3. Tagung der 8. Synode der Ev. Landeskirche Berlin-Brandenburg (1)
27. April 1981
Information Nr. 209/81 über erste Hinweise zum Verlauf der 3. ordentlichen Tagung der 8. Synode der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg vom 24. April 1981 bis 28. April 1981 in Berlin-Weißensee
Dem MfS liegen erste interne Hinweise zu den drei ersten Beratungstagen der Synode der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, die in der Zeit vom 24. bis 28.4.1981 stattfindet, vor.
Im Folgenden werden daraus einige bemerkenswerte Einzelheiten zur Kenntnis gegeben.
Die Tagung wurde mit der Begrüßung der Gäste eröffnet. Dabei wurde die Anwesenheit von Bischof Kruse1, Westberlin, und Pfarrer Hausen, Warschau, besonders hervorgehoben. (Als offizielle Gäste nahmen seitens staatlicher Organe an der Synode teil: Genosse Niendorf/Sektorenleiter, Sektor Kirchenfragen beim Magistrat der Hauptstadt Berlin, und Genosse Neuendorf/Sektorenleiter, Sektor Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Frankfurt/O.).
Zu bemerken ist, dass bereits am Eröffnungstag im Tagungsraum eine Reihe von in der DDR akkreditierten Korrespondenten der BRD erschienen und dort Aufzeichnungen, z. T. Ton- und Bildaufnahmen, vornahmen. Erkannt wurden:
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Winters – »Frankfurter Allgemeine Zeitung«
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Nöldechen – »Westfälische Rundschau«
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Baum – »Frankfurter Rundschau«
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Röder – Evangelischer Pressedienst
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Stadach – Rheinische Presse
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Lehmann – ARD.
Durch den Staatssekretär für Kirchenfragen war am Vormittag Bischof Schönherr2 darauf hingewiesen worden, dass für journalistische Unternehmen zur Synode keine Genehmigungen vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR erteilt worden sind und die Kirche diese Sachlage zu berücksichtigen habe. Bischof Schönherr erwiderte darauf, die Synode sei öffentlich und die Kirche sehe sich nicht in der Lage, ordnungsgemäß in der DDR akkreditierte Journalisten des Raumes zu verweisen.
Festgestellt wurde, dass die genannten Korrespondenten sowie weitere Vertreter von Rundfunk und Zeitungsmedien, wie z. B. Pleitgen, ARD, »Süddeutsche Zeitung«, »Stern«, »Kölnische Rundschau«, Reuter, AFP auch an den nächsten Beratungstagen, insbesondere während des Wahlaktes des Nachfolgers des Bischofs der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, im Beratungsraum anwesend waren.
Am ersten Beratungstag wurde der zwei Teile umfassende Bericht der Kirchenleitung vorgetragen. Während der erste Teil spezifische innerkirchliche theologische und organisatorische Probleme beinhaltete, kam es im zweiten Teil (vorgetragen durch Generalsuperintendent Schuppan,3 Eberswalde) zu Aussagen, die gesellschaftliche Probleme berührten.
So wurde die weitere Notwendigkeit und Nützlichkeit von Sachgesprächen zwischen Staat und Kirche angesprochen, wobei hervorgehoben wurde, dass in diesen Gesprächen u. a. Probleme erörtert werden müssten, wie Erhöhung des Mindestumtausches,4 3. Strafrechtsänderungsgesetz,5 Anliegen im Zusammenhang mit den Vorgängen in der VR Polen sowie im Bereich der Volksbildung. Im Bericht nahmen weiter »Probleme« christlicher Kinder in den Schulen, Fragen der Zulassung zur EOS, »Befragungen« von Kindern über ihre Glaubenshaltung, ihre Beteiligung am kirchlichen Unterricht, die Abmeldung von Kindern vom Wehrunterricht6 einen gewissen Raum ein. Es wurde betont, in einzelnen Fällen sei die Unrechtmäßigkeit bestimmter Praktiken von staatlicher Seite bestätigt und Abhilfe zugesagt worden.
Zur Lage in der VR Polen wurde folgender Passus vorgetragen: »Die Kirchenleitung hat die Entwicklung im Nachbarland Polen mit großer Sorge beobachtet. Sie war wiederholt Gegenstand in den Gesprächen auf den verschiedenen Ebenen. Folgende Punkte wurden angesprochen:
- 1.
Es möge alles getan werden, um das durch vielfältige Bemühungen neu entstandene gute Verhältnis der beiden Völker nicht zu gefährden.
- 2.
