Vorkommnis mit einem Mitarbeiter der österreichischen Botschaft
11. Mai 1977
Information Nr. 309/77 über ein Vorkommnis mit Angehörigen der Botschaft der Republik Österreich in der DDR am 10.5.1977
Am 10.5.1977, gegen 23.15 Uhr, versuchten mehrere Mitarbeiter der Botschaft der Republik Österreich sich zu der zeitweilig geschlossenen Gaststätte »Spreebowling« gewaltsam Zutritt zu verschaffen, wobei es zu einer kurzen tätlichen Auseinandersetzung mit einem in der Gaststätte anwesenden Angehörigen des MfS kam.
Die durch das MfS unverzüglich durchgeführten Untersuchungen ergaben:
Der nach seinem Verhalten und äußerem Erscheinen offensichtlich unter starkem Alkoholeinfluss stehende technische Angestellte der Botschaft [Name 1, Vorname], grüner Ausweis des MfAA1 Nr.: […], versuchte, die Eingangstür zur Gaststätte gewaltsam aufzureißen. Als kurz darauf die Tür vom Personal geöffnet wurde, um drei Bürgern Ausgang zu gewähren, rempelte [Name 1] diese Bürger an und es drohte zu tätlichen Auseinandersetzungen zu kommen. Durch einfaches Dazwischentreten verhinderte der von der Toilette in die Gaststätte zurückkehrende Angehörige des MfS, Soldat [Name 2, Vorname], das Entstehen von Tätlichkeiten. Nach dem Betreten der Gaststätte durch den Genossen [Name 2] und [Name 1] packte Letzterer plötzlich ohne jeden Anlass den Genossen [Name 2] am Arm und trat ihm dreimal mit voller Wucht gegen das Schienbein.
Genosse [Name 2], der an diesem Abend ausschließlich alkoholfreie Getränke zu sich genommen hatte, musste sich gegen diese Angriffe körperlich zur Wehr setzen und verletzte dabei den angreifenden [Name 1] am Mundwinkel. Durch mehrere Zeugen wird zweifelsfrei bewiesen, dass der [Name 1] den Genossen [Name 2] grundlos tätlich angriff und dieser nur in einer Notwehrsituation handelte. Mit Unterstützung eines Kellners leistete Genosse [Name 2] dem [Name 1] sofort Hilfe, führte ihn zur Toilette und unterstützte ihn beim Säubern des Gesichts und der Kleidung. Zu diesem Zeitpunkt kamen der Verwaltungsattaché der Botschaft der Republik Österreich in der DDR, Christel, Wolfgang, roter Ausweis des MfAA2 Nr.: […], und ein weiterer namentlich nicht bekannter Mitarbeiter der Botschaft in die Toilette, ergriffen Partei für [Name 1] und forderten Genossen [Name 2] auf, sich auszuweisen. Genosse [Name 2] wies sich mit seinem Dienstausweis aus, den Christel festhielt, während der dritte Mitarbeiter der Botschaft sich die Ausweisnummer notierte. Im Anschluss daran schloss einer der Botschaftsangehörigen die offenstehende Toilettentür, während der andere den Genossen [Name 2] in die Ecke zu drücken versuchte. Zu Tätlichkeiten gegenüber Genossen [Name 2] kam es jedoch nicht mehr, da zwischenzeitlich ein Angehöriger der Kriminalpolizei, die Gaststättenleiterin und ein weiterer leitender Mitarbeiter des Palastes der Republik erschienen.
Gegenüber dem sich ordnungsgemäß ausweisenden Angehörigen der Deutschen Volkspolizei lehnte [Name 1] jede Aussage zu dem Vorfall ab. Er wurde mittels Funkstreifenwagen der DVP zur ambulanten Behandlung der Platzwunde im Mundwinkel zum Regierungskrankenhaus gebracht und kehrte gegen 2.55 Uhr selbstständig zum Palast der Republik zurück. Auch hier verweigerte er erneut jede Aussage.
Der Verwaltungsattaché Christel forderte von dem Angehörigen der Kriminalpolizei ein Exemplar eines Protokolls über den Sachverhalt mit den Personalien aller beteiligten Personen oder eine Bescheinigung darüber, dass die Personalien des beteiligten Angehörigen des MfS bekannt sind. Die Aushändigung derartiger Unterlagen wurde abgelehnt und der Christel wurde an das MfAA verwiesen. Christel und seine Begleiter weigerten sich daraufhin, den Palast der Republik zu verlassen und entfernten sich erst nach mehrfacher Ablehnung ihrer Forderungen gegen 3.45 Uhr.
Es wird empfohlen, seitens des MfAA im Falle einer Reaktion der Botschaft der Republik Österreich auf diesen Vorfall die in der Information dargelegten Fakten in geeigneter Form auszuwerten.
Vonseiten des MfS wird der Vorfall zum Anlass genommen, um neu in den Dienst getretene junge Mitarbeiter – Genosse [Name 2] ist erst kurze Zeit im MfS – nochmals ausdrücklich über den Umgang und die Nutzung der Dienstausweise in der Öffentlichkeit zu belehren.