Westliche Reaktionen auf die Verhaftung von Rudolf Bahro (2)
1. September 1977
Zweite Zusammenfassung westlicher Reaktionen vom 31. August 1977 und 1. September 1977 auf die Verhaftung von Bahro [Bericht K 3/19b]
Die Reaktionen der gegnerischen Massenmedien auf den Fall Bahro erfuhren im Zusammenhang mit der am 31.8.1977 von der »Europäischen Verlagsanstalt« Köln veranstalteten Pressekonferenz zum Erscheinen von Bahros Buch1 umfangmäßig eine erneute Zunahme.
Im Mittelpunkt der Reaktion standen dabei Erklärungen der Verlagsanstalt, Erklärungen aus einem von Bahro selbst aufgenommenen Interview sowie Kommentierungen zur Verhaftung.
Die Erklärungen des Leiters der »Europäischen Verlagsanstalt«, Tomas Kosta, enthielten folgende Hinweise:
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Bahros Buch sei ihm auf der Buchmesse in Frankfurt/M. 19762 als ein »in der DDR existierendes interessantes Manuskript angeboten worden, dessen Verfasser am Druck durch die ›Europäische Verlagsanstalt‹ interessiert sei«.
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Das Manuskript sei im April 1977 mit Begleitbrief auf dem Postweg zugegangen und im Juni in Druck gegeben worden.
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Direkte Kontakte zu Bahro habe es nicht gegeben; der Verlag sei jedoch um Rechtsschutz für Bahro bemüht.
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Die erste Auflage umfasse 10 000 Bücher, weitere 20 000 würden folgen.
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Die Verlagsanstalt besitze noch weitere Aufsätze und Tonbänder Bahros; Ende September erscheine ein 35 Seiten umfassender Aufsatz.3
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Aufsätze Bahros würden in nächster Zeit auch in der Verlagszeitschrift »L 76« veröffentlicht.4
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Um Lizenzausgaben seien Verlage aus den USA, Frankreich und Skandinavien bemüht.5
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In Berlin sei auch die namentlich nicht bekannte Freundin Bahros verhaftet worden.
Aus dem Tonband-Interview wurden folgende Erklärungen Bahros hervorgehoben:
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Als Folgen rechne Bahro mit »formalem« Parteiausschluss, 2–10 Jahren Haft wegen staatsfeindlicher Hetze bzw. Ausweisung.
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Er werde jedoch nicht das Opfer sein, sondern derjenige, der angreift.
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Er wolle die DDR nicht verlassen, sein »Kampfplatz« sei hier.
Wesentliche »Argumente« in den Kommentaren waren:
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Der Fall Bahro zeige, mit welchem Misstrauen und Unbehagen auch überzeugte Kommunisten der Herrschaft des von Bahro kritisierten »verkrusteten Apparates« gegenüberstünden.
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Gegenwärtig reagiere der »Parteiapparat allergisch auf jede kritische Stimme«.
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Die Kritik Bahros habe im Innern der DDR »mehr ins Rutschen gebracht als jede andere Regimekritik zuvor«.
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Aus Staatsräson habe der Staatsapparat Bahro festnehmen müssen, da er mit seinen Gedanken nicht allein stünde.
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Eine glaubhafte Begründung für die Inhaftierung werde der SED nicht leichtfallen – staatsfeindliche Verbindungsaufnahme und Hetze seien anfechtbar.
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Aus ihren eigenen Reihen heraus sehe sich die SED heute bedroht.