Darum ist es bedauerlich, dass kirchlichen Mitarbeitern, die hier eine besondere Aufgabe sehen, die Reise nach Polen nicht ermöglicht wurde, z. B. im Rahmen der ›Aktion Sühnezeichen‹.7
- 3.
Es besteht der Wunsch bei vielen Christen, Hilfssendungen in Form von Lebensmitteln nach Polen zu schicken. Diese Bitte wurde an die staatlichen Stellen gerichtet.
- 4.
Mit Sorge wurde festgestellt, dass feindselige Äußerungen gegen Polen und die polnischen Menschen zu hören waren. Die Kirche sieht es als ihre Aufgabe an, auf die entstehenden Gefahren hinzuweisen und bereits den Anfängen entgegenzutreten. In den Gesprächen konnte der Eindruck gewonnen werden, dass die vorgetragenen Besorgnisse auf staatlicher Seite bedacht werden.«
In Bezug auf das Verhältnis Staat – Kirche wurde ausgeführt:
»Im Berichtszeitraum sind weltpolitische Veränderungen vorgegangen und ernste Gefahren erkennbar geworden. Diese schwierigen Prozesse haben auch zu zeitweiligen Schwankungen in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche geführt. Beide Seiten betonten jedoch die Entschlossenheit, den im Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, mit dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen am 6. März 1978 beschrittenen Weg konstruktiv fortzusetzen.«8
In Bezug auf die Durchführung der sogenannten Bluesmessen9 wurde zum Ausdruck gebracht, dass solche neuen Formen der kirchlichen Verkündigung aufrechterhalten bzw. weiterentwickelt werden sollten. Den Veranstaltern von Bluesmessen wurde empfohlen, in Zukunft Inhalt und Form solcher Bluesmessen grundsätzlich in einer sogenannten Kontaktgruppe festzulegen, der vier Mitglieder aus dem Organisationskreis dieser Bluesmessen und vier von der Kirchenleitung nominierte Mitglieder angehören. Pfarrer Eppelmann10 sei in Bezug auf die Wahrnehmung der »Federführung« entbunden und die Verantwortung dem Stadtjugendpfarrer von Berlin übertragen worden.
Der erste Beratungstag wurde mit einer sogenannten Gemeindeveranstaltung in der Paul-Gerhardt-Kirche (Wisbyer Straße) beendet. In dieser Veranstaltung erfolgte ein Synodalvortrag zum Thema: »Nachfolge an der Schwelle des 3. Jahrtausend«11 von Bischof Schönherr. Bezogenheiten zu gesellschaftlichen Problemen erfolgten z. B. zur angeblichen
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Störung des Gleichgewichts unseres kontinuierlichen Lebensraumes,
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sozialen Ungleichheit,
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internationalen politischen Unsicherheit,
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Herausforderung an den Glauben,
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menschlichen Verantwortung.
Bischof Schönherr verwandte in diesem Vortrag zahlreiche Begriffe, Zahlen und Argumente aus der Terminologie kapitalistischer Länder. Gleichzeitig zitierte er Marx und Engels. Offensichtlich wollte er durch diese Wortspielereien zum Ausdruck bringen, dass die Erbauer der sozialistischen Gesellschaft von heute die von Marx und Engels getroffenen Grundsatzvorstellungen noch lange nicht verwirklicht hätten.
In der sich anschließenden Diskussion wurde von Teilnehmern (Namen werden noch ermittelt) eine Reihe negativer Aspekte hervorgehoben, so z. B.
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die Kirche müsse sich zu einem »absoluten Pazifizismus« bekennen,
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die Kirche müsse grundsätzlich auch für die da sein, die nicht für den Sozialismus sind,
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die Kirche sei keine Minoritätsgröße und deshalb sei sie berechtigt, gegenüber der Gesellschaft Forderungen zu erheben.
Bei den üblichen Mitteilungen an die Synodalen über Personalentscheidungen wurde u. a. auf das ungesetzliche Verlassen der DDR durch Pfarrer [Vorname Name 1] eingegangen. Dazu hieß es:
»Im Berichtszeitraum musste die Kirchenleitung über vier Anträge von Pfarrern beraten, die in die Bundesrepublik oder nach Berlin (West) übergesiedelt sind; [Name 2] Gießel; [Name 3] Friedersdorf; [Name 4] Falkenhagen; [Name 5] Eichwege. Die Kirchenleitung hat in allen Fällen die Belassung der Rechte aus der Ordination abgelehnt.
