Westberliner Pressemeldung zum Suizidversuch einer Ostberlinerin
13. Juni 1977
Information Nr. 397/77 über die Überprüfung von Behauptungen der Westpresse über einen angeblichen Selbstmordversuch einer DDR-Bürgerin
Am 11.6.1977 wurden in der Westberliner Tageszeitung »BZ« unter der Überschrift »Tragödie in Ost-Berlin – Junge Mutter schnitt sich die Pulsadern auf, weil sie nicht zum Vater ihres Kindes darf«1 Behauptungen über einen angeblichen Selbstmord einer DDR-Bürgerin verbreitet. Im Ergebnis der vom MfS bisher durchgeführten Überprüfungen ist festzustellen: Bei der im Bericht der »BZ« genannten DDR-Bürgerin handelt es sich um Falk, Ilona, geb. am [Tag] 1955, Beruf: Verkäuferin, tätig bei der Konsumgenossenschaft Berlin-Mitte, wohnhaft: 104 Berlin, [Adresse 1], ledig, ein Kind (Stefanie geb. am [Tag] 1977).
Die Falk lernte im Januar 1973 den Einwohner von Westberlin Horak, Klaus, geb. am [Tag] 1955, Beruf: Konditor, zuletzt tätig als Tankwart, wohnhaft: Berlin (West) 65, [Adresse 2], kennen. In der Folgezeit entwickelte sich zwischen ihnen ein Liebesverhältnis und sie verlobten sich im Februar 1974. Seit Sommer 1975 verfolgen beide die Absicht, die Ehe einzugehen. Da Horak eine Übersiedlung in die DDR ablehnt, erklärte sich die Falk bereit, mit ihm in Westberlin zu leben. Aus diesem Grunde ersuchte sie seit 1975 in drei Fällen rechtswidrig um Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR. Diese Ersuchen wurden jeweils von den zuständigen Staatsorganen abgelehnt.
Nachdem im Januar 1977 ihre Tochter geboren wurde und im Februar 1977 Horak die Vaterschaft beim Referat Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Mitte anerkannt hatte, stellten beide im März 1977 beim Standesamt Berlin-Mitte einen Antrag auf Eheschließung. Über die Bearbeitung dieses Antrages hat die Falk – nach eigenen Angaben – bisher keine Mitteilung erhalten.
Da sie weiterhin hartnäckig auf ihre Übersiedlungsabsichten nach Westberlin bestand und um sie darin zu bestärken, hat Horak zu ihr nicht näher bekannten Personen im »Bundeshaus«2 in Westberlin und zu zwei ihr ebenfalls nicht bekannten Westberliner Rechtsanwälten Verbindung aufgenommen. Wie die Falk angibt, habe Horak in einem Telefongespräch mit ihr im Mai 1977 außerdem die Absicht geäußert, die Westberliner Presse »von ihrem Fall« zu unterrichten. Sie will ihm sofort davon abgeraten haben. Ihr ist nicht bekannt, welche Aktivitäten Horak danach in dieser Hinsicht unternommen hat.
Zu der in der »BZ« erfolgten Veröffentlichung erklärte die Falk, dass diese ohne ihr Wissen zustande gekommen, in der Mehrzahl der Darlegungen unwahr sei und von ihr entschieden abgelehnt werde. Sie hat sich die Pulsadern nicht geöffnet noch jemals eine solche Absicht bekundet. Den im Artikel als wörtliche Rede genannten Satz »Wenn ich nicht ausreisen darf, dann bringe ich mich um« habe sie niemals ausgesprochen. Das von ihr und ihrer Tochter von der »BZ« veröffentlichte Bild habe sie Horak auf keinen Fall für einen derartigen Verwendungszweck übergeben.
Da die Falk nach wie vor hartnäckig auf ihre Übersiedlung besteht, wird unter Berücksichtigung aller Umstände vorgeschlagen, ihrem Übersiedlungsersuchen zuzustimmen.
Weiter könnte bei Fortsetzung von Veröffentlichungen über diesen »Fall« durch die Westpresse und falls es politisch als zweckmäßig erachtet wird, eine entsprechende Pressemitteilung erfolgen (Vorschlag siehe Anlage).
Anlage zur Information Nr. 397/77
Zwecklüge à la Springer
Berlin (ADN) »Tragödie in Ost-Berlin. Junge Mutter schnitt sich die Pulsadern auf«, wusste Springers »BZ« am 11. Juni 1977 ihren sensationslüsternen Lesern zu berichten. Tatsache ist, dass sich diese junge Frau und Mutter bester Gesundheit erfreut. Sie hat sich selbst nachdrücklich gegen die Zwecklügen der Springer-Presse verwahrt.
Nicht zufällig häufen sich in letzter Zeit die gegen die DDR gerichteten Zwecklügen aus Springers Sudelküche: Da begeht z. B. ein junger Mann aus Verzweiflung Selbstmord, obwohl es ihn gar nicht gibt. Einem BRD-Bürger wird an einer Grenzübergangsstelle der Personalausweis abgenommen und die Einreise in die DDR verweigert, obwohl ihn niemand dort gesehen hat. Im strömenden Regen musste eine Ausländerin trotz hohen Fiebers eine stundenlange Kontrolle an der DDR-Grenze über sich ergehen lassen, obwohl sie nicht einmal ihren Fuß aus dem Auto gehalten hat und und …
Es ist der Druckerschwärze nicht wert, doch man sollte es dennoch registrieren: So bereitet sich die Springer-Presse auf Belgrad3 vor – sie lügt sich ein.4