Verurteilung und Ausweisung von Westberliner »Grenzverletzern«
6. April 1977
Information Nr. 215/77 über beabsichtigte Maßnahmen gegen in jüngster Zeit von Westberlin aus in die Hauptstadt der DDR widerrechtlich eingedrungene Personen mit ständigem Wohnsitz in Westberlin und BRD-Bürger
Am 18.3.1977, 23.00 Uhr, drang der unter Alkoholeinfluss stehende [Name 1, Vorname], geb. am [Tag] 1957, zuletzt: Verkäufer, wohnhaft: Berlin (West) 51, [Adresse], durch Überklettern der Grenzsicherungsanlagen im Bereich Berlin-Pankow, Klemkestraße, in die DDR ein.
[Name 1] hatte am 18.3.1977 an einer Geburtstagsfeier teilgenommen und im Zusammenhang mit einem Streit mit seiner Freundin mehreren Westberliner Personen seine Grenzprovokation angekündigt.
Er sagt aus, dass er entsprechend der von westlichen Massenmedien verbreiteten Auffassung die Grenze nicht als eine Staatsgrenze anerkenne und mit dieser Provokation seiner Freundin imponieren wollte.
Es wird vorgeschlagen, [Name 1] noch am 7.4.1977 vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Pankow zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe und zur Ausweisung zu verurteilen und dieses am gleichen Tage ab 16.00 Uhr zu publizieren. (Vorschlag für eine Presseveröffentlichung Anlage 1)
Am 31.3.1977, 15.10 Uhr, drang der BRD-Bürger [Name 2, Vorname], geb. am [Tag] 1951, zuletzt: ohne Beschäftigung, wohnhaft: Berlin (West), [Adresse], von Westberlin aus im Bereich Berlin-Pankow, Provinzstraße, durch Überklettern der Grenzsicherungsanlagen in die DDR ein.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
[Name 2], der zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss […] stand, behauptet, dass er durch sein rechtswidriges Eindringen in die DDR inhaftiert und danach als Übersiedler aufgenommen werden wollte. Er ist strafrechtlich voll verantwortlich.
Es wird vorgeschlagen, den [Name 2] vom Stadtbezirksgericht Berlin-Pankow zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe sowie zur Ausweisung zu verurteilen. Die erfolgte Verurteilung könnte in einer kurzen Meldung publiziert werden. (Vorschlag für eine Presseveröffentlichung Anlage 2)
Der ständige Einwohner von Berlin (West) [Name 3, Vorname], geb. am [Tag] 1953, zuletzt: ohne Beschäftigung, wohnhaft: Berlin (West) 36, [Adresse], wurde am 13.12.1972 […] aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und nach der BRD ausgewiesen. In der BRD und Berlin (West) ging er keiner geregelten Arbeit nach […]
[Name 3 wurde] am 22.3.1977 nach seinen Angaben im stark angetrunkenen Zustand von der Besatzung eines Westberliner Funkstreifenwagens aufgegriffen und danach bei der Wiener Brücke abgesetzt […] Die Angehörigen der Westberliner Polizei stifteten ihn dabei mit den Worten »jetzt kannst du über die Mauer klettern« zu einer Grenzprovokation an.
Als er dort den Verlauf der Staatsgrenze feststellte, sei er daraufhin unmotiviert und spontan gegen 15.45 Uhr im Bereich Berlin-Treptow, Görlitzer Damm, in die Hauptstadt der DDR eingedrungen. (Durch Angehörige der Grenztruppen der DDR war wenige Minuten vor dieser Grenzverletzung auf Westberliner Gebiet ein Westberliner Bus der Westberliner Polizei mit dem Kennzeichen B – 30479 beobachtet worden.)
Aufgrund weiter vorliegender Hinweise wird gegenwärtig noch geprüft, ob [Name 3] sich in Westberlin an mutwilligen Zerstörungen von S-Bahnzügen beteiligte.
Im Falle der Nichtbestätigung dieses Verdachtes wird das Ermittlungsverfahren abgeschlossen, und es wird vorgeschlagen, [Name 3] vom Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe und zur Ausweisung aus der DDR zu verurteilen.