Im November 1980 hat ein Pfarrer seine Pfarrstelle anlässlich einer Reise verlassen, die er im Auftrag der »Christlichen Friedenskonferenz« (CFK)12 nach Berlin (West) unternahm (Dr. [Name 1] Berlin). Es war dies der erste Fall, dass in unserer Kirche ein Pfarrer im aktiven Dienst von einer Reise nicht zurückgekehrt ist. Die Kirchenleitung hat ihn aufgefordert, von sich aus auf die Rechte aus der Ordination zu verzichten, da sie sein Verhalten für unvereinbar mit dem in der Ordination begründeten Auftrag hält.
Angesichts der Vakanzlage müssen die Gemeinden in der Regel lange warten, bis sie einen neuen Mitarbeiter bekommen. Die vorhandenen Mitarbeiter sind nicht in der Lage, den Dienst in den verlassenen Gemeinden zusätzlich zu übernehmen. Die Kirchenleitung versteht die Ordinationsbindung des Pfarrers und das Dienstversprechen eines jeden hauptberuflichen Mitarbeiters im Verkündungsdienst nach wie vor so, dass ein Dienst nicht ohne Zustimmung verlassen werden darf.«
Der 2. Beratungstag der Synode war ausschließlich der Wahl des Nachfolgers des Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Albrecht D. Schönherr, gewidmet.13
Nachdem bereits am Vortage den anwesenden 124 stimmberechtigten Synodalen der Wahlvorschlag verlesen und Oberkonsistorialrat Dr. Demke14 (Berlin, Stellv. des Leiters des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR) sowie Generalsuperintendent Dr. Forck15 (Cottbus) offiziell der Synode als Bischofskandidaten bekanntgegeben wurden, fand der erste Wahlgang statt.
(Lt. »Kirchengesetz über die Wahl des Bischofs« wählt die Synode ohne Aussprache in geheimer Abstimmung den Bischof mit Zweidrittelmehrheit. Bei 124 stimmberechtigten Synodalen sind im gegebenen Fall 83 Stimmen für die Wahl des Bischofs erforderlich. Kann beim ersten Wahlgang keine Zweidrittelmehrheit für einen Bischofskandidaten ermittelt werden, sind bis zu vier Wahlgänge nach gleichem Modus vorgesehen.)
Im ersten Wahlgang wurde folgendes Resultat ermittelt:
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Generalsuperintendent Dr. Forck: 76 Stimmen
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Oberkonsistorialrat Dr. Demke: 37 Stimmen
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Ungültige Stimmen: 11 Stimmen.
Im Ergebnis des 2. Wahlganges wurde Generalsuperintendent Dr. Forck mit 83 Stimmen zum neuen Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg gewählt. Oberkonsistorialrat Dr. Demke erhielt in diesem Wahlgang 35 Stimmen, 6 Stimmen waren ungültig.16
Nach der Wahlhandlung wurden durch die Synodalen weitere Verhandlungsgegenstände zur Beratung durch die Synode eingebracht und die Diskussion zur »Stellungnahme zu den Entwürfen der gemeinsamen Vorbereitungsgruppe Vereinigte Evangelische Kirche«17 begonnen. Zum Abschluss des 2. Beratungstages (25.4.1981) fand um 19.00 Uhr in der Eliaskirchgemeinde, Berlin-Prenzlauer Berg, Göhrener Straße 11, ein »Geselliges Beisammensein der Synodalen mit Tagungsgästen und Ehepartnern« statt.
Der 3. Beratungstag (26.4.1981) begann mit dem Grußwort des Vertreters des Polnischen Ökumenischen Rates, Pfarrer Jan Hausen. Er brachte in seinem Grußwort u. a. zum Ausdruck, dass sich sein Land in einer schwierigen Lage befände. Es würden große Veränderungen im gesellschaftlichen und somit auch im religiösen Leben des polnischen Volkes stattfinden, zumal über 90 % der polnischen Bevölkerung römisch-katholischen Glaubens wären.
Durch die Krise der Regierung habe die katholische Bevölkerung verstärkt religiöse Freiheiten und Rechte (katholische Fernseh- und Rundfunksendungen, Seelsorge in staatlichen Einrichtungen usw.) zugesprochen bekommen. Leider habe nur die katholische Kirche diese Möglichkeit erhalten, obwohl die evangelische Kirche staatlicherseits analoge Versprechungen bekommen hätte. Die evangelischen Gläubigen erwarteten nun die Einlösung dieses staatlichen Versprechens.
