veröffentlichen.3 Des Weiteren erfolgt die Ausgabe von Merkblättern in den Apotheken und Schulen.
Zur Durchsetzung der prophylaktischen Maßnahmen sind Kontrolluntersuchungen in sämtlichen Schulen und Kindergärten der DDR, beginnend mit den territorialen Schwerpunkten Cottbus, Dresden und Berlin, geplant. Die generelle prophylaktische Behandlung der Kinder zur Verhinderung des Kopflausbefalls ist jedoch von der Bereitstellung entsprechender Präparate abhängig. Zur Versorgungssituation mit Präparaten wurde durch das MfGe, HA Pharmazie und Medizintechnik, Folgendes bekannt: Der aufgrund des raschen Befallsanstiegs im Jahre 1976 aufgetretene Mangel an Präparaten zur therapeutischen Behandlung befallener Personen konnte durch die Bereitstellung von zusätzlichen Produktionskapazitäten zwischenzeitlich überwunden werden, sodass in Apotheken genügend Präparate angeboten werden. Zusätzlich wurden die Apotheken beauftragt – dafür wurden entsprechende Rohstoffe zur Verfügung gestellt – selbst Präparate herzustellen. Auch für das I. Quartal 1978 sind mit der pharmazeutischen Industrie Vereinbarungen getroffen worden, die eine Deckung des Bedarfs gewährleisten.
Eine industrielle Abpackung der Präparate ist jedoch gegenwärtig aufgrund des Nichtvorhandenseins geeigneter Verpackungsmaterialien (Tuben und Flaschen) nicht im notwendigen Umfang möglich, sodass in den Apotheken eine manuelle arbeitsaufwendige Abpackung erfolgen muss. Dieser Umstand hat auch zur Folge, dass trotz der ausreichend bereitgestellten Grund- und Rohstoffe zur Zeit noch keine ausreichenden Reserven vorhanden sind, um festgestellte territoriale Schwerpunkte sofort mit abgepackten Präparaten beliefern zu können. Durch das MfGe sind alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet worden, um diesen Engpass in absehbarer Zeit zu überwinden.