Über die Verurteilung könnte eine ADN-Meldung veröffentlicht werden. (Vorschlag für eine Presseveröffentlichung Anlage 3)
Am 2.4.1977, gegen 11.40 Uhr, drangen die ständigen Einwohner von Berlin (West) [Name 4, Vorname], geb. am [Tag] 1947, Beruf: ohne, zuletzt: Hilfsarbeiter, wohnhaft: Berlin (West)-Wedding, [Adresse], und [Name 5, Vorname], geb. am [Tag] 1957, Beruf: ohne, zuletzt: Verladehelfer, wohnhaft: Berlin (West)-Buckow, [Adresse], durch Überklettern der Grenzsicherungsanlagen im Bereich Berlin-Niederschönhausen in die DDR ein.
[Name 4] und [Name 5] lernten sich im März 1977 im Verlaufe ihrer stationären Behandlung in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin (West)-Wittenau kennen, wo sie wegen unabhängig voneinander begangener Selbsttötungsversuche untergebracht waren.
Am 2.4.1977 entschlossen sie sich unter Ausnutzung einer Ausgangsgewährung, in der DDR um Aufnahme zu bitten, weil sie sich hier bessere Lebensbedingungen erhofften. Sie kommen mit den in Westberlin herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen nicht zurecht, leben unter schlechten sozialen Bedingungen, sind seit längerer Zeit arbeitslos und haben kein geregeltes Einkommen. Da ihre Personaldokumente in der Klinik aufbewahrt wurden, beschlossen sie, die Grenzsicherungsanlagen zu überwinden.
Es wird vorgeschlagen, die gegen sie eingeleiteten Ermittlungsverfahren einzustellen und im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens1 ihre mögliche Übersiedlung in die DDR sowie entsprechend ihrem Wunsch eine Arbeitsaufnahme in der Landwirtschaft zu prüfen.
Eine Pressemeldung ist nicht vorgesehen.
Anlage 1 zur Information Nr. 215/77
Westberliner Grenzverletzer verurteilt
Berlin (ADN) Das Stadtbezirksgericht Berlin-Pankow verurteilte am 7.4.1977 den Einwohner von Berlin (West) [Vorname Name 1] wegen Verletzung der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik zu … Monaten Freiheitsentzug und zur Ausweisung. Wie bereits gemeldet, war [Name 1] am 18.3.1977 im Raum des Stadtbezirkes Berlin-Pankow nach einer Verletzung der Staatsgrenze der DDR festgenommen worden. In der gerichtlichen Hauptverhandlung wurde nachgewiesen, dass der Täter vorsätzlich und in provokatorischer Absicht in das Staatsgebiet der DDR eingedrungen war.2
Anlage 2 zur Information Nr. 215/77
Grenzverletzer aus der BRD verurteilt
Berlin (ADN) Am … 1977 verurteilte das Stadtbezirksgericht von Berlin-Pankow den BRD-Bürger [Vorname Name 2] wegen Verletzung der Staatsgrenze der DDR zu … Monaten Freiheitsentzug und zur Ausweisung.
[Name 2] war am 31.3.1977, wie bereits gemeldet, im Raum Berlin-Pankow von Berlin (West) aus in die Hauptstadt der DDR eingedrungen. In der gerichtlichen Hauptverhandlung wurde nachgewiesen, dass [Name 2] vorsätzlich diese Grenzverletzung beging.3
Anlage 3 zur Information Nr. 215/77
Grenzverletzer aus Berlin (West) verurteilt
Berlin (ADN) Das Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow verurteilte am … 1977 den mehrfach kriminell vorbestraften Einwohner von Berlin (West) [Vorname Name 3] zu … Monaten Freiheitsentzug und zur Ausweisung.
[Name 3] war am 22.3.1977, wie bereits gemeldet, im Bereich Berlin-Treptow widerrechtlich in das Gebiet der Hauptstadt der DDR eingedrungen.
In der gerichtlichen Beweisaufnahme wurde festgestellt, dass [Name 3] im angetrunkenen Zustand in Berlin (West) von einem Funkstreifenwagen der Polizei, Kennzeichen B – 30479, in unmittelbarer Grenznähe abgesetzt und zu dieser Grenzprovokation angestiftet worden war.4