Zur Situation in der evangelischen Kirche Polens erklärte Pfarrer Hausen, dass sie sich in einem ständigen »Schrumpfungsprozess« befände. Eine der Ursachen sei die verstärkte Übersiedlung einer großen Anzahl polnischer Protestanten in die BRD. Unter großem Beifall der Synodalen schloss Pfarrer Hausen seine Grußansprache mit den Worten: »Wir werden und wir müssen bestehen bleiben – wenn das Leben auch nicht leicht ist«. Die Grußansprache des Pfarrers Hausen wurde von ARD mitgeschnitten und gefilmt. Im Anschluss an sein Grußwort verließ Pfarrer Hausen in Begleitung des BRD-Korrespondenten Pleitgen (ARD) das Tagungsgebäude und betrat es erst nach der Mittagspause wieder.
Die Synodaltagung wurde mit der Diskussion zur Vereinigten Evangelischen Kirche fortgesetzt. Von leitenden kirchlichen Amtsträgern (Bischof Schönherr, Generalsuperintendent Forck) war das Bemühen zu erkennen, die Synode zu einer positiven Haltung zur Vereinigten Evangelischen Kirche zu bewegen. Sie vertraten die Auffassung, wenn es nicht gelänge, bis zur Bundessynode im September 1981 eine Einigung aller acht Landeskirchen herbeizuführen, dann wäre ein genereller Neubeginn erforderlich.
In der Nachmittagsberatung stand der Bericht der Kirchenleitung im Mittelpunkt der Diskussion.
In seinem Beitrag hob der Synodale Pfarrer Domrös18 (Potsdam) die positive Bilanz der im November 1980 durchgeführten »Friedensdekade« hervor. Er unterbreitete den Vorschlag, auf der Synode eine Entschließung anzunehmen, in der empfohlen wird, dass analoge kirchliche Veranstaltungen auch 1981 stattfinden sollten. Absprachen mit den evangelischen Freikirchen und mit der »Aktion Sühnezeichen« seien bereits im Gange.
Oberkonsistorialrat Stolpe19 äußerte sich positiv in der Diskussion, dass der Kurs vom 6.3.197820 auch bei bestehenden Problemen durch eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre fortgeführt wurde.
Von einzelnen Diskussionsrednern wurde versucht, politisch-negative Probleme in die Synode hineinzutragen.
Sich auf die Situation in der VR Polen beziehend, forderte z. B. der Synodale Hafa (Berlin), keine »Einmischung« in die inneren Angelegenheiten und keinerlei »Bevormundung« der polnischen Bevölkerung zuzulassen. Die ihm zur Kenntnis gelangten Meinungen, dass »die Polen lieber arbeiten sollten«, erinnerten sehr an die faschistische Losung »Arbeit macht frei«. Gerade jetzt sei es notwendig, das Vertrauen der polnischen Bevölkerung zu bewahren und Kontakte mit polnischen Bürgern zumindest postalisch zu festigen.
Der Synodale Pfarrer Karau (Neuruppin) trat in der Diskussion zum Thema Friedenspolitik mit prowestlichen Argumenten auf. So »erinnerte« er die Synode daran, dass es sich bei der »Rüstung« in der BRD um »Nachrüstung« handele. Man solle doch »bei der Abrüstungsdiskussion nicht die in der DDR stationierten sowjetischen SS-20-Raketen vergessen«.
Bischof Schönherr brachte gegenüber anwesenden staatlichen Vertretern während einer Tagungspause zum Ausdruck, dass die kirchenpolitischen Aussagen des X. Parteitages der SED große Beachtung unter den kirchlichen Amtsträgern gefunden hätten. »Man« sei froh, dass »trotz kleiner Unstimmigkeiten« am bewährten Kurs des 6.3.1981 »beiderseitig« festgehalten werde.21
Im Zusammenhang mit der Anwesenheit einer erheblichen Anzahl von in der DDR akkreditierten Korrespondenten westlicher Massenmedien in der Synode sind inzwischen in Rundfunk, Fernsehen und Presse der BRD eine Reihe Veröffentlichungen über den bisherigen Verlauf der Synode erschienen, in denen teilweise wörtlich Passagen wiedergegeben werden, die zielgerichtet ausgewählt sind und Aussagen mit gesellschaftspolitischen Aspekten beinhalten.
Am 25.4.1981 fand ein 45-minütiges Pressegespräch unter Leitung von Bischof Schönherr, Präses Dr. Becker22 und Generalsuperintendent Forck statt, an dem teilnahmen:
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Röder – Evangelischer Pressedienst (epd)
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Lehmann – ARD
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Nöldechen – »Westfälische Rundschau«
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Baum – »Frankfurter Rundschau«
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Göring – ADN
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Dr. Bräunig – »Neue Zeit«
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Johann – »Die Kirche«
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Lorenz – »Evangelischer Nachrichtendienst«.
