Veröffentlichung des Buches »Schlaflose Tage« von Jurek Becker
31. Oktober 1977
Information Nr. 678/77 über die Aktivitäten des Schriftstellers Jurek Becker zur Veröffentlichung seines Buch-Manuskriptes »Schlaflose Tage« (ursprünglicher Titel »Leben in der Luft«)
Am 13.6.1977 übergab Becker dem Hinstorff-Verlag Rostock sein Buch unter dem Titel »Leben in der Luft« und forderte ultimativ die Begutachtung durch den Verlag innerhalb von vier Wochen und eine Erstauflage von 50 000 bis 70 000 Exemplaren. Becker erklärte, die übergebene Fassung des Manuskriptes sei sein »letztes Wort«; er drohte im Falle einer Nichtveröffentlichung mit der Übergabe des Manuskriptes an den Suhrkamp-Verlag, BRD.
Der Leiter des Hinstorff-Verlages lehnte auf der Grundlage gefertigter Gutachten eine Veröffentlichung des Manuskriptes in der von Becker vorgelegten Fassung ab, weil der Autor eine einseitige Darstellung des Verhältnisses von Individuum und sozialistischer Gesellschaft gibt und der reale Sozialismus für einen moralisch bewusst lebenden Menschen als unannehmbar dargestellt wird.
Am 20.7.1977 wurde Becker in einer Aussprache durch den Leiter des Hinstorff-Verlages, Genossen Fauth, nochmals aufgefordert, Änderungen im Manuskript vorzunehmen, was er auch versprach. In einer erneuten Aussprache am 9.8.1977 im Hinstorff-Verlag sagte Becker zu, die Überarbeitung seines Manuskriptes bis Ende September 1977 abzuschließen.
Die daraufhin von Becker vorgelegte überarbeitete Fassung des Manuskriptes enthielt lediglich eine geringfügige Abschwächung der dargestellten Aussage. Da sich Becker in einem Gespräch am 26.9.1977 zu weiteren Änderungen nicht bereit erklärte, wurde ihm nach vorheriger Abstimmung mit dem Stellvertreter des Ministers für Kultur und Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, Genossen Klaus Höpcke, durch den Leiter des Hinstorff-Verlages mitgeteilt, dass unter diesen Voraussetzungen eine Druckgenehmigung nicht erteilt werden kann.
Intern wurde dem MfS bekannt, dass Becker während seines Aufenthaltes in der BRD vom 20.8. bis 10.9.1977 gemeinsam mit der Lektorin des Suhrkamp-Verlages, BRD, Elisabeth Borchers, das Manuskript im Hinblick auf eine Veröffentlichung in diesem BRD-Verlag überarbeitet hat. Im Ergebnis dieses Zusammenwirkens wurde von Becker außerdem die Umbenennung des Titels in »Schlaflose Tage« vorgenommen.
Gleichzeitig erfolgte zwischen Becker und dem Suhrkamp-Verlag der Abschluss eines Vertrages, wonach »Schlaflose Tage« im Suhrkamp-Verlag Anfang 1978 erscheinen soll.1
Becker traf diese Vereinbarung mit dem Suhrkamp-Verlag ohne vorherige Abstimmung mit den zuständigen Organen der DDR, obwohl er bereits am 9.8.1977 ausdrücklich auf diese gesetzliche Pflicht hingewiesen wurde.
Weiter wurde bekannt, dass der Regisseur Frank Beyer Ende August 1977 dem DEFA-Studio für Spielfilme und gleichzeitig dem DDR-Fernsehen den Vorschlag zur Verfilmung des Manuskriptes »Schlaflose Tage« unterbreitete. Beyer ging dabei davon aus, dass dieses als Buch Anfang 1978 im Hinstorff-Verlag erscheinen wird. Die Verfilmung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass Beckers Manuskript »nach seiner Konzeption und Struktur« in die Filmplanung nicht aufgenommen wird. In einem »offenen Brief« an den Generaldirektor des DEFA-Studios für Spielfilme, Genossen Hans-Dieter Mäde, sowie in einer Aussprache am 10.10.1977, an der außer Genossen Mäde der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Fernsehen, Genosse Heinz Adameck, und der Genosse Hans Bentzien teilnahmen, beharrte Beyer auf seinem Vorhaben und bezeichnete die Ablehnung als Fehlentscheidung.