U. a. wurden von den westlichen Korrespondenten folgende Fragen gestellt:
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»Steht Forck in einem Gegensatz zu Schönherr als Seelsorger und Politiker?«
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»Welche theologische Linie vertritt Forck?«
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»Wie sind die Verhältnisse vor Ort?«
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»Wie beurteilt Schönherr das Verhältnis Kirche – Staat?«
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»Welche anderen ernsten Probleme hat die Kirche?«
Diese u. a. Fragen wurden sehr allgemein beantwortet. Zum Abschluss des Pressegesprächs wies die Pressereferentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Mayer, auf die bevorstehende Einweihung des neuen Gemeindezentrums in Eisenhüttenstadt hin. Aus diesem Anlass würde für den 22. Mai 1981, 10.00 Uhr, zu einem Pressegespräch durch die Kirchenleitung eingeladen. Sie äußerte, dass der Vorsitzende des Staatsrates, Erich Honecker, bei der Einweihung anwesend sein könnte.
Über den weiteren Verlauf der Synode wird ergänzend berichtet.
Anlage 1 zur Information Nr. 209/81
Auskunft über den neu gewählten Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Forck23
Name, Vorname: Dr. Forck, Gottfried
geb. am/in: 6. Oktober 1923 in Ilmenau, Bezirk Suhl
wohnhaft: 7500 Cottbus, [Straße, Nr.]
Familienstand/Kinder: verheiratet/fünf
Ehefrau: [Vorname Name, Geburtsname]
geb. am [Tag, Monat] 1930 in Bochum
bisherige Tätigkeit: Generalsuperintendent: Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg – Generalsuperintendentur Sprengel Cottbus
Schulische und berufliche Entwicklung:
Dr. Forck besuchte von 1930 bis 1938 die Volksschule, nahm im Anschluss daran ein Studium an der Brüdergemeinde in Niesky auf, welches er 1942 mit der Reifeprüfung abschloss.
Nach seiner Militärzeit bei der faschistischen Wehrmacht (Kriegsmarine) studierte Forck in Bethel, Heidelberg und Westberlin in der Fachrichtung Theologie. Sein erstes theologisches Examen bestand er im Jahr 1952.
Ab 1953 war er dann bis Mai 1954 als Assistent der Kirchlichen Hochschule in Berlin (West) sowie als Vikar mit Pfarrauftrag in Luckenwalde tätig. Am 24. Oktober 1954 wurde Forck ordiniert und im Dezember 1954 in sein Amt als Studentenpfarrer der Humboldt-Universität in Berlin eingeführt.
Im Jahr 1956 erwarb Forck den Doktorgrad; Promovierung erfolgte an der theologischen Fakultät in Heidelberg (BRD). Das Amt eines Studentenpfarrers übte Forck bis zum Herbst 1959 aus. Durch die Kirchenleitung wurde er anschließend als Pfarrer für Lauta, Kreis Hoyerswerda, berufen. Dieses Amt übte er bis 1963 aus. Im gleichen Jahr wurde er als Leiter des Predigerseminars in Brandenburg/Havel eingesetzt.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1973 erfolgte seine Berufung als Generalsuperintendent für den Sprengel Cottbus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg.
Einschätzung der Person:
Dr. Forck entstammt einer streng kirchlichen Familie. Sein Vater, Bernhard-Heinrich Forck,24 war Superintendent in Luckenwalde und dem MfS durch seine reaktionäre Einstellung und sein Auftreten gegenüber unserem Staat und unserer Gesellschaft bekannt.
Forck, Gottfried zeigte bereits in den vergangenen Jahren, besonders aber während seiner Tätigkeit als Studentenpfarrer an der Humboldt-Universität Berlin, eine negative politische Einstellung zu unserem sozialistischen Staat. Deutlich war sein Bemühen, seinen negativen und reaktionären Einfluss unter der studentischen Jugend geltend zu machen.
In der Behandlung des Buches »Grenzen des Staates«25 von Dibelius26 argumentierte er in der ESG besonders mit den Thesen: »Ein Staat ist nur dann gut, wenn er dem Menschen hilft, unter die Gewalt Gottes zu kommen, sonst ist er ein Tierstaat und muss von den Christen abgelehnt werden. Gesetze eines solchen Tierstaates sind Gewaltgesetze, die für Christen keine Gültigkeit haben […] Es ist unstatthaft, im Leben auf Widerstand gegen diese staatliche Gewaltherrschaft zu verzichten.«27
Mit der Übernahme seiner Tätigkeit als Direktor des Predigerseminars in Brandenburg im Jahr 1963 war bei Forck erkennbar, dass er versuchte, seine im Grunde negative Einstellung zur DDR durch eine aufgeschlossene Gesprächsbereitschaft mit Vertretern des Rates der Stadt zu tarnen. Nach außen hin zeigte er sich in Gesprächen anerkennend zu den Erfolgen des Aufbaus der Republik, ließ dabei aber keinen Zweifel zu, dass er mit bestimmten Maßnahmen des Staates nicht einverstanden ist. So z. B. nahm er gegen die Verfassung der DDR Stellung. Da seiner Meinung nach die Stellung der Kirche nicht klar genug fixiert sei, greife der Staat ständig in die innerkirchlichen Belange ein, wodurch die Rechte und Freiheiten der Kirche »immer mehr eingeengt und beschnitten würden«.
Bereits zu dieser Zeit nahm Forck eine ablehnende und negative Haltung zur sozialistischen Bildungspolitik ein, die sich bis in die heutige Zeit kontinuierlich fortsetzt.
Die Position von Forck während seiner Tätigkeit als Generalsuperintendent war offensichtlich darauf ausgerichtet, keine offenen Konfrontationen mit dem sozialistischen Staat herbeizuführen, sondern sich taktisch anzupassen.
Seine tatsächliche politisch-ideologische Grundhaltung zur sozialistischen Entwicklung sowie zu kirchenpolitischen Fragen spiegelt sich jedoch in einer Vielzahl der Äußerungen Forcks wider.
So begründete er u. a. seinen negativen Beitrag auf der Frühjahrssynode 1976, dass er deutlich machen wollte, dass die Christen im täglichen Leben nicht die gleichen Chancen haben und von Schülern und Jugendlichen ständig »Pauschalerklärungen« verlangt würden, auf die sie hinterher »festgelegt werden können«. Nach seiner Meinung erfolgt die Unterweisung im Marxismus-Leninismus zu undifferenziert, die es den jungen Christen schwer macht, Teile des Marxismus-Leninismus, wie zum Beispiel humanistische Fragen, zu bejahen.
Auch sein Beitrag auf dem im September 1976 während der Messe im Saal der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Leipzig stattgefundenen kirchlichen Männerabend war von seiner negativen Grundeinstellung geprägt.
Hier hielt Forck das Referat zum Thema »Die Botschaft Gottes bindet und befreit. Von der Menschlichkeit des biblischen Zeugnisses«.
Im gesamten Referat dominierte deutlich seine Kritik an der »christlichen Ängstlichkeit«, verbunden mit der politischen Aussage, dass sich die Christen im sozialistischen Staat »nicht einschüchtern lassen sollen«. Er appellierte besonders an die »Evangelikalen«, die bestehende Konfrontation der Glaubensoppositionen abzubauen, die Vorteile einer »modernen« Position einzusehen und an der Herstellung innerer Geschlossenheit der Kirchen in der DDR mitzuarbeiten, durch welche dann eine gewisse »Position der Stärke« innerhalb des sozialistischen Staates bewirkt werden solle.
Derartige Verhaltensweisen des Forck zeigen sich auch nach dem Gespräch des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates, Genossen Honecker, mit evangelischen kirchenleitenden Persönlichkeiten am 6. März 1978 bis in die Gegenwart. Der Wert dieses Gespräches müsse sich nach Forck auf unterer Ebene erweisen, denn wenn sich dort nichts ändere, habe es seinen Sinn verloren.
Forck machte auch keinen Hehl daraus, dass er von Anfang an Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieses Gespräches hegte; auch wenn sich das Verhältnis Staat – Kirche vielerorts zum Guten entwickelt habe, gebe es aber noch Probleme und Schwierigkeiten.
So habe er sich u. a. vom sozialistischen Staat mehr Toleranz im Bildungssektor und stärkere Respektierung von Glaubensgründen einzelner Schüler und Jugendlicher erhofft, wenn auch der Staat sein Bildungsziel nicht aufgeben könne.
Bezug nehmend auf solche negativ-feindlichen Kräfte, die bereits in die BRD übersiedelten bzw. Anträge gestellt haben, vertrat er die Meinung, dass es schade sei, dass »uns gerade diese Brüder verlassen, die kritisch zum Staat und zur Gesellschaft stehen«.
Sie würden hier gebraucht und der Staat sei gut beraten, immer wieder Rat und Hinweise von diesen Kritikern anzunehmen.
Im Zusammenhang mit der vorgesehenen Bildung einer »Vereinigten Evangelischen Kirche der DDR« äußerte Forck, es sei ihm wichtig, dass in einer vereinigten Kirche die bisherigen ökumenischen Kontakte der VELK28 und EKU29 erhalten bleiben, und auch die EKU ihre besondere Verbindung zu Westberlin, zum Rheinland und Westfalen nicht aufgeben brauche. Seine erfolgte Wahl als Vizepräsident der Bundessynode war seinen Aussagen nach nicht vorgesehen und kam lediglich durch den Rücktritt drei anderer Kandidaten zustande, wodurch er zur Funktionsübernahme »bedrängt« wurde.
Während Forck einerseits seine Beteuerungen für die Erhaltung des Friedens zum Ausdruck bringt und selbst gegen sog. Kriegsspielzeug in Kindergärten auftritt, ist er nicht von der Notwendigkeit der Mitarbeit der Kirche sowie seines persönlichen Engagements in der »Christlichen Friedenskonferenz« (CFK)30 zu überzeugen. Er arbeitete bis 1968 vorübergehend in einer Arbeitsgruppe mit und stellte fest, dass die CFK »ein klein wenig einseitig« orientiert sei und die »einseitige« Unterstützung der Friedenspolitik der SU aus der Tätigkeit der CFK ausgeklammert werden müsste.
Im Kampf um Frieden und schrittweise Abrüstung fordert Forck »gewisse Vorleistungen« der sozialistischen Staaten im militärischen Bereich. Da trotz der Vorschläge der SU die Verhandlungen stagnierten, sollte das sozialistische Lager zu »praktischen Schritten« übergehen, selbst wenn dieses zur »Einschränkung von Machtpositionen des Sozialismus« führe.
Aufgabe der Kirche sei es vielmehr, gegen die Aufrüstung in der DDR zu protestieren; man müsse sich »aufbäumen gegen die Verabsolutierung des Machtgedankens in diesem Staat«. Obwohl Forck angeblich gegen die Aufrüstung in der BRD sei und diese aufmerksam beobachte, könne er sich dazu nicht offiziell äußern, da »man« sonst zu der Auffassung gelange, dass er der »Rotlichtbestrahlung« im kommunistischen Lager erlegen sei. Wenn er und die Kirche z. B. gegen die Neutronenbombe auftreten, würde man in der BRD als »staatshörig« verschrien sein und das als ein »Bündnis zwischen Thron und Altar« in der DDR werten.
Mit dieser Einstellung trat Forck auch gegen den sozialistischen Wehrunterricht31 auf. Seiner Meinung nach sei der Staat mit dieser Maßnahme nicht gut beraten, »denn der Schuss kann auch nach hinten losgehen«. Diese Maßnahmen würden nicht zur Annäherung der Völker untereinander beitragen und dem Ansehen der DDR schaden. In der Wehrerziehung gäbe es große Probleme, und vor allem störe ihn das »einseitige Feindbild«, wie es in der DDR gezeichnet werde.
So würden in der DDR auch zunehmend die Tendenzen gefördert, die Öffentlichkeit bei bestimmten Prozessen »auszuschließen«. Es handele sich dabei u. a. um Prozesse, bei denen über Spionage, ungesetzliches Verlassen der DDR und Übersiedlungsforderungen verhandelt würde. Mit dieser »Praxis« füge die DDR ihrem Ansehen großen Schaden zu. Auch sei sich die Regierung ihrer öffentlichen Verantwortung vor dem Volk nicht bewusst. Dr. Forck betrachtet es als legitim, im Auftrage der Kirche an Prozessen teilzunehmen, um verantwortlich mitzudenken. In einem Fall habe er sogar vom Bischof einen Auftrag zur Teilnahme erhalten.
Seine gegen staatliche Maßnahmen gerichteten Aktivitäten kamen auch darin zum Ausdruck, dass er zum Problem der Erhöhung des Mindestumtausches,32 Bezug nehmend auf ein Schreiben der Kirchenleitung, gegen diese Maßnahme schriftlich Einspruch erhob mit der Bitte, sich staatlicherseits diesen Schritt nochmals zu überlegen. Forck rief als engagierter Gegner der CDU in einer Vortragsreihe die Pfarrerschaft auf, sich jeglicher gesellschaftlicher Tätigkeit zu entziehen. Obwohl er sich nach außen zur Friedenspolitik bekennt, unterzeichnete er die Willenserklärung der DDR nicht und vertrat die Auffassung von der »Nutzlosigkeit« dieser Maßnahme, die zum »Gewissenszwang« bei den Menschen führe.
Es ist aus den genannten und einer Vielzahl belegbarer Beispiele die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Forck mit einer inneren verfestigten negativen Position gegenüber unserem Staat mittels einer Taktik des geschickten Manövrierens und der Umgehung von Festlegungen aus dem Gespräch vom 6.3.1978 ein Mitspracherecht der Kirche als eine Richtung kirchlicher Tätigkeit durchzusetzen und Kraftproben zwischen Staat und Kirche zu provozieren versucht.
Gleichzeitig taktiert Forck dahingehend, während vieler Anlässe Zweifel an seiner feindlich-negativen Haltung abzubauen. Dadurch gilt er als ein »Verfechter getarnter Konfrontation« mit dem Staat.
In seinem Amt als Generalsuperintendent wird Forck durch die Bruderschaft differenziert eingeschätzt:
Bei den jüngeren Pfarrern und den Superintendenten ist er relativ beliebt, wird geachtet und genießt das Vertrauen, da er auf ihre Probleme eingeht und ihnen Unterstützung zukommen lässt. Zum anderen wird er als guter Theologe anerkannt. In diesen Kreisen gewinnt Forck durch diese Situation Einfluss in jeder Beziehung.
Von den älteren Pfarrern wird sein kirchliches Amt respektiert. Theologisch stellt sich der größte Teil dieser Pfarrer mit ihm auf eine Stufe.
Forck wird von kirchlichen Kräften als in seinem Wesen meist zurückhaltend, still und teilweise reserviert eingeschätzt. Er sei entgegenkommend und ein »kluger Beobachter«, der die Realitäten sieht und sich entsprechend der Situation darauf einstellt und anpasst. Dennoch zeige er in manchen Fragen eine etwas »naive« politische Haltung. Andererseits sei er der Gegensatz zu seinem Vorgänger, oft zu »pietistisch«, und dadurch bliebe »einiges offen«, sodass sein Partner nicht recht wisse, woran er sei.
Dem MfS ist bekannt, dass Forck über eine große Anzahl von Verbindungen in die BRD, Westberlin und andere kapitalistische Staaten verfügt, wobei er mit einer Reihe dieser Personen ständigen Kontakt unterhält.
Die Ehefrau des Forck, von Beruf Krankenschwester und Fürsorgerin, arbeitet seit einiger Zeit stundenweise bzw. halbtags als pflegerische Hilfskraft im kirchlichen Pflegeheim »Wichernhaus« in Cottbus.
Anlage 2 zur Information Nr. 209/81
Reisesperren für christliche Amtsträger und Laien nach Polen
In einigen Aussagen der Synode werden (wie in der Information Nr. 209/81 angeführt) Bezüge dahingehend konstruiert, wonach kirchlich gebundenen DDR-Bürgern die Ausreise in die VR Polen nicht gestattet wurde, wobei diese Maßnahmen vor der Öffentlichkeit der Synode verurteilt wurden.
Im Folgenden wird eine kurze Übersicht gegeben, in welchem Umfang kirchlich gebundenen evangelischen DDR-Bürgern im Zusammenhang mit der zeitweiligen Veränderung der Modalitäten des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs Ausreisen in die VR Polen nicht gestattet wurden.
Insgesamt sind bisher gegen 24 kirchlich gebundene DDR-Bürger Reisesperrmaßnahmen verfügt worden. Es handelt sich dabei um sechs Pfarrer, neun kirchliche Laien, vier Theologie-Studenten, drei Angestellte der Diakonie und zwei Vikare.
Die Gründe für die verfügten Reisesperren sind in allen Fällen feindlich-negative Handlungen im Zusammenhang mit der Situation in der VR Polen, wie z. B. Schleusung nichtlizenzierter Druckerzeugnisse bzw. Zahlungsmittel, begründeter Verdacht der Nutzung des Aufenthaltes in der VR Polen zum ungesetzlichen Verlassen der DDR und gezielte Kontaktherstellung bzw. -intensivierung zu negativ-feindlichen Kräften in der VR Polen.
Die genannten 24 Personen sind ansässig in den Bezirken Karl-Marx-Stadt (8), Hauptstadt Berlin (7), Halle (4), Dresden (3), Potsdam und Frankfurt (